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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_271/2011 
 
Urteil vom 31. Mai 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Blättler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung (vorsätzliche Tötung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 20. August 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 20. August 2009 wegen vorsätzlicher Tötung (Art. 111 StGB) und Vergehens gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG) schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und ordnete eine vollzugsbegleitende ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB an. 
 
B. 
Die von X.________ gegen dieses Urteil erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 7. März 2011 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 20. August 2009 im Strafpunkt aufzuheben und ihn mit 10 Jahren und 10 Monaten Freiheitsentzug zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
D. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Dem angefochtenen Entscheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 
Am 11. Februar 2005, um ca. 00.05 Uhr, kam es auf dem Parkplatz an der Bahnhofstrasse 1 in Dübendorf zu einem Streit zwischen X.________ und A.________. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung trat X.________ an das zumindest teilweise geöffnete vordere linke Fenster des Fahrzeugs von A.________ heran, zog eine unerlaubterweise mitgeführte Pistole aus seinem Hosenbund und gab aus minimaler Distanz einen Schuss auf den am Steuer seines Fahrzeugs sitzenden A.________ ab in der Absicht, diesen zu töten. Das Projektil vom Kaliber 9 mm drang seitlich unterhalb der linken Achsel in den Körper des Opfers ein, durchschlug die linke Brusthöhle, die linke Lunge, den Herzbeutel (mit Streifschuss der linken Herzkammer), das Zwerchfell sowie die Leber und trat im Bereich der rechten Hüfte wieder aus dem Körper aus. A.________ verstarb kurze Zeit später an den Verletzungen. 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Die Vorinstanz habe die Vorverurteilung durch die Medien zu Unrecht nicht strafmindernd berücksichtigt. Verschiedene Medien hätten das Verfahren mit Berichten begleitet, die einer Vorverurteilung gleichgekommen seien. So sei jeweils von "Parkplatzmörder" bzw. "Parkplatzkiller" die Rede gewesen, anstatt vom "Tatverdächtigen". Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei nicht entscheidend, ob sich Berufsrichter bei der Strafzumessung durch die Vorverurteilung beeinflussen liessen, sondern dass die Vorverurteilung und Anprangerung eine zusätzliche Strafe darstelle, die durch eine angemessene Strafminderung ausgeglichen werden müsse. Sodann sei das Beschleunigungsgebot verletzt. Er sei vom 16. Oktober 2005 bis am 11. Juli 2007 im Kosovo in Auslieferungshaft gewesen. Die Vorinstanz habe zwar die harten Haftbedingungen im Kosovo strafmindernd berücksichtigt, nicht aber die lange Auslieferungshaft und die dadurch erfolgte Verfahrensverzögerung. Sie habe der leicht verminderten Schuldfähigkeit im Umfang von ca. einem Viertel Rechnung getragen und sei demnach von einer Strafe von 18 Jahren und 8 Monaten ausgegangen, was insbesondere in Berücksichtigung der Vorverurteilung durch die Medien und der Verletzung des Beschleunigungsgebots unzulässig hoch sei. Angemessen sei eine Einsatzstrafe von 16 Jahren bzw. nach Berücksichtigung sämtlicher Strafminderungs- bzw. -milderungsgründe eine solche von 10 Jahren und 10 Monaten. 
2.2 
2.2.1 Der Beschwerdeführer beging seine Tat vor Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches am 1. Januar 2007. Vorliegend gelangt daher das alte Recht zur Anwendung, da die Bestimmungen des neuen Allgemeinen Teils für den Beschwerdeführer nicht milder sind (vgl. Art. 2 Abs. 2 StGB). 
2.2.2 Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen (Art. 63 aStGB). Bei der Bemessung der Strafe hat der Richter einerseits die Tatkomponenten und andererseits die Täterkomponenten zu berücksichtigen. Zu den Tatkomponenten gehören etwa das Ausmass des verschuldeten Erfolgs, die Art und Weise von dessen Herbeiführung sowie die Willensrichtung und die Beweggründe des Täters. Die Täterkomponenten umfassen unter anderem das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, etwa Schadenersatzzahlung, Geständnis, Einsicht und Reue (BGE 129 IV 6 E. 6.1 mit Hinweisen). 
Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1). Alleine einer besseren Begründung wegen hebt es das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform ist (vgl. BGE 127 IV 101 E. 2c mit Hinweisen). 
 
2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Vorverurteilung von Tatverdächtigen in der Medienberichterstattung je nach Schwere der Rechtsverletzung als Strafzumessungsgrund im Rahmen von Art. 63 aStGB zu gewichten (BGE 128 IV 97 E. 3b/aa). Der Beschwerdeführer wurde als Sportler und aufgrund eines Dokumentarfilms, der sein Leben porträtierte, bekannt. Damit ging ein gewisses Interesse der Öffentlichkeit am Prozess einher. Der Beschwerdeführer zeigt nicht hinreichend auf, dass es in den Medien tatsächlich zu einer unzulässigen Vorverurteilung im Sinne der zitierten Rechtsprechung kam. Wohl wurde er als "Parkplatzmörder" bzw. "Parkplatzkiller" bezeichnet und dabei auch namentlich genannt. Hingegen ist gestützt auf seine Ausführungen in keiner Weise erstellt, dass die beanstandete Berichterstattung insgesamt nicht sachlich war und darin nicht auf die Unschuldsvermutung hingewiesen bzw. sein Standpunkt darin nicht zur Sprache gebracht worden wäre. Die kritisierte reisserische Aufmachung einzelner Medienberichte, die überdies nicht zu den Akten gereicht wurden, führt für sich gesehen nicht zwingend zu einer Strafminderung (vgl. Urteil 6S.257/2006 vom 8. August 2006 E. 1.2). Der vorinstanzliche Entscheid ist im Ergebnis daher nicht zu beanstanden. 
2.4 
2.4.1 Das in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK festgeschriebene Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren voranzutreiben, um den Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Ungewissen zu lassen (BGE 133 IV 158 E. 8; 130 IV 54 E. 3.3.1; 124 I 139 E. 2a). Gegenstand der Prüfung, ob ein Verfahren zu lange gedauert hat, ist das Verfahren in seiner Gesamtheit. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Komplexität des Falls, das Verhalten des Angeschuldigten, die Behandlung des Falls durch die Behörden und dessen Bedeutung für den Angeschuldigten (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3; 124 I 139 E. 2c; je mit Hinweisen). 
2.4.2 Die Vorinstanz berücksichtigt strafmindernd, dass die Auslieferungshaft unter ausserordentlich harten Haftbedingungen erfolgte. Hingegen weist sie zutreffend darauf hin, dass die Verfahrensdauer insgesamt nicht als übermässig lange bezeichnet werden kann. Ebenso wenig verletzt sie Bundesrecht, wenn sie erwägt, der Beschwerdeführer habe die mit dem Auslieferungsverfahren einhergehende Verfahrensverzögerung durch die Flucht in den Kosovo selber verursacht (angefochtenes Urteil E. 4b S. 35). Ein Auslieferungsverfahren geht regelmässig mit einer gewissen Verzögerung des Strafverfahrens einher. Dieses kann sich in die Länge ziehen, wenn sich der Betroffene der Auslieferung widersetzt. Zusätzlich erschwerend wirkten sich vorliegend die besonderen Verhältnisse im Fluchtstaat aus. Dies ist jedoch nicht den Strafverfolgungsbehörden zuzuschreiben und begründet keine Verletzung des Beschleunigungsgebots. 
 
2.5 Weitere Gründe, weshalb die vorinstanzliche Strafzumessung unhaltbar sein soll, werden vom Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend gemacht. Eine verminderte Schuldfähigkeit stellt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts lediglich eines von mehreren Kriterien für die Beurteilung des Tatverschuldens dar. Sie führt nicht zu einer rein mathematischen Reduktion der Einsatzstrafe, sondern lediglich zu einer Reduktion des Verschuldens (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.5 und 5.6). An der Sache vorbei gehen daher auch die Berechnungen des Beschwerdeführers zum Strafmass, welche auf der falschen Überlegung basieren, seine leicht verminderte Schuldfähigkeit müsse zwingend eine lineare Reduktion der Strafe im Umfang von einem Viertel zur Folge haben. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 14 Jahren hält sich im Rahmen des dem Sachgericht zustehenden Ermessens. Eine Verletzung von Bundesrecht ist nicht auszumachen. 
 
3. 
Unbegründet ist schliesslich die Rüge, die vorinstanzliche Gewichtung der für die Strafzumessung relevanten Umstände sei nicht nachvollziehbar. Die Vorinstanz legt dar, welchen Faktoren sie straferhöhend bzw. strafmindernd Rechnung trägt. Nicht erforderlich ist, dass der Sachrichter seine Gewichtung in Zahlen oder in Prozenten wiedergibt (BGE 136 IV 55 E. 5.6; 127 IV 101 E. 2c). Der angefochtene Entscheid genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 31. Mai 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Mathys Unseld