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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 267/03 
 
Urteil vom 31. Oktober 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und nebenamtlicher Richter Bühler; Gerichtsschreiber Signorell 
 
Parteien 
P.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Rita Diem, Holbeinstrasse 34, 8008 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 25. Februar 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1955 geborene, italienische Staatsangehörige P.________ kam 1968 in die Schweiz, absolvierte hier eine Berufslehre als Automechaniker und bestand 1978 die Lehrabschlussprüfung mit Erfolg sowie 1983 die Fachprüfung als Motorradmechaniker. Vom 1. Oktober 1992 bis 31. Dezember 1999 war er als Werkstattchef in der Firma M.________, tätig. Er leidet an einer koronaren 3-Gefäss-Erkrankung bei Status nach nicht-transmuralem infero-posteriorem Myokardinfarkt (7. Juli 1999), PTCA + Stenting von hochgradiger RIVA-Stenose und PTCA des 1. DA-Abganges (7. September 1999) sowie nicht-transmuralem nicht-lokalisierbarem Myokardinfarkt mit positivem Troponin (2. Dezember 1999), an leichter Niereninsuffizienz unklarer Ätiologie, Mikrohämaturie unklarer Ätiologie, leichter Refluxösophagitis (Gastroskopie 08/99) und an einem chronischen lumbovertebralen Syndrom bei Foraminalstenose und massiver Spondylose L5/S1, Foramen-Einengung L4/S5 links mit medio lateraler subligamentärer Diskushernie L4/L5 nach links, diffuser Diskusprotrusion L3/4, Wurzelreizung L4 links und mässiger ISG-Arthrose rechts sowie an Coxarthrose links. 
 
Am 11. Dezember 2000 meldete sich P.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog einen Arbeitgeberbericht der Firma M.________ sowie die Arbeits- und Prüfungszeugnisse und die Steuererklärungen 1995-2000 des Versicherten bei und klärte die medizinische Situation ab, indem sie Formularberichte des Herz-Kreislaufzentrums/Kardiologie DIM des Spitals X.________ vom 3. April 2001, des Dr. H.________, FMH für Rheumatologie, vom 13. August 2001 sowie des Dr. B.________, Innere Medizin FMH, vom 11. Januar und 4. September 2001 beizog. Gestützt darauf ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 50 % und sprach P.________ nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens mit Verfügung vom 12. April 2002 ab 1. August 2000 eine halbe Invalidenrente zu. 
B. 
Beschwerdeweise liess P.________ die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. August 2000 beantragen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. Februar 2003 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt P.________ sein vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern und zusätzlich die Auszahlung der Rentennachzahlung ab 1. August 2000 an ihn selbst beantragen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung keine Vernehmlassung erstattet hat. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege bildet eine vorausgehende Verfügung oder ein der Verfügung gleichgestellter Einspracheentscheid (Art. 5 Abs. 2 VwVG) als Anfechtungsgegenstand eine unabdingbare Sachurteilsvoraussetzung, ohne die auf ein Rechtsmittel nicht eingetreten werden darf (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.A., S. 73 Ziff. 2.2 und S. 127). 
 
Anfechtungsgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege, wie sie vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht gemäss Art. 128 i.V.m. Art. 97 ff. OG stattfindet, ist das durch den angefochtenen kantonalen Gerichtsentscheid bestimmte Rechtsverhältnis. Als Folge des Devolutiveffektes ersetzt der kantonale Gerichtsentscheid gemäss Art. 98 lit. g OG im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in prozessualer Hinsicht die ihm vorausgegangene Verfügung und bildet allein den Anfechtungsgegenstand (vgl. BGE 117 V 295 Erw. 2a; Gygi, a.a.O., S. 190). 
 
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts kann das verwaltungsgerichtliche Verfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes, d.h. im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht auf eine ausserhalb des durch den angefochtenen vorinstanzlichen Entscheid im Sinne von Art. 98 lit. g OG bestimmten Rechtsverhältnisses liegende spruchreife Frage ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (vgl. die zur erstinstanzlichen Verwaltungsrechtspflege entwickelten Grundsätze in BGE 122 V 36 Erw. 2a, 110 V 51 Erw. 3b in fine mit Hinweisen). 
1.2 Der Beschwerdeführer lässt mit seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu und abweichend von seinen vorinstanzlichen Rechtsbegehren beantragen, die IV-Stelle sei anzuweisen, ihm die Rentennachzahlungen für die Zeit ab 1. August 2000 direkt auszuzahlen. In der angefochtenen Verfügung vom 12. April 2002 war die Verrechnung des Rentennachzahlungsanspruchs mit Vorleistungen Dritter zwar vorgesehen, doch bildete dieses Teilelement des verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses nicht Prozessthema des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens und wurde im angefochtenen kantonalen Gerichtsentscheid auch nicht beurteilt. Die Frage der Verrechnung oder Direktauszahlung der Rentennachzahlungen ist demgemäss nicht Bestandteil des für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht massgebenden Anfechtungsgegenstandes. Ein enger Sachzusammenhang zwischen dieser Frage und dem durch den vorinstanzlichen Entscheid bestimmten, allein den Invalidenrentenanspruch des Beschwerdeführers betreffenden Streitgegenstand ist nicht gegeben. Die IV-Stelle hat sich in ihrer Vernehmlassung auch nicht zur Verrechenbarkeit der Rentennachzahlungen geäussert. Demgemäss ist eine Ausdehnung des Anfechtungsgegenstandes über den bisherigen Streitgegenstand hinaus nicht möglich. Auf die Rechtsbegehren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher insoweit nicht einzutreten, als der Beschwerdeführer die Direktauszahlung der Rentennachzahlungen an ihn selbst beantragen lässt. 
2. 
Die Vorinstanz hat die Nichtanwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG), den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruches (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG) sowie die Bemessung der Invalidität bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 125 V 30 Erw. 1, 104 V 136 f. Erw. 2b) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
Das kantonale Gericht erwog, aus den von den beiden Spezialärzten Dres. B.________ und H.________ eingeholten Formularberichten gehe schlüssig hervor, dass dem Versicherten eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in einer seiner Behinderung angepassten Verweisungstätigkeit zumutbar sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ärzte des Herz-Kreislauf-Zentrums des Spitals X.________ ihm aus kardiologischer Sicht überhaupt keine Einschränkung in einer Tätigkeit ohne körperliche Anstrengung attestiert hätten, weil die dyspnoischen Beschwerden des Versicherten geeignet seien, seine Arbeitsfähigkeit zu reduzieren. Dieser Beweiswürdigung ist beizupflichten. 
4. 
Streitig und zu prüfen ist die Höhe des Invaliditätsgrades und der entsprechende Umfang des Rentenanspruches. 
4.1 Die Vorinstanz hat das ohne Gesundheitsschaden erzielbare Valideneinkommen nach Massgabe der Tabelle TA1 (privater Sektor) der schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2000 ermittelt. Es hat dabei den monatlichen Bruttolohn (Zentralwert) von Fr. 4727.- für Männer an Arbeitsplätzen mit dem Anforderungsniveau 3 im Wirtschaftszweig "Handel, Reparatur Automobile" herangezogen. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gerügt, die Vorinstanz habe damit auf ein seinen beruflichen Qualifikationen nicht adäquates, zu tiefes Anforderungsprofil abgestellt. 
4.2 Der Beschwerdeführer hat im Jahre 1978 eine Berufslehre als Automechaniker abgeschlossen, in der Folge auf diesem Beruf auch als Werkstattchef-Stellvertreter gearbeitet und 1983 die Fachprüfung als Motorradmechaniker abgelegt. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob er in den Jahren 1983-1992 ausschliesslich in der Motorradbranche oder weiterhin im Autogewerbe tätig gewesen ist. Vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. Dezember 1999 war er als Werkstattchef in der Firma M.________, angestellt und erledigte als solcher - mit Ausnahme der Buchhaltung - alle im Motorradgewerbe anfallenden Arbeiten, namentlich Reparaturen und Revisionen sowie den Verkauf von Motorrädern. Diese berufliche Stellung beinhaltet auch die Verrichtung selbstständiger und qualifizierter Arbeiten entsprechend dem Anforderungsniveau 2 der Lohnstrukturerhebung. Blosse Berufs- und Fachkenntnisse, wie sie das Anforderungsniveau 3 voraussetzt und über die auch ein bloss angelernter Berufsmann mit langjähriger Erfahrung verfügen kann, sind für die Funktion eines Werkstattchefs, der Mitarbeiter anzuweisen, zu überwachen und anzuleiten hat sowie in der Lage sein muss, auch organisatorische und administrative Aufgaben zu erfüllen und Kundenkontakte zu pflegen, nicht mehr ausreichend. 
 
Geht man davon aus, dass der Beschwerdeführer als Gesunder im Automobil- und/oder Motorradgewerbe weiterhin an einem Arbeitsplatz mit dem Anforderungsniveau 2 tätig geblieben wäre, hätte er bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden einen standardisierten Bruttolohn von Fr. 5972.- monatlich inkl. 1/12 des 13. Monatslohnes erzielen können (LSE 2000 a.a.O.). Angepasst an die betriebsübliche Arbeitszeit von 42,1 Stunden und die Nominallohnentwicklung in den Jahren 2001 und 2002 (2,5 % und 1,7 % [Die Volkswirtschaft 11-2002 S.89 Tabelle 10.2]) resultiert ein Valideneinkommen von Fr. 6552.- monatlich (5972.- : 40 x 42,1 : 100 x 102,5 : 100 x 101,7) oder von Fr. 78'626.- jährlich. Dieser statistische Lohn liegt etwas höher als die vom Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren beigebrachten Lohnbestätigungen. 
4.3 Zur Festlegung des Einkommens, das nach Eintritt des Gesundheitsschadens noch erzielt werden könnte, stützte sich die Vorinstanz korrekterweise wiederum auf die Ergebnisse der LSE 2000. Im Hinblick auf die medizinischen Einschränkungen kommen nur noch Tätigkeiten mit dem Anspruchsniveau 4 in Frage. Der entsprechende Tabellenlohn beläuft sich auf Fr. 4437.-. Angepasst an die in der Schweiz übliche Arbeitszeit (41,7 Stunden) und die Nominallohnentwicklung in den Jahren 2001 und 2002 ergibt sich ein Invalideneinkommen von Fr. 4821.80 monatlich oder von Fr. 57'862.- jährlich. Unter Berücksichtigung des zumutbaren Pensums von 50 % beträgt das Invalideneinkommen somit Fr. 28'931.-, wie die Vorinstanz zutreffend feststellte. 
 
Nicht zu beanstanden ist, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner Leiden und der daraus resultierenden Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt einen sog. Behindertenabzug von 10 % gewährte und das massgebliche Invalideneinkommen auf Fr. 26'038.- festlegte. 
4.4 Bei einem Valideneinkommen von Fr. 78'626.- und einem Invalideneinkommen von Fr. 26'038.- resultiert eine Einkommenseinbusse von Fr. 52'588.-, was einem Invaliditätsgrad von 66,9 % entspricht. Der Beschwerdeführer hat somit Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichtes des Kantons Zürich vom 25. Februar 2003 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 12. April 2002 aufzuheben, und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. August 2000 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössisches Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Neuverlegung der Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse für das schweiz. Auto-, Motorrad- und Fahrradgewerbe und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 31. Oktober 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: