Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_930/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. März 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Engler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahrlässige grobe Verletzung der Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 12. April 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ ist Polizist. Am 8. Januar 2014 um ca. 10:25 Uhr fuhr er bei Rotlicht mit eingeschaltetem Blaulicht und Wechselklanghorn in Zürich von der Seebahnstrasse kommend auf die Hohlstrasse. Auf der Kreuzung kollidierte er mit einem Fahrzeug, welches auf der Hohlstrasse von links kam und bei Grünlicht geradeaus fuhr. 
 
B.  
Das Bezirksgericht Zürich erklärte X.________ am 13. April 2015 der fahrlässigen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig. Es bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 120.-- und einer Busse von Fr. 300.--. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 12. April 2016 das erstinstanzliche Urteil. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei nur der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig zu sprechen und dafür mit einer angemessenen Busse zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen, der Beschwerdeführer mache gar nicht geltend, beim Befahren der Kreuzung die notwendige Sorgfalt aufgebracht zu haben. Er gebe vielmehr zu, nicht in Betracht gezogen zu haben, dass ein von links kommendes Fahrzeug seinen Weg kreuzen könnte. Der Beschwerdeführer habe dabei seine vermeintliche Ortskenntnis krass überschätzt. Als Folge dieses Fehlers habe er die Verzweigung mindestens bis zu deren Hälfte ausgesprochen nachlässig analysiert, sei objektiv betrachtet zu schnell gefahren und habe seine Aufmerksamkeit ausschliesslich nach rechts jenseits der Kreuzungsmitte gerichtet. Hätte er etwas weniger auf seine Ortskenntnisse vertraut und etwas mehr Aufmerksamkeit aufgebracht, hätte der Beschwerdeführer bemerken können, dass sich auf der Hohlstrasse sowohl Tramgleise als auch Busspuren befinden, die auf Tram- und Busverkehr aus beiden Richtungen hindeuten. Weiter bestehe auf der Hohlstrasse zwischen der Abbiegspur in die Seebahnstrasse und den Tramschienen genügend Platz für eine zweite, geradeaus führende Spur. Kein Schild und keine Bodenmarkierung würden darauf hindeuten, dass dem nicht so sein könnte. Im Gegenteil würden die weissen "Haifischzähne" auf der Seite der Hohlstrasse unmissverständlich auf möglichen Verkehr von links hinweisen. Diese Anzeichen für Querverkehr wären dem Beschwerdeführer bei minimaler Aufmerksamkeit geradezu ins Auge gesprungen. Ungeachtet des Umstandes, dass seine Ortskenntnisse beschränkt gewesen seien, habe er einfach darauf vertraut, dass von links kein Verkehr kommen würde. Der Beschwerdeführer habe sich grobfahrlässig verhalten, indem er sich auf seine (beschränkten) Ortskenntnisse verlassen und seine Aufmerksamkeit und Geschwindigkeit ausschliesslich auf den von rechts kommenden Verkehr ausgerichtet habe, statt sich vorsichtig vorzutasten und sich dabei über die gesamte Streckenführung ein Bild zu verschaffen, was trotz der schlechten Sicht nach links aufgrund der vorhandenen Anzeichen ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Ausführungen zu dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sachverhaltsirrtum würden sich somit erübrigen. Der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG sei erfüllt.  
 
