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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_766/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 3. April 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Emil Robert Meier, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. Oktober 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die IV-Stelle Bern sprach dem 1973 geborenen A.________ mit Verfügung vom 27. März 2007 eine ganze Rente der Invalidenversicherung ab 1. November 2004 zu (Invaliditätsgrad 100 %). Mit Mitteilungen vom 23. Juli 2008 und 26. November 2010 bestätigte sie einen unveränderten Invaliditätsgrad und Rentenanspruch. Im Februar 2014 leitete die IV-Stelle erneut ein Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens kam sie zum Schluss, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten seit März 2007 verbessert habe und ihm nunmehr die bisherige (und jede andere leidensangepasste) Tätigkeit uneingeschränkt zumutbar sei. Entsprechend hob sie die Rente mit Verfügung vom 13. Januar 2016 auf Ende Februar 2016 auf. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. Oktober 2016 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 13. Oktober 2016 sei die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zu neuem Entscheid an das kantonale Gericht zurückzuweisen; eventualiter sei ihm weiterhin eine Invalidenrente zuzusprechen. Ferner lässt er um unentgeltliche Rechtspflege ersuchen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung des Rechtsmittels. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1.  
 
1.1.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente (zum massgeblichen Vergleichszeitpunkt vgl. BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114), die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar. Weiter sind, auch bei an sich gleich gebliebenem Gesundheitszustand, veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich von Bedeutung; dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung an die Behinderung. Hingegen ist die lediglich unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts im revisionsrechtlichen Kontext unbeachtlich (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).  
 
1.1.2. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann die IV-Stelle jederzeit auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Mit der gleichen (substituierten) Begründung kann die Beschwerdeinstanz die zunächst auf Art. 17 ATSG gestützte Rentenaufhebung schützen (SVR 2011 IV Nr. 20 S. 53, 9C_303/2010 E. 4; Urteil 9C_770/2015 vom 24. März 2016 E. 2.1). Die Wiedererwägung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung. Darunter fällt insbesondere eine Leistungszusprache aufgrund falscher Rechtsregeln bzw. ohne oder in unrichtiger Anwendung der massgeblichen Bestimmungen. Soweit ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung (BGE 125 V 383 E. 3 S. 389 f.) in vertretbarer Weise beurteilt worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aber aus (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f.; SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137, 9C_121/2014 E. 3.2.1; Urteile 8C_680/2014 vom 16. März 2015 E. 3.1; 9C_427/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 2.2).  
 
Eine wiedererwägungsweise verfügte Rentenherabsetzung oder -aufhebung lässt sich sodann in Anwendung der Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; nachfolgend: SchlBest.; AS 2011 5670 f.) schützen (vgl. Urteil 9C_880/2015 vom 21. Mai 2016 E. 3.1). 
 
1.2. Liegt in diesem Sinn ein Rückkommenstitel vor, gilt es grundsätzlich, mit Wirkung ex nunc et pro futuro einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Dabei ist auf der Grundlage eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts der Invaliditätsgrad im Zeitpunkt der Verfügung über die Herabsetzung oder Aufhebung einer Rente zu ermitteln (vgl. Art. 85 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 88 bis Abs. 2 IVV; BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f.; Urteil 9C_173/2015 vom 29. Juni 2015 E. 2.2, je mit Hinweisen).  
 
2.   
Die Vorinstanz hat dem Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstitutes (ABI) vom 24. März 2015 Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf eine vollständige Arbeitsfähigkeit in der angestammten (und jeder anderen leidensangepassten) Tätigkeit festgestellt. 
 
In Bezug auf die Zulässigkeit einer Rentenaufhebung hat sie festgestellt, im Vergleich zum Zeitpunkt bei Erlass der Mitteilung vom 23. Juli 2008 sei keine Änderung des Gesundheitszustandes ersichtlich und auch im erwerblichen Bereich liessen sich den Akten keine wesentlichen Änderungen entnehmen. Folglich hat sie das Vorliegen eines Revisionsgrundes im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG verneint. Hingegen hat sie die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) der Rentenbestätigung resp. Mitteilung vom 23. Juli 2008 als erfüllt betrachtet. Zudem hat sie eine Überprüfung des Rentenanspruchs gemäss SchlBest. für zulässig gehalten. Mit diesen substituierten Begründungen hat sie die Rentenaufhebung geschützt. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht mit Blick auf die Substitution der Begründung eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend.  
 
3.2. Nach der im Sozialversicherungsrecht geltenden Praxis zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) hat das kantonale Gericht der versicherten Person insbesondere dann vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, wenn es eine zu Unrecht ergangene Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung der Wiedererwägung (BGE 125 V 368; Urteile 9C_384/2016 vom 12. Juli 2016 E. 3; 8C_1027/2009 vom 17. August 2010 E. 2.2) oder die wiedererwägungsweise verfügte Rentenherabsetzung mit der substituierten Begründung der revisionsweisen Anpassung schützt (Urteil 8C_386/2011 vom 19. September 2011 E. 3.2). Gleiches gilt im Verhältnis zwischen den SchlBest. und der Wiedererwägung/prozessualen Revision (Plädoyer 2015 6 S. 53, 9C_361/2015 E. 5.2; Urteile 9C_880/2015 vom 21. Mai 2016 E. 3.2). In diesen besonderen Konstellationen können die Parteien grundsätzlich mit der Einräumung des rechtlichen Gehörs rechnen, wenn das Gericht eine Begründungssubstitution vornimmt (Urteil 8C_529/2016 vom 26. Oktober 2016 E. 4.2.3).  
 
3.3. Im kantonalen Verfahren brachte der Versicherte insbesondere vor, eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes sei nicht ausgewiesen, weshalb die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nach Art. 17 ATSG nicht erfüllt seien. Die Verwaltung stellte sich in ihrer Beschwerdeantwort auf den gegenteiligen Standpunkt. Die Zulässigkeit der Rentenaufhebung im Rahmen einer Wiedererwägung oder der SchlBest. wurde erstmals im angefochtenen Entscheid thematisiert. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es nach Gewährung des rechtlichen Gehörs erneut über den Rentenanspruch ab März 2016 befinde (vgl. Plädoyer 2015 6 S. 53, 9C_361/2015 E. 5.2). Auf die materiellen Vorbringen, die sich auf den Eventualantrag beziehen, ist daher nicht einzugehen.  
 
3.4. Schliesslich macht der Beschwerdeführer sinngemäss eine (formelle) Rechtsverweigerung (vgl. Art. 94 BGG) geltend. Er habe im vorinstanzlichen Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege beantragt, dazu fänden sich aber im angefochtenen Entscheid keine Ausführungen.  
 
Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet: Die Vorinstanz hat unter Sachverhalt lit. B ihres Entscheids zutreffend darauf hingewiesen, dass das mit der Beschwerde gestellte Gesuch mangels substanziierter Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse innert angesetzter Frist androhungsgemäss als gegenstandslos abgeschrieben worden war (Verfügungen vom 19. Februar und 16. März 2016). Somit hat das kantonale Gericht zu Recht darauf verzichtet, den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im angefochtenen Entscheid erneut zu beurteilen. 
 
4.   
Die unterliegende Beschwerdegegnerin hat die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. Oktober 2016 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. April 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann