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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_226/2018  
 
 
Urteil vom 3. Juli 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Bernard, 
 
gegen  
 
Marc Anthamatten, c/o Straf- und Massnahmenvollzugsgericht, 
Rue Mathieu-Schiner 1, Postfach 2054, 1950 Sion, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Strafkammer, vom 25. April 2018 (P3 18 99). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Kantonsgericht Wallis sprach am 20. September 2012 A.________ der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren und 8 Monaten. Zudem ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 59 StGB an und bestimmte, dass deren Vollzug demjenigen der Freiheitsstrafe vorgehe. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6B_678/2012 vom 30. April 2013). 
Das Amt für Sanktionen und Begleitmassnahmen der kantonalen Dienststelle für Straf- und Massnahmenvollzug stellte am 4. November 2016 beim Straf- und Massnahmenvollzugsgericht ein Gesuch betreffend die Fortsetzung der stationären therapeutischen Massnahme. In der Folge wurde eine neue forensische psychiatrische Begutachtung durchgeführt. Das Straf- und Massnahmenvollzugsgericht entschied am 27. Oktober 2017, die stationäre therapeutische Massnahme werde bis zum definitiven Entscheid über deren Verlängerung fortgeführt. Das Bundesgericht hiess in letzter Instanz eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut, weil statt einer provisorischen Verlängerung der stationären Massnahme die Sicherheitshaft hätte geprüft werden müssen (Urteil 6B_1432/2017 vom 15. Januar 2018). 
Der Zwangsmassnahmenrichter Marc Anthamatten ordnete in der Folge mit Verfügung vom 18. Januar 2018 Sicherheitshaft an, wogegen A.________ kein Rechtsmittel einlegte. 
In seiner Funktion als Straf- und Massnahmenvollzugsrichter setzte Marc Anthamatten mit Verfügung vom 22. Februar 2018 auf den 20. März 2018 eine Verhandlung an. Mit Schreiben vom 25. Februar 2018 rügte A.________, Richter Marc Anthamatten dürfe nicht als Einzelrichter amten; es müsse zwingend ein Kollegialgericht entscheiden. Das Straf- und Massnahmenvollzugsgericht verschob in der Folge die Verhandlung auf den 10. April 2018 und teilte A.________ am 23. März 2018 mit, dass der Spruchkörper neben Richter Marc Anthamatten als Präsident auch die Richter Christian Roten und Alexandre Oetiker umfasse. 
Marc Anthamatten verfügte am 12. April 2018 als Zwangsmassnahmenrichter die Verlängerung der Sicherheitshaft. Dagegen erhob A.________ am 14. April 2018 beim Kantonsgericht Wallis Beschwerde. Gleichentags stellte er ein Ausstandsgesuch gegen Richter Marc Anthamatten und beantragte die Wiederholung der Verhandlung vom 10. April 2018. Mit Verfügung vom 25. April 2018 kam das Kantonsgericht zum Schluss, das Ausstandsgesuch sei verspätet, weshalb darauf nicht einzutreten sei. Wäre es rechtzeitig gestellt worden, wäre es abzuweisen gewesen, da die Personalunion von Straf- und Massnahmenvollzugsrichter einerseits und Zwangsmassnahmenrichter andererseits keine Befangenheit zur Folge habe. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 7. Mai 2018 beantragt A.________, die Verfügung des Kantonsgerichts sei aufzuheben und Richter Marc Anthamatten im Hauptverfahren in den Ausstand zu versetzen. Die Verhandlung vom 10. April 2018 sowie das gesamte Verfahren seien zu wiederholen. 
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, ebenso der Beschwerdeführer auf eine Replik. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat als letzte und einzige kantonale Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO hat die Partei, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangt, der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen. Nach der Rechtsprechung ist der Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnisnahme zu verlangen. Andernfalls verwirkt der Anspruch. Ein Gesuch, das sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrunds eingereicht wird, gilt als rechtzeitig. Unzulässig ist jedenfalls ein Zuwarten während zwei Wochen (zum Ganzen: Urteil 1B_513/2017 vom 5. März 2018 E. 3.2 mit Hinweisen). Dies gilt auch, soweit eine Verletzung von Art. 6 EMRK gerügt wird (BGE 143 V 66 E. 4.3 S. 69; 132 II 485 E. 4.3 S. 496; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Kantonsgericht legt dar, der Beschwerdegegner sei für das Hauptverfahren seit November 2016 zuständig. Der Beschwerdeführer habe zu lange mit seinem Ausstandsgesuch zugewartet, da der Beschwerdegegner bereits am 18. Januar 2018 auch als Zwangsmassnahmenrichter fungiert habe und die kritisierte Personalunion damit offensichtlich gewesen sei. Der Einwand, damals habe der Zwangsmassnahmenrichter angesichts des zuvor ergangenen Bundesgerichtsurteils keinen Spielraum gehabt, sei unzutreffend und irrelevant.  
 
2.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe erst bei der Lektüre des Haftverlängerungsentscheids vom 12. April 2018 erfahren, dass dieser durch den Beschwerdegegner gefällt worden sei. Beim Haftanordnungsentscheid vom 18. Januar 2018 habe der Beschwerdegegner aufgrund des erwähnten Bundesgerichtsurteils faktisch keinen Spielraum gehabt, weshalb er den Ausstand nicht bereits damals gefordert habe. Hinzu komme, dass er dem Beschwerdegegner als Vorsitzendem des Straf- und Massnahmenvollzugsgerichts in seinem Plädoyer vom 10. April 2018 massive Verfahrensfehler vorgehalten habe. Entsprechend präsentiere sich die Sachlage nun anders. Im Übrigen sei der Mangel nicht für alle Ewigkeit "geheilt", weil er in einem früheren Verfahren nicht gerügt worden sei.  
 
2.4. Dem Beschwerdeführer war nach den vorinstanzlichen Feststellungen seit dem Haftentscheid vom 18. Januar 2018 bekannt, dass der Beschwerdegegner sowohl als Zwangsmassnahmenrichter als auch als Straf- und Massnahmenvollzugsrichter amten würde. Dass das Urteil des Bundesgerichts 6B_1432/2017 vom 15. Januar 2018 dem Zwangsmassnahmenrichter keinen Spielraum mehr belassen hätte, ist unzutreffend und im Übrigen, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, unmassgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beschwerdegegner als Zwangsmassnahmenrichter in seiner Verfügung vom 18. Januar 2018 die Voraussetzungen der Sicherheitshaft selbständig geprüft und bejaht hat. Geht der Beschwerdeführer davon aus, dass der Beschwerdegegner beim Entscheid in der Sache wegen seiner Tätigkeit als Zwangsmassnahmenrichter vorbefasst sei, hätte er bereits damals Anlass gehabt, dies geltend zu machen. Daran ändert auch nichts, wenn er behauptet, er habe am 10. April 2018 massive Verfahrensfehler gerügt. Worin diese bestehen sollen, führt er nicht aus, und er macht auch nicht geltend, dass sich daraus ein Ausstandsgrund ergebe.  
Die Auffassung des Kantonsgerichts, wonach die Geltendmachung des Ausstandsgrunds verwirkt ist, steht somit in Einklang mit der eingangs angeführten Rechtsprechung. Die Rüge des Beschwerdeführers ist unbegründet und es erübrigt sich, auf die (inhaltliche) Eventualbegründung des angefochtenen Entscheids einzugehen. 
 
3.   
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die Beschwerde aussichtslos ist, ist das Gesuch abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juli 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold