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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
I 559/05 
 
Urteil vom 31. März 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Parteien 
M.________, 1970, Beschwerdeführer, vertreten durch die Beratungsstelle für Ausländer, Schützengasse 7, 
8001 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 
8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Beschluss vom 29. Juni 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________ (geb. 1970) leidet seit Geburt an konnatalem Hydrocephalus mit geistiger und körperlicher Retardierung. Am 2. Januar 1995 reiste er in die Schweiz ein und hält sich seither bei seinen Eltern auf. Diese stellten für ihn am 9. Dezember 2004 ein Gesuch um Hilflosenentschädigung bei der Invalidenversicherung. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2004 wies die IV-Stelle des Kantons Zürich das Begehren ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 25. Februar 2005 fest. 
B. 
Hiegegen liess M.________ durch die Beratungsstelle für Ausländer und Steuerpraxis unter Beilage einer Vollmacht seines Vaters Beschwerde einreichen mit dem sinngemässen Begehren um Zusprechung der gesetzlichen Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom 30. März 2005 setzte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich unter Androhung des Nichteintretens M.________ und seinen Eltern Frist an, um das Vertretungsverhältnis zu erklären, bei Beschwerdeführung in eigenem Namen die Beschwerdelegitimation darzulegen, bei Beschwerdeführung im Namen ihres Sohnes eine schriftliche Vollmacht desselben oder eine allfällige Zustimmung der Vormundschaftsbehörde oder einen Nachweis der Mitwirkung eines allfälligen Beirates einzureichen. Mit Schreiben vom 21. April 2005 sandte die Beratungsstelle für Ausländer eine Vollmacht, welche der Vater von M.________ unterschrieben hatte, mit der Bemerkung, der Beschwerdeführer sei krank, aber nicht bevormundet, und seine Eltern hätten ihn bis jetzt gepflegt und unterstützt. Er könne nicht schreiben und nicht handeln. Daraufhin forderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Verfügung vom 28. April 2005 die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich auf, schriftlich zur Beschwerde Stellung zu nehmen und die bisherigen Prozesshandlungen zu genehmigen. Mit Schreiben vom 8. Juni 2005 teilte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich mit, für M.________ würden keine vormundschaftlichen Massnahmen geführt. Auf Grund der Akten sei jedoch ersichtlich, dass dieser offensichtlich unfähig sei, seinen Prozess selbst gehörig zu führen, weshalb hinreichende Gründe vorlägen, um ihm seitens des Gerichts im Sinne von § 29 Abs. 2 ZPO einen Vertreter zu bezeichnen. Mit Entscheid vom 29. Juni 2005 trat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich auf die Beschwerde nicht ein. 
C. 
Die Beratungsstelle für Ausländer führt im Namen von M.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei auf die Beschwerde einzutreten und es seien ihm die Versicherungsleistungen zu erbringen. 
 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht auf die Beschwerde vom 29. März 2005 nicht eingetreten ist. Die strittige Verfügung hat somit nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zum Gegenstand. Das Eidgenössische Versicherungsgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
2.1 Die Befugnis zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Einspracheentscheid oder eine Verfügung an das kantonale Gericht richtet sich nach Art. 59 ATSG. Danach ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Diese Begriffe sind ebenso auszulegen wie für das bundesrechtliche Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren nach Art.103 lit. a OG (BGE 130 V 563 Erw.3.2, 390 Erw. 2.2). 
2.2 Die Legitimation, einen bestimmten Anspruch auf dem Rechtsmittelweg geltend zu machen, steht in einem engen Zusammenhang mit der Befugnis, die versicherte Person bei der Verwaltung zum Bezug der entsprechenden Leistung anzumelden. Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses vermittelt das im Rahmen von Art. 103 lit. a OG (und den damit inhaltsgleichen Normen) erforderliche Rechtsschutzinteresse auch bereits den Anspruch auf Erlass einer Verfügung (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 153). Ist eine Person berechtigt, die Anmeldung vorzunehmen, kommt ihr deshalb regelmässig auch die Legitimation zu, den streitigen Anspruch im Verwaltungsprozess selbstständig zu verfolgen (BGE 120 V 438 Erw. 2a mit Hinweisen). Gemäss dem seit 1. Januar 1984 in Kraft stehenden Art. 66 Abs. 1 IVV sind zur Geltendmachung des Anspruchs befugt: Der Versicherte, sein gesetzlicher Vertreter sowie Behörden oder Dritte, die den Versicherten regelmässig unterstützen oder dauernd betreuen. Behörden und Dritte, welche diese Voraussetzungen erfüllen, können auch die entsprechenden Entscheide auf dem Rechtsmittelweg weiterziehen (Urteile K. vom 8. Juni 2005, I 113/05, und K. vom 11. Oktober 2004, I 226/04; nicht veröffentlichtes Urteil P. vom 22. August 1995, I 32/95). 
3. 
3.1 Auf Grund der Akten ist erstellt, dass M.________ nicht handlungsfähig ist, bei seinen Eltern lebt und von diesen unterstützt wird, jedoch nicht bevormundet ist. Die Anmeldung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug hat der Vater für seinen Sohn eingereicht und das Anmeldeformular unterschrieben. In der Folge erhob die vom Vater beauftragte Beratungsstelle für Ausländer im Namen des M.________ gegen die Verfügung Einsprache und Beschwerde gegen den Einspracheentscheid. Für diese Schritte berief sich die Beratungsstelle für Ausländer auf eine vom Vater unterzeichnete Vollmacht. Mit Verfügung vom 30. März 2005 setzte das kantonale Gericht M.________ sowie seinem Vater und seiner Mutter Frist an, um das Vertretungsverhältnis zu erklären. Bei Beschwerdeführung in eigenem Namen sei die Beschwerdelegitimation darzulegen. Bei Beschwerdeführung im Namen ihres Sohnes sei eine schriftliche Vollmacht desselben oder eine allfällige Zustimmung der Vormundschaftsbehörde oder ein Nachweis der Mitwirkung eines allfälligen Beirates einzureichen. Daraufhin sandte die Beratungsstelle für Ausländer mit Eingabe vom 21. April 2005 die vom Vater unterzeichnete Vollmacht mit der Ausführung, der Beschwerdeführer sei krank, aber nicht bevormundet; die Eltern hätten ihn bis jetzt gepflegt und unterstützt; er könne nicht schreiben und nicht handeln. Die zugestellte Vollmacht sei als genügend anzuerkennen. 
3.2 Das kantonale Gericht erachtete die vom Vater unterzeichnete Vollmacht als nicht genügende Prozessvollmacht im Sinne der § 15 und 28 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht (in Verbindung mit § 34 Abs. 1 ZPO), da der Vater des mündigen und nicht bevormundeten M.________ nicht mehr dessen gesetzlicher Vertreter sei und nicht im Namen seines Sohnes handeln könne. Liege aber keine hinreichende Vollmacht vor, sei davon auszugehen, dass keine Vertretungsbefugnis vorliege. Insofern erweise sich die Eingabe vom 29. März 2005 als ungültige Beschwerde, auf die androhungsgemäss nicht einzutreten sei. Nachdem in der Verfügung vom 30. März 2005 ausdrücklich auf die allenfalls bestehende Beschwerdelegitimation der Eltern hingewiesen und Frist zur Darlegung der Beschwerdeführung in eigenem Namen angesetzt worden sei, ohne dass in der Folge eine Beschwerdeerhebung im Namen der Eltern geltend gemacht und begründet worden sei, könne die Eingabe vom 29. März 2005 auch nicht als Beschwerde im Namen der Eltern qualifiziert werden, weshalb ein Eintreten auf die Beschwerde auch insofern ausgeschlossen sei. Abschliessend sei darauf hinzuweisen, dass den Eltern die Möglichkeit offen stehe, unter Darlegung konkreter Unterstützungspflichten im eigenen Namen Hilflosenentschädigung bei der Invalidenversicherung zu beantragen. 
3.3 Die Auffassung des kantonalen Gerichts ist als überspitzt formalistisch zu betrachten und verträgt sich mit dem in Art. 61 lit. a ATSG enthaltenen Grundsatz der Einfachheit des Verfahrens nicht. Auf Grund der Akten ist klar, dass M.________ handlungsunfähig, aber nicht bevormundet ist, und sein Vater ihn bei der Invalidenversicherung angemeldet hat. Auch wenn die Beratungsstelle für Ausländer jeweils M.________ als Beschwerdeführer angegeben und im Schreiben vom 21. April 2005 die Eltern nicht ausdrücklich als Beschwerdeführer bezeichnet hat, hätte das kantonale Gericht den Vater im Sinne eines einfachen und raschen Verfahrens als Beschwerdeführer betrachten müssen, zumal die Beratungsstelle für Ausländer im erwähnten Schreiben darauf hinweist, dass die Eltern den Sohn unterstützen. Es steht auch ausser Frage, dass die Eltern gestützt auf Art. 66 Abs. 1 IVV zur Geltendmachung des Anspruchs befugt sind. Eine neue Anmeldung im Namen der Eltern, worauf das kantonale Gericht hinweist, bedeutet einen verfahrensmässigen Leerlauf. Die Sache geht daher an das kantonale Gericht zurück, damit es materiell auf die Beschwerde im Namen des Vaters eintrete. 
4. 
Unter den gegebenen Umständen wird auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr verzichtet. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen, da es letztlich die Beratungsstelle für Ausländer zu vertreten hat, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten worden ist. Sie hätte dem kantonalen Gericht mitteilen müssen, dass die Beschwerdeführung im Namen der Eltern zu betrachten ist. Damit hat sie die Parteikosten des letztinstanzlichen Verfahrens selbst verursacht (Art. 159 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 6 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der vorinstanzliche Entscheid vom 29. Juni 2005 aufgehoben und die Sache an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit dieses auf die Beschwerde vom 29. März 2005 materiell eintrete. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. 
4. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 31. März 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.