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[AZA 0/2] 
6S.749/2000/bue 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
22. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des 
Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin 
Escher und Gerichtsschreiber Luchsinger. 
 
--------- 
 
In Sachen 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Dr. Urs Oswald, Bahnhofstrasse 1, Zurzach, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
 
betreffend 
Widerhandlung gegen das AHV-Gesetz(eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, vom 28. August 2000, hat sich ergeben: 
 
 
A.- In der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Oktober 1995 wurden den Angestellten der H.________ AG Fr. 36'627. 95 und denen der V.________ AG Fr. 39'165. 15 als Arbeitnehmerbeiträge für die AHV vom Lohn abgezogen, aber nicht an die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau abgeliefert. Ebenso wurden zeitweilig Arbeitnehmerbeiträge nach BVG sowie (im Falle der V.________ AG) kantonale Quellensteuern vom Lohn abgezogen und nicht an die zuständige Stelle weitergeleitet. Den Angestellten der C.________ AG wurden für die Monate Dezember 1995 und Januar 1996 Arbeitnehmerbeiträge von insgesamt Fr. 1'187. 55 vom Lohn abgezogen und nicht an die zuständige Ausgleichskasse Grosshandel + Transithandel in Bern weitergeleitet. 
 
A.________ war in diesem Zeitraum in den genannten Firmen einziger Verwaltungsrat und zur Einzelunterschrift berechtigt; er bestimmte, an wen welche Zahlungen geleistet wurden. Mit den zurückbehaltenen Geldern wurden Löhne und Lieferanten bezahlt. In den Monaten Januar und Februar 1993 wurden auch private Rechnungen von A.________ über Geschäftskonten beglichen. Ab März 1993 bezog A.________ keinen Lohn mehr, verwendete aber die den Angestellten vom Lohn abgezogenen Beträge auch für seinen Lebensunterhalt. 
 
B.-Das Bezirksgericht Zofingen befand A.________ mit Urteil vom 11. Mai 2000 schuldig der Veruntreuung, der Widerhandlung gegen das AHV-Gesetz, der Widerhandlung gegen das BVG und der Veruntreuung von Quellensteuern. 
Es verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von sechs Monaten und zu einer Busse von Fr. 5'000.-, als Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 10. März 1998. 
In teilweiser Gutheissung der Berufung von A.________ sprach das Obergericht des Kantons Aargau A.________ vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das BVG frei und reduzierte die bedingte Gefängnisstrafe auf vier Monate; im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. 
 
C.- A.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau aufzuheben, soweit er wegen Widerhandlung gegen das AHV-Gesetz schuldig gesprochen werde, und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Der Beschwerdeführer beantragt nur die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils bezüglich der Widerhandlung gegen das AHVG. Die übrigen Punkte des Urteils, insbesondere der Schuldspruch wegen Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB und wegen Veruntreuung von Quellensteuern nach kantonalem Recht (§ 188 Abs. 2 StG-AG) wie auch die Strafzumessung für diese Delikte, sind damit nicht zu prüfen (Art. 273 Abs. 1 lit. a, Art. 277bis BStP). Der von der Vorinstanz festgelegte Sachverhalt ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 StGB). 
 
2.-a) Der Beschwerdeführer macht geltend, im kantonalen Verfahren sei nicht der Beweis erbracht worden, dass im Zeitpunkt der Lohnzahlung an die Angestellten die nötigen Mittel zur Bezahlung der Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungen vorhanden gewesen seien. Eine Zweckentfremdung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG könne aber nur begehen, wer überhaupt über die nötigen Mittel verfüge, um die Beiträge weiterzuleiten. 
 
b) Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, der Beschwerdeführer habe die Ausgabenprioritäten seiner Gesellschaften falsch gesetzt. Er habe Gelder über eine lange Zeitdauer hinweg zweckentfremdet und sei wissentlich seiner Überweisungspflicht an die Sozialversicherer nicht nachgekommen. Im Bestreben, die Betriebe aufrechtzuerhalten, habe er der Bezahlung wichtiger Lieferanten und der Angestellten Vorrang vor den Sozialversicherungen gegeben. Der Umsatz der Unternehmungen sei aber hoch gewesen und es seien auch regelmässig Zahlungen eingegangen. 
Trotz der Liquiditätsprobleme wäre der Beschwerdeführer daher in der Lage gewesen, die ausstehenden Beiträge zu bezahlen. Es habe keine allenfalls entschuldbare einmalige und unmittelbare Notsituation vorgelegen. 
Ein solches Verhalten stelle eine Verletzung von Art. 87 Abs. 3 AHVG dar. 
 
c) Gemäss Art. 87 Abs. 3 AHVG wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu Fr. 20'000.-- bestraft, wer als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Beiträge vom Lohn abzieht, sie indessen dem vorgesehenen Zweck entfremdet. 
 
Die neuere Rechtsprechung hält fest, dass der Tatbestand der Zweckentfremdung im Sinne von Art. 87 Abs. 3 AHVG nur erfüllt werden kann, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer die erforderlichen Mittel oder ein diesen entsprechendes Substrat besitzt, das er nach Auszahlung der Löhne zur Verfügung halten könnte. Die blosse Nichtbezahlung der Arbeitnehmerbeiträge an die Ausgleichskasse ist keine Zweckentfremdung. Grundgedanke von Art. 87 Abs. 3 AHVG ist eine Substraterhaltungspflicht. 
Da der Zeitpunkt des Lohnabzugs und derjenige der Ablieferungspflicht auseinander fallen, muss es dem Arbeitgeber erlaubt sein, mit dem Substrat so zu wirtschaften, dass bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass er seiner Zahlungspflicht im letztmöglichen Zeitpunkt wird nachkommen können (BGE 117 IV 78 E. 2d; 122 IV 270 E. 2b und 2c). 
 
d) Dem angefochtenen Entscheid lässt sich nicht entnehmen, ob für die Arbeitnehmerbeiträge der drei involvierten Gesellschaften die übliche monatliche Zahlungsfrist gilt und welche Nachfristen ihnen von der Ausgleichskasse im Mahnverfahren konkret angesetzt wurden. 
Bei den üblichen Fristen und bei zügigem Vorgehen seitens der Ausgleichskasse hätte es hinsichtlich der H.________ AG und der V.________ AG anfangs März 1993 zur ersten Zweckentfremdung kommen können. Der Beschwerdeführer hätte unter diesen Annahmen noch nicht gegen das AHVG verstossen, indem er in den Monaten Januar und Februar 1993 private Rechnungen über Geschäftskonten bezahlte. 
 
Aus dem angefochtenen Entscheid geht auch nicht hervor, welche finanziellen Mittel der H.________ AG und der V.________ AG von März 1993 bis Ende 1995 sowie der C.________ AG im Frühjahr 1996 zur Verfügung standen und welche anderen Rechnungen im gleichen Zeitraum durch die Gesellschaften anstelle der Sozialversicherungen bezahlt worden sind. Die Vorinstanz begnügt sich mit der allgemeinen Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei den Ausgaben die Prioritäten falsch gesetzt und wäre in der Lage gewesen, die ausstehenden Beträge zu begleichen. 
Das genügt noch nicht für eine Verurteilung wegen Zweckentfremdung nach Art. 87 Abs. 3 AHVG. Da wesentliche Angaben zur Überprüfung des Schuldspruches fehlen, wird die Sache zur Vervollständigung des Sachverhaltes im Sinne von Art. 277 BStP an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens fallen keine Kosten an. Dem Beschwerdeführer steht eine Parteientschädigung zu (Art. 278 Abs. 3BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 28. August 2000 wird bezüglich der Widerhandlung gegen das AHVG aufgehoben und die Sache wird gemäss Art. 277 BStP zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Dem Beschwerdeführer wird eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Aargau sowie der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
--------- Lausanne, 22. Dezember 2000 
 
 
Im Namen des Kassationshofes 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: