Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_626/2010 
 
Urteil vom 31. August 2010 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Seiler, 
Gerichtsschreiber Nussbaumer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
D.________, vertreten durch das Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 2. Juli 2010. 
 
Sachverhalt: 
Mit Verfügung vom 4. Mai 2010 sistierte die IV-Stelle Bern die D.________ ausgerichtete ganze Invalidenrente mit Wirkung ab 1. März 2010, da sich der Versicherte ab 15. Februar 2010 im strafrechtlichen Massnahmenvollzug befinde. 
Hiegegen liess D.________ durch seinen Beirat Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern einreichen. Mit Verfügung vom 2. Juli 2010 wies das kantonale Gericht das am 10. Juni 2010 gestellte Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ab und verpflichtete D.________ zur Zahlung eines Kostenvorschusses von Fr. 700.- bis zum 2. August 2010. 
D.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei ihm für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und er sei von der Kostenvorschusspflicht zu befreien. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Eine selbstständig eröffnete Verfügung, mit der im kantonalen Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung abgewiesen wird, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid dar, welcher geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu verursachen (SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49, 8C_530/2008 E. 2). Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten. 
 
2. 
Gemäss Art. 61 lit. f ATSG muss das Recht, sich verbeiständen zu lassen, im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. In Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 mit Hinweisen) ist die unentgeltliche Verbeiständung dann zu gewähren, wenn der Prozess nicht aussichtslos, die Partei bedürftig und die Verbeiständung durch einen Anwalt notwendig oder doch geboten ist. Als aussichtslos sind Prozessbegehren nach konstanter Praxis anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). 
 
3. 
3.1 Das kantonale Gericht stellte in tatsächlicher Hinsicht fest, der Beschwerdeführer sei zu einer Freiheitsstrafe von 2 ¼ Jahren verurteilt und der Vollzug zugunsten einer stationären psychiatrischen Behandlung aufgeschoben worden unter Anrechnung von Untersuchungshaft und Polizeigewahrsam von insgesamt weniger als einem Monat. Damit stehe der Vollzug eines strafrechtlichen Urteils im Zentrum. Die in Vertretung des Strafvollzugs durchzuführende stationäre Massnahme sei am 15. Februar 2010 angetreten worden, womit die Zeit des Vollzugs offensichtlich noch keineswegs erreicht sein dürfte und die Frage der Sozialgefährlichkeit an sich noch keine Rolle spiele. Angesichts der gesetzlichen Grundlagen zur Sistierung und der hiezu ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Verweis auf BGE 133 V 1; Urteil des Bundesgerichts vom 23. April 2010 [8C_864/2009], Urteil vom 31. August 2006 [B 63/05] E. 1.2 mit jeweils weiteren Hinweisen) sei die Beschwerde als aussichtslos zu betrachten. 
 
3.2 Das kantonale Gericht hat angesichts von Art. 21 Abs. 5 ATSG und der hiezu ergangenen Rechtsprechung (vgl. zusätzlich auch SVR 2010 IV Nr. 20 S. 61) die vorinstanzliche Beschwerde zu Recht im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Unentgeltlichkeit als aussichtslos betrachtet, die unentgeltliche Prozessführung verweigert und einen Kostenvorschuss erhoben (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Nach der nicht bestrittenen, verbindlichen Feststellung des kantonalen Gerichts befindet sich der Beschwerdeführer seit 15. Februar 2010 im strafrechtlichen Massnahmenvollzug, wurde der Beschwerdeführer doch mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 22. August 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 2 ¼ Jahren verurteilt. Der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und gestützt auf Art. 57 Abs. 2 und Art. 59 Abs. 1 StGB eine stationäre psychiatrische Behandlung angeordnet. Der Beschwerdeführer übersieht, dass auch der strafrechtliche Massnahmenvollzug Grund für eine Rentensistierung nach Art. 21 Abs. 5 ATSG ist. Dessen Formulierung als Kann-Vorschrift ändert nichts daran, dass sich eine Sistierung der Rentenleistungen lediglich dort nicht rechtfertigt, wo die Vollzugsart der verurteilten versicherten Person die Möglichkeit bietet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und somit selber für die Lebensbedürfnisse aufzukommen, wie beispielsweise in der Halbfreiheit (nunmehr: Arbeitsexternat, vgl. Art. 77a StGB) oder Halbgefangenschaft (BGE 133 V 1 E. 4.2.4.1 S. 6), nicht jedoch die Arbeitspflicht des Gefangenen gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB. Der Beschwerdeführer kann daher nichts aus dem von ihm eingereichten Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. September 2007 ableiten. Angesichts der Aussichtslosigkeit der Beschwerde stellt es auch keine Rechtsverweigerung dar, wenn von einem Sozialhilfebezüger ein Kostenvorschuss für das gerichtliche Verfahren erhoben wird. Die Beschwerde ist daher unbegründet. 
 
4. 
Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 31. August 2010 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Nussbaumer