1.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich in einem Sachverhaltsirrtum befunden. Er habe beim Einfahren in die Kreuzung nicht mit von links kommenden Fahrzeugen gerechnet, die seinen Weg kreuzen würden. Einerseits habe ein in die Seebahnstrasse einbiegender Lastwagen angehalten, andererseits sei er sich nicht bewusst gewesen, dass es hinter diesem Lastwagen eine weitere Spur hatte, welche es erlaubte, geradeaus zu fahren. Die Vorinstanz habe dies überhaupt nicht geprüft und sei methodisch falsch vorgegangen. Nach Art. 13 StGB müsse in einem ersten Schritt geprüft werden, ob das Verhalten des Täters auf einen Irrtum über die tatsächlichen Gegebenheiten zurückzuführen ist. Erst in einem zweiten Schritt sei zu prüfen, ob dieser Irrtum möglicherweise vermeidbar gewesen wäre. Die Vorgehensweise der Vorinstanz, die darin bestehe, zuerst die Frage der Fahrlässigkeit zu behandeln und danach den geltend gemachten Sachverhaltsirrtum gar nicht mehr zu thematisieren, sei unzulässig. Die Vorinstanz lege ihm zur Last, dass er die Kreuzung nachlässig analysiert habe, zu schnell gefahren sei, seine Aufmerksamkeit ausschliesslich nach rechts gerichtet und aufgrund beschränkter Ortskenntnisse einfach darauf vertraut habe, dass von links keine Fahrzeuge kommen würden. Unter Zugrundelegung eines Sachverhaltsirrtums könne davon keine Rede sein. Fehl gehen würde die Annahme der Vorinstanz, dass er bei mehr Aufmerksamkeit die Tramgleise und die Busspur hätte erkennen können. Es sei völlig unklar, weshalb dies ein Hinweis für das Bestehen einer weiteren Spur, die für den geradeausfahrenden Verkehr bestimmt ist, sein sollte. Die Vorinstanz erwäge, dass die Fahrbahnbreite der Hohlstrasse ein Indiz für deren Zweispurigkeit sei, zumal "kein Schild und keine Bodenmarkierung" darauf hinweise, "dass dem nicht so sein könnte", sondern die "Haifischzähne" auf der Hohlstrasse auf möglichen Verkehr von links hindeuteten. Dies sei falsch. Einerseits würden überhaupt keine solchen Schilder oder Bodenmarkierungen bestehen. Andererseits hätte selbst ein Blick geradeaus statt nach rechts nicht dazu geführt, dass er die "Haifischzähne" hätte sehen können, zumal diese unüblich weit nach hinten versetzt gewesen seien. Berücksichtige man, dass er sich auf einer dringlichen Dienstfahrt und deshalb in einer Stresssituation befand, würden die vorinstanzlichen Belehrungen weltfremd und überspitzt formalistisch anmuten.  
Die Beschwerdeführer rügt weiter, dass kein Anwendungsfall von Art. 90 Abs. 2 SVG vorliege. Unter Zugrundelegung eines Sachverhaltsirrtums könne ihm zwar ein vermeidbar fehlerhaftes Verhalten, aber keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Diese Schlussfolgerung stehe auch im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in welcher nie Fälle zu beurteilen gewesen seien, die auf einen Sachverhaltsirrtum zurückzuführen gewesen seien. Im Unterschied zum vorliegenden Fall habe es sich stets um Konstellationen gehandelt, in welchen die Fahrzeuglenker aus einer situativen Unaufmerksamkeit heraus Signalisationen übersahen und so Unfälle verursachten. Die irrige Vorstellung über den Sachverhalt sei mit Sicherheit milder zu bewerten, als die bewusste Entscheidung, nicht auf die Signalisation zu achten und stattdessen beispielsweise jemanden neben der Strasse auf einer Wiese zu beobachten. Die Kollision sei nicht auf fehlende Aufmerksamkeit, sondern auf einen Irrtum über die tatsächlichen Gegebenheiten auf der Kreuzung zurückzuführen. Dieser Irrtum sei auch nicht vermeidbar gewesen. Anderenfalls hätte er vor dem Einfahren in die Kreuzung einen Katasterplan konsultieren müssen, was nicht möglich gewesen wäre und wozu er auch keinen Anlass gehabt hätte, zumal er sich seines Irrtums nicht bewusst gewesen sei. Von einem grobfahrlässigen Verhalten im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG könne keine Rede sein. Dies gelte umso mehr, als nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst eine vorsätzlich begangene grobe Verletzung der Verkehrsregeln nicht strafbar sei, solange diese in Erfüllung polizeilicher Aufgaben erfolge und verhältnismässig sei. 
 
1.3. Nach Art. 90 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Missachtet der Führer eines Feuerwehr-, Sanitäts-, Polizei- oder Zollfahrzeugs auf dringlichen oder taktisch notwendigen Dienstfahrten Verkehrsregeln oder besondere Anordnungen für den Verkehr, so macht er sich nicht strafbar, wenn er alle Sorgfalt walten lässt, die nach den Umständen erforderlich ist (Art. 100 Abs. 4).  
Wenn der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt handelt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB). Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 13 Abs. 2 StGB). 
Der Beschwerdeführer hätte den Irrtum, auf welchen er sich beruft, ohne grossen Aufwand vermeiden können, wenn er vor dem Befahren der Kreuzung nicht nur nach rechts geschaut und sich somit ein Gesamtbild über die Verkehrsführung verschafft hätte. Infolge der Vermeidbarkeit des behaupteten Irrtums stand einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tatbegehung nichts entgegen (Art. 13 Abs. 2 StGB), weshalb die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzte, indem sie auf die Frage eines allfälligen Sachverhaltsirrtums nicht einging. Indem der Beschwerdeführer beim Befahren der Kreuzung seine Aufmerksamkeit ausschliesslich nach rechts richtete und den anderen Bereichen der Kreuzung keine Beachtung schenkte, verletzte er elementarste Sorgfaltsregeln und gefährdete dabei ernstlich andere Verkehrsteilnehmer. Im Übrigen kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Die Verurteilung wegen fahrlässiger grober Verletzung der Verkehrsregeln verletzt kein Bundesrecht. 
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. März 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses