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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_376/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 12. September 2016  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen, 
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 25. April 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1965 geborene A.________ ist der Ausgleichskasse des Kantons Bern als Selbstständigerwerbender angeschlossen. 
 
Mit Verfügung vom 23. November 2015 setzte die Ausgleichskasse die persönlichen AHV/IV/EO- und FAK-Beiträge (einschliesslich Verwaltungskosten) für das Jahr 2012 definitiv auf insgesamt Fr. 2'492.50 fest, wobei sie von einem reinen Erwerbseinkommen von Fr. 30'135.- und einem im Betrieb investierten Eigenkapital von Fr. 90'000.- ausging. Die vom Versicherten dagegen erhobene Einsprache hiess die Ausgleichskasse teilweise gut. Sie legte das massgebende Einkommen neu auf Fr. 31'000.- fest, woraus eine Beitragsschuld (einschliesslich Verwaltungskosten) von Fr. 2'484.60 resultierte (Entscheid vom 5. Februar 2016). 
 
B.   
Die von A.________ erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und das massgebende Einkommen anhand der tatsächlich erbrachten persönlichen Beiträge festzusetzen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 25. April 2016). 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und stellt sinngemäss die Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid und die Verwaltungsverfügung seien aufzuheben; die Ausgleichskasse habe statt fiktive Beiträge die tatsächlich bezahlten aufzurechnen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit werden Beiträge erhoben (Art. 3 f. und 8 f. AHVG; Art. 2 und 3 IVG; Art. 26 und 27 EOG). Das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet (Art. 9 Abs. 3 AHVG). Die Angaben der kantonalen Steuerbehörden sind für die Ausgleichskassen verbindlich (Art. 23 Abs. 4 AHVV). Die Ausgleichskassen verlangen für die ihnen angeschlossenen Selbstständigerwerbenden von den kantonalen Steuerbehörden die für die Berechnung der Beiträge erforderlichen Angaben. Das Bundesamt erlässt Weisungen über die erforderlichen Angaben und das Meldeverfahren (Art. 27 Abs. 1 AHVV).  
 
1.2. Art. 9 Abs. 4 AHVG sieht in der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Fassung vor, dass die steuerrechtlich zulässigen Abzüge der Beiträge von den Ausgleichskassen zum von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen sind. Das gemeldete Einkommen ist dabei nach Massgabe der geltenden Beitragssätze auf 100 Prozent aufzurechnen (vgl. auch Rz. 1169 f. der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO [WSN] in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung). Diese Neuregelung gilt nach der dazu erlassenen Übergangsbestimmung für alle Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, die nach deren Inkrafttreten von den Steuerbehörden gemeldet werden.  
 
1.3. Nach der Rechtsprechung gemäss BGE 139 V 537 (insbesondere E. 5.4, 5.5 und 6 S. 545 f.) liegt die ratio legis des auf den 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Art. 9 Abs. 4 AHVG darin, dass die Ausgleichskasse sich in Abweichung von der alten Praxis (BGE 111 V 289) nicht mehr darum kümmern muss und soll, ob und was die Steuerbehörde vom gemeldeten Einkommen abgezogen hat. Sie hat davon auszugehen, dass das gemeldete Einkommen beitragsrechtlich ein Nettoeinkommen ist, und die AHV-IV/EO-Beiträge auf dieses aufzurechnen. Davon ist abzuweichen, wenn der Ausgleichskasse durch die Steuermeldung klar, ausdrücklich und vorbehaltlos bestätigt wird, dass kein Abzug vorgenommen worden ist (vgl. auch Rz. 1170.2, 1170.3 und 1171.2 WSN in der ab 1. Januar 2015 geltenden Fassung).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist allein die Aufrechnung der persönlichen Beiträge. 
 
2.1. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung gemäss BGE 139 V 537 (E. 1.3 hiervor) hielt die Vorinstanz fest, die Ausgleichskasse habe gestützt auf die Neuregelung des Art. 9 Abs. 4 AHVG das von der Steuerbehörde gemeldete Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit auf 100 % umzurechnen statt - wie dies der Beschwerdeführer für richtig halte - die effektiv geleisteten persönlichen Beiträge zu berücksichtigen. Das Vorgehen der Ausgleichskasse sei damit korrekt.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer, der sich mit seiner Argumentation nicht verstanden fühlt, versucht erneut darzulegen, dass die Neuregelung fehlerhaft sei. Seiner Auffassung nach führt sie dazu, dass er Beiträge auf nicht erzieltem Einkommen bezahlen muss und damit als Selbstständigerwerbender schlechter gestellt ist als Unselbstständigerwerbende. Er macht geltend, steuerlich in Abzug gebracht werden im Sinne des Art. 9 Abs. 4 AHVG könnten die Beiträge, die der AHV im Verlaufe des  Geschäftsjahres zugeflossen seien, unabhängig davon, ob es sich um definitiv veranlagte oder um Akonto-Beiträge handle (bei ihm im Jahr 2012: Fr. 303.45 statt die in Anwendung der Formel aus Rz. 1170 WSN aufgerechneten Fr. 1'814.85). Irrelevant sei dabei das Jahr, für welches Beiträge entrichtet würden; massgebend sei allein der Valuta-Tag der Belastungsanzeige. Steuerrechtlich zulässig seien nur Abzüge, wenn dafür Belege vorhanden seien, dies nach der Regel "Keine Buchung ohne Beleg". Würde Art. 9 Abs. 4 AHVG von den "steuerrechtlich  maximal zulässigen" Abzügen sprechen, wäre das Vorgehen nach Rz. 1170 WSN korrekt. Diesfalls müssten die Beiträge allerdings anhand eines selbst erstellten künstlichen Beleges verbucht werden.  
 
Es sei unmöglich, die Beiträge anhand von Rz. 1170 WSN im Voraus zu berechnen: Erstens stehe das reine Erwerbseinkommen erst fest, wenn die Steuerbehörde es veranlagt habe (nach Vornahme allfälliger Korrekturen); es könne nicht auf das selbst deklarierte Erwerbseinkommen abgestellt werden. Zweitens verhalte sich die (vom Bruttogewinn ausgehende, rückwärts berechnete) prozentuale Formel aus Rz. 1170 WSN rekursiv, d.h. das Resultat lasse das reine Erwerbseinkommen ändern, was sich wiederum auf die Beiträge auswirke. Mathematisch lasse sich der Beitrag nicht im Voraus bestimmen und man wäre auf Schätzungen angewiesen, was nicht angehe. 
 
2.3. Mit dieser Argumentation scheint der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass die Neuregelung in Art. 9 Abs. 4 AHVG im Sinne einer administrativen Vereinfachung und einheitlichen Gesetzesanwendung bezweckte, die kantonalen Steuerbehörden von der Beitragsaufrechnung und dem entsprechenden Meldeverkehr zu entlasten. Die Ausgleichskassen haben die Beiträge selbst dann aufzurechnen, wenn steuerrechtlich keine Abzüge gewährt wurden oder die steuerrechtlichen Abzüge höher oder tiefer waren als die von der Ausgleichskasse zugelassenen. In Abweichung von der alten Praxis (BGE 111 V 289) muss sich die Ausgleichskasse gerade nicht mehr darum kümmern, ob und was die Steuerbehörde vom gemeldeten Einkommen abgezogen hat; eine stossende Beitragserhebung ist darin nicht zu erblicken (BGE 139 V 537 E. 5.5 S. 545 f.). Dabei können sich die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Abweichungen zwischen den in einem Jahr (hier: 2012) verbuchten AHV-Beiträgen von den aus der Neuregelung resultierenden namentlich aus periodenfremden Buchungen oder Aufrechnungen der Steuerbehörden ergeben. Diese Konsequenz ist hinzunehmen, hat sie doch der Gesetzgeber bei der von ihm angestrebten Vereinfachung der Arbeitsabläufe bewusst in Kauf genommen (BGE 139 V 537 E. 5.4 S. 545 mit Hinweis; vgl. Rz. 1170.2 WSN in der ab 1. Januar 2015 geltenden Fassung; vgl. auch BGE 141 V 433).  
 
Die vom Beschwerdeführer angesprochenen mathematischen Schwierigkeiten werden in der Rechnungslegung über das Instrument der "Rückstellungen" gelöst. Diese sind zulässig für Verpflichtungen, die im Geschäftsjahr bestehen, deren Höhe aber noch nicht genau bekannt ist (Art. 32 Abs. 2 lit. a und Art. 34 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 2000 [StG; BSG 661.11]; von der Steuerverwaltung des Kantons Bern für natürliche Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit herausgegebene Zusatz-Wegleitung 2015 zum Ausfüllen der Formulare [Kantons- und Gemeindesteuern, Direkte Bundessteuer] S. 15 Ziff. 260). Derartige Rückstellungen sind selbst im Falle fehlender Buchführungspflicht zulässig (vgl. in der Zusatz-Wegleitung 2015 S. 31 enthaltenes Hilfsblatt zum Ausfüllen von Formular 9). Was im Übrigen die Notwendigkeit eines Belegs anbelangt, kann ein solcher basierend auf einer sachgerechten Schätzung erstellt werden. 
 
3.   
Entsprechend dem Ausgang der Verfahrens werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. September 2016 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann