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[AZA 7] 
C 115/01 Go 
 
III. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch 
 
Urteil vom 13. Mai 2002 
 
in Sachen 
L.________, 1968, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau, Beschwerdegegner, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- Die 1968 geborene L.________ war zuletzt ab 1. Mai 1995 bis 30. Juni 1999 als Pflegeassistentin (Nachtwache) beim Verein X.________, tätig. Am 4. August 1999 meldete sie sich beim Arbeitsamt Baden zur Arbeitsvermittlung an und beantragte bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung ab diesem Datum. Da die Versicherte wegen ihrer drei Kinder nur Arbeit im Ausmass von 50 % und nur spät nachmittags oder in der Nacht suchte, überwies die Arbeitslosenkasse die Akten dem Kantonalen Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt (KIGA; seit 1. Mai 2001 Amt für Wirtschaft und Arbeit, AWA) zur Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit. 
Das KIGA bejahte mit Weisung vom 18. Oktober 1999 die Vermittlungsfähigkeit ab 4. August 1999. 
Am 3. November 1999 wies das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Baden L.________ an, sich bei der Firma Y.________, M.________, auf eine offene Stelle als Nachtwache/Pflegeassistentin zu bewerben, was sie fristgerecht tat. Eine Anstellung ist nicht zustande gekommen. 
Mit Verfügung vom 17. Januar 2000 stellte das KIGA L.________ ab 4. November 1999 für die Dauer von 34 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. März 2001 ab. 
 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ersucht L.________ sinngemäss um Aufhebung der vorinstanzlichen bestätigten Einstellungsverfügung. 
Das AWA verzichtet unter Hinweis auf seine Verfügung und die Vernehmlassung im vorinstanzlichen Verfahren auf eine Stellungnahme. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Das kantonale Gericht hat die vorliegend massgebenden Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen Nichtbefolgens von Weisungen des Arbeitsamtes, namentlich der Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit (Art. 17 Abs. 1 und 3 sowie Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG), über den Begriff der zumutbaren Arbeit (Art. 16 AVIG) sowie über die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend dargelegt. Richtig ist insbesondere, dass gemäss Rechtsprechung der Einstellungstatbestand der Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit auch dann erfüllt ist, wenn die versicherte Person die Arbeit zwar nicht ausdrücklich ablehnt, es aber durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die Stelle anderweitig besetzt wird. Arbeitslose Versicherte haben bei den Verhandlungen mit dem künftigen Arbeitgeber klar und eindeutig die Bereitschaft zum Vertragsabschluss zu bekunden, um die Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht zu gefährden (BGE 122 V 38 Erw. 3b; ARV 2002 S. 57). 
 
b) Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung dient dazu, die Schadenminderungspflicht der Versicherten durchzusetzen. 
Sie hat die Funktion einer Haftungsbegrenzung der Versicherung für Schäden, die die Versicherten hätten vermeiden oder vermindern können. Als versicherungsrechtliche Sanktion bezweckt sie die angemessene Mitbeteiligung der versicherten Person am Schaden, den sie durch ihr Verhalten der Arbeitslosenversicherung in schuldhafter Weise natürlich und adäquat kausal verursacht hat (BGE 126 V 523 und 130 Erw. 1, 124 V 227 Erw. 2b, 122 V 40 Erw. 4c/aa mit Hinweisen). 
Als Verwaltungssanktion ist die Einstellung vom Gesetzmässigkeits-, Verhältnismässigkeits- und Verschuldensprinzip beherrscht (zum Ganzen: Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Band Soziale Sicherheit, Rz 691). Ein Selbstverschulden der versicherten Person liegt vor, wenn und soweit der Eintritt oder das Andauern der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen vermeidbaren Verhalten liegt, für das die Versicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 44 Erw. 2b, 1982 Nr. 4 S. 39 Erw. 1a). In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die dem Einstellungstatbestand zu Grunde liegenden Tatsachen mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erfüllt sein (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen; Nussbaumer, a.a.O., Rz 693). 
 
2.- Unbestritten ist, dass sich die Beschwerdeführerin auf Anweisung des RAV hin bei der Firma Y.________ beworben und am 16. November 1999 persönlich vorgestellt hat, dass sie am 22. November 1999 den anlässlich des Vorstellungsgesprächs vereinbarten Schnuppertag vom 23. November 1999 abgesagt hat und dass in der Folge eine Anstellung nicht zustande gekommen ist. Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherten ein Verschulden daran zugeschrieben werden kann. 
 
3.- a) Das KIGA stützte seine Einstellungsverfügung auf eine Meldung des RAV vom 26. November 1999. Darin wurde erwähnt, anlässlich des Vorstellungsgesprächs vom 16. November 1999 sei ein Schnuppertag auf den 23. November 1999 vereinbart worden. Am Abend des 22. November 1999 habe die Versicherte abgesagt, da sie für die Kinder keine Betreuung habe finden können. Der Arbeitgeber habe um eine Stunde Bedenkfrist gebeten, da man an einer Anstellung sehr interessiert sei, jedoch auf dem vereinbarten Schnuppertag bestehen müsse. Die Versicherte sei bei der Absage geblieben. 
Das KIGA begründete seine Verfügung dementsprechend damit, die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Obhutsgründe seien in arbeitslosenversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht stichhaltig. Bis zum Schnuppertag habe sie genügend Zeit gehabt, die Obhut zu regeln. Zudem liege es an ihr, das Familienleben so zu gestalten, dass sie nicht daran gehindert sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Sie sei bereits darauf hingewiesen worden, dass sie ihre Stellenbemühungen auch auf normale Tageszeiten ausdehnen müsse. 
 
b) Vor Verfügungserlass räumte das KIGA der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, zur Sache Stellung zu nehmen. 
In ihrem Schreiben vom 8. Dezember 1999 gab die Versicherte diesbezüglich an, es stimme, dass sie genügend Zeit gehabt habe, die Obhut der Kinder für den Schnuppertag zu regeln; sie habe dies auch getan. Wie bereits in ihrer Stellungnahme vom 24. November 1999 machte sie aber geltend, der Grund für die kurzfristige Absage habe darin gelegen, dass die Kinderbetreuungsperson, ihre Schwägerin, an diesem Tag mitgeteilt habe, sie könne nicht kommen. Zudem sei ihr jüngster Sohn krank gewesen und ihr Mann habe bereits drei Arbeitstage verloren, sodass er nicht habe riskieren können, auch noch arbeitslos zu werden. Sie habe jedoch anerboten, an einem andern Tag oder sogar an einem Wochenende zu kommen, was der Frau am Telefon nicht gepasst habe. Diese habe entgegnet, entweder Morgen oder es gebe nichts anderes. Es stimme überhaupt nicht, dass sie die Stelle nicht habe annehmen wollen, weil nur Nachtarbeit in Frage komme; vielmehr sei sie bereit gewesen, die paar Tage Tagesdienst zu akzeptieren, wenn es sich um Ausnahmen handle und sie genügend Zeit habe, eine Kinderbetreuung zu organisieren. 
Sie habe aber während der letzten vier Jahre nur nachts gearbeitet und hätte gedacht, die Arbeitslosenversicherung wäre bereit, darauf und auf den Wunsch, ab ca. 17.00 Uhr (wenn ihr Mann nach Hause komme) zu arbeiten, Rücksicht zu nehmen. Schliesslich betonte die Beschwerdeführerin noch, dass sie sich intensiv um eine Stelle bemühe. 
 
c) Die Vorinstanz hielt die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe den Schnuppertag absagen müssen, weil die Kinder der Betreuungsperson krank geworden seien und diese ihrerseits abgesagt habe, für nicht sehr glaubwürdig. 
Sie betonte, dass die Versicherte ja bereits am Vorstellungsgespräch erwähnt habe, für sie komme nur Nