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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.560/2002 /bmt 
 
Urteil vom 8. Januar 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Féraud, Catenazzi, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
A.________, 
B.________, 
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Postfach, 6000 Luzern 5, 
 
gegen 
 
Orange Communications SA, Hardturmstrasse 161, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Berther, Orange Communications SA, Hardturmstrasse 161, 8005 Zürich, 
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern. 
 
Art. 8, 9 und 29 Abs. 1 und 2 BV (Fristerstreckungsverfügung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungs- 
rechtliche Abteilung, vom 27. September 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Orange Communications S.A. beabsichtigt, an der Leisibachstrasse 35 in Buchrain eine Mobilfunkantenne zu errichten. Gegen das Vorhaben gingen zahlreiche Einsprachen ein. Am 19. August 2002 wies der Gemeinderat Buchrain das Baugesuch ab. 
B. 
Gegen den Entscheid des Gemeinderats erhob die Orange Communications S.A. am 29. August 2002 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Dieses setzte den Einsprecherinnen und Einsprechern eine Frist von 10 Tagen, um zu erklären, ob sie sich am Verfahren als Partei beteiligen wollen. 
C. 
Am 22. September 2002 reichte C.________ zahlreiche Unterschriftsbögen von Einsprechern ein, die sich als Partei am Verfahren beteiligen wollten, mit dem Hinweis, dass sie sich zur "Interessengemeinschaft gegen die Mobilfunkantenne Leisibachstrasse 35, 6033 Buchrain" (im Folgenden: die Interessengemeinschaft) zusammengeschlossen hätten. Gleichzeitig ersuchte C.________ als Vertreter der Interessengemeinschaft um Verlängerung der Frist bis zum 20. Oktober 2002. Zur Begründung führte er an, die angesetzte Frist von 10 Tagen sei zu kurz, um sich richtig organisieren zu können; im Weiteren seien verschiedene Einsprecher zur Zeit ferienhalber abwesend und deshalb nicht erreichbar. 
 
Mit Verfügung vom 27. September 2002 (Freitag) erstreckte das Verwaltungsgericht die Frist, jedoch nur bis zum 4. Oktober 2002. Es hielt eine Fristerstreckung bis zum 20. Oktober für unverhältnismässig, weil es ja nur um "die Erklärung des Beschwerdewillens" gehe und erst anschliessend eine Vernehmlassungsfrist gesetzt werde. Die Verfügung wurde C.________ als Vertreter der Interessengemeinschaft als eingeschriebene Postsendung geschickt. Dieser holte den Brief in der siebentägigen Abholfrist vom 30. September bis zum 7. Oktober 2002 nicht bei der Post ab. Daraufhin schrieb ihm das Verwaltungsgericht am 9. Oktober 2002, die Frist sei unbenutzt abgelaufen. Es schickte C.________ als Vertreter der übrigen, sich am Verfahren beteiligenden Einsprecher ein Exemplar der Beschwerdeschrift und setzte ihm eine Vernehmlassungsfrist von 30 Tagen. 
D. 
Am 16. Oktober 2002 stellte Rechtsanwalt Bruno Häfliger namens der Interessengemeinschaft, A.________ und B.________ ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Erklärung der Parteistellung, und reichte die Parteierklärungen von A.________ und B.________ nach. Am 25. Oktober 2002 zog Rechtsanwalt Häfliger das Wiederherstellungsgesuch wieder zurück. 
E. 
Am 25. Oktober 2002 erhoben A.________ und B.________ staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragen, die Fristerstreckungsverfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 27. September 2002 sei aufzuheben und das Verwaltungsgericht sei zu verpflichten, den Beschwerdeführern eine neue Frist von 10 Tagen zur Erklärung der Parteistellung am Verfahren anzusetzen. 
 
Die Orange Communications SA und das Verwaltungsgericht beantragen, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
 
In ihrer Replik hielten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest. 
 
F. 
Am 2. Dezember 2002 wies der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch der Beschwerdeführer um Erlass einer vorsorglichen Verfügung ab. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist eine Fristverlängerungsverfügung des Luzerner Verwaltungsgerichts in einem Verfahren, das die Bewilligung einer Mobilfunkantenne betrifft. Es handelt sich um eine verfahrensleitende Verfügung, d.h. eine Zwischenverfügung, die sich auf kantonales Prozessrecht stützt. In der Hauptsache stünde allerdings gemäss Art. 97 ff. OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen, weil sich die Bewilligungsfähigkeit von Mobilfunkantennen im Wesentlichen nach der Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) und damit nach Bundesverwaltungsrecht beurteilt. 
 
Insofern stellt sich die Frage, ob nach dem in Art. 101 lit. a OG verankerten Grundsatz der Einheit des Prozesses im vorliegenden Fall nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig und die staatsrechtliche Beschwerde deshalb ausgeschlossen ist (Art. 84 Abs. 2 OG). Diese Frage hat nicht nur theoretische Bedeutung, sondern wirkt sich inbesondere auf die Dauer der Beschwerdefrist aus: Gemäss Art. 106 Abs. 1 OG müssen Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Zwischenentscheide innert 10 Tagen sei Eröffnung der Verfügung erhoben werden; diese Frist wäre im vorliegenden Fall versäumt worden. Dagegen beträgt die Beschwerdefrist für staatsrechtliche Beschwerden einheitlich 30 Tage (Art. 89 Abs. 1 OG); diese Frist haben die Beschwerdeführer eingehalten. 
Im Entscheid BGE 123 I 275 wurde gegen einen auf kantonales Prozessrecht gestützten Zwischenentscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung die staatsrechtliche Beschwerde für zulässig gehalten, auch wenn in der Sache selbst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben wäre (vgl. auch BGE 122 II 274 E. 1b S. 277 ff. für die isolierte Anfechtung einer kantonalrechtlichen Kostenverlegung in einem Waldfeststellungsverfahren). Dagegen liess das Bundesgericht gegen die Versagung der aufschiebenden Wirkung bzw. die Anordnung vorsorglicher Massnahmen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu, wenn in der Hauptsache Bundesverwaltungsrecht anwendbar sei. Es berief sich auf die Möglichkeit der Vereitelung von Bundesrecht sowie die Überlegung, dass die bei vorsorglichen Massnahmen gebotene Interessenabwägung durch das materiell anwendbare Bundesrecht vorgegeben oder zumindest beeinflusst wird (vgl. Entscheid 1A.172/1994 vom 6. März 1995 E. 1c, veröffentlicht in Pra 1996 11 26, URP 1996 229 und RDAF 1997 1 471; nicht veröffentlichter Entscheid 1A.221/1991 vom 29. Januar 1992 E. 1b; Frage offen gelassen in den unveröffentlichten Entscheiden 1A.55/1998 vom 22. September 1998 E. 1 und 1P.408/2000 vom 24. Juli 2000 E. 1; vgl. auch Entscheid 1A.211/2001 vom 3. Mai 2002 E. 1.2 zur Zulässigkeit einer auf kantonales Verfahrensrecht gestützten Vollstreckungsverfügung zur Sicherstellung des Vollzugs von Bundesrecht). 
 
Noch weiter fasst das Eidgenössische Versicherungsgericht den Anwendungsbereich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Es bestimmt die bundesrechtliche Verfügungsgrundlage i.S.v. Art. 97 OG i.V.m. Art. 5 VwVG danach, ob der materiellrechtliche Streitgegenstand dem Bundesrecht angehört. Zwischen- und Endentscheide kantonaler Gerichte in Bundessozialversicherungsstreitigkeiten sind daher immer mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim EVG anfechtbar, auch wenn sie sich auf kantonales Verfahrensrecht stützen, unabhängig davon, ob auch in der Hauptsache selbst Beschwerde geführt wird (BGE 126 V 143 E. 2 S.146 ff.). 
 
Die Frage nach der richtigen Verfahrensart kann jedoch offen bleiben, wenn auf die Beschwerde schon aus einem anderen Grund nicht einzutreten ist. 
2. 
Voraussetzung für die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden ist, dass diese einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 87 Abs. 2 OG für die staatsrechtliche Beschwerde; Art. 97 OG i.V.m. Art. 45 Abs. 1 VwVG für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde). Für die staatsrechtliche Beschwerde wird ein Nachteil rechtlicher Natur verlangt (BGE 117 Ia 251 E. 1b S. 253/254 mit Hinweisen), während im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse für die Annahme eines schutzwürdigen Interesses bzw. für die Begründung eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils genügt (BGE 125 II 613 E. 2a S. 620; 120 Ib 97 E. 1c S. 100). 
2.1 Grundsätzlich bewirkt die Verlängerung einer richterlich gesetzten Frist für sich allein keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil, auch wenn sie kürzer ausfällt als beantragt. Ein solcher Nachteil tritt i.d.R. erst ein, wenn das Gericht nach Versäumung der verlängerten Frist eine für den Gesuchsteller nachteilige Verfügung trifft, z.B. auf ein Rechtsmittel nicht eintritt oder eine Eingabe aus dem Recht weist. 
2.2 Die Beschwerdeführer machen allerdings geltend, die unverhältnismässig kurze Fristverlängerung vom 27. September 2002 habe zur Folge, dass sie vom weiteren kantonalen Verfahren ausgeschlossen würden, d.h. keine Parteistellung inne hätten. Sie legen jedoch nicht dar, weshalb der angefochtenen Zwischenverfügung eine derartige Ausschlusswirkung zukommt. Dies ist auch nicht ersichtlich: 
2.2.1 Neben dem Beschwerdeführer und der Urheberin der Verfügung können im Anfechtungsstreit weitere Personen am Verfahren beteiligt werden. Hierzu gehören insbesondere Drittbetroffene mit einem eigenen Rechtsschutzinteresse. Ob diese von Amtes wegen als Verfahrenspartei behandelt werden oder ob es hierzu einer Beiladung bedarf, hängt von der Ausgestaltung des jeweiligen Verfahrensrechts ab (Überblick bei Isabelle Häner, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Zürich 2000, S. 165 ff.; eingehend zum Parteibegriff Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Zürich 1998, § 41 S. 173 ff.). Die Parteistellung kann von einem fristgebundenen Gesuch abhängig gemacht werden (vgl. BGE 121 II 224 E. 3 S. 228 f. zu §§ 315 f. Abs. 1 PBG/ZH). Die Ausschlusswirkung einer derartigen Frist muss aber klar aus dem Gesetz hervorgehen oder - sofern es sich um eine behördlich bestimmte Frist handelt - als Säumnisfolge angedroht werden (so auch § 32 des Luzerner Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 [VRG/LU]). 
2.2.2 § 20 VRG/LU sieht vor, dass ein Dritter, dessen Rechtsstellung voraussichtlich durch den Entscheid beeinflusst wird, von Amtes wegen oder auf Gesuch einer Partei oder eines Dritten durch Beiladung in das Verfahren einbezogen werden kann. Der Beigeladene ist von der Beiladung an Partei, soweit seine Rechtsverhältnisse in das Verfahren einbezogen sind (§ 21 Abs. 1 VRG/LU). Das Gesetz sieht keine bestimmten Fristen für die Stellung eines Beiladungsgesuchs vor. In den Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren (§§ 127 ff.) geht das Gesetz allerdings vom Vorhandensein einer oder mehrerer Gegenparteien aus (vgl. §§ 131 Abs. 3, 134 Abs. 1, 136 Abs. 1 VRG/LU), denen die Rechtsmittelschrift zuzustellen und eine angemessene Frist zur Vernehmlassung zu setzen ist (§ 136 Abs. 1 VRG/LU). Daraus lässt sich schliessen, dass sich grundsätzlich alle Parteien des vorinstanzlichen Verfahrens (jedenfalls, soweit sie ein eigenes Rechtsschutzinteresse haben) durch Einreichung einer Beschwerdeantwort am Rechtsmittelverfahren beteiligen können, ohne dass es einer besonderen Zulassung bedürfte. Allerdings kann es, gerade in Bauverfahren mit zahlreichen Einsprechern, sinnvoll sein, vor Zustellung der Beschwerdeschrift anzufragen, welche Einsprecher sich überhaupt am gerichtlichen Verfahren beteiligen wollen. Es liegt im Ermessen des Gerichts, hierfür eine Frist anzusetzen und die Wirkungen des unbenutzten Fristablaufs festzulegen, d.h. bestimmte Säumnisfolgen anzudrohen. 
2.2.3 Im vorliegenden Fall forderte das Verwaltungsgericht alle Einsprecher auf, innert 10 Tagen mitzuteilen, ob sie sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Partei beteiligen wollen. Das Schreiben vom 12. September 2002 ist, wie auch alle anderen in den Akten liegenden Schreiben des Gerichts, als einfacher Brief ausgestaltet, ohne Rechtsmittelbelehrung und ohne Hinweis auf die Säumnisfolgen. Damit liegt die Annahme nahe, es handle sich um eine blosse Ordnungsfrist, die eine spätere Beteiligung am Verfahren nicht zwingend ausschliesse. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2002 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Frist unbenutzt abgelaufen sei und lud die Einsprecher, die ihre Beteiligung am Verfahren bereits erklärt hatten, zur Vernehmlassung ein. Dagegen wurde keine Anordnung gegenüber den übrigen Einsprechern getroffen, wonach diese vom weiteren Verfahren ausgeschlossen seien. Über das Wiederherstellungsgesuch der Beschwerdeführer und der in diesem Zusammenhang nachgereichten Erklärung ihrer Parteistellung konnte das Verwaltungsgericht nicht entscheiden, weil das Gesuch am 25. Oktober 2002 wieder zurück gezogen wurde. 
2.3 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass beim jetzigen Verfahrensstand noch gar nicht feststeht, dass die Beschwerdeführer vom weiteren Verfahren ausgeschlossen sind. Dann aber liegen die Voraussetzungen für die Anfechtung einer Zwischenverfügung gemäss Art. 87 Abs. 2 OG bzw. Art. 45 Abs. 1 VwVG nicht vor. 
3. 
Nach dem Gesagten kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 OG) und müssen die Beschwerdegegnerin für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Januar 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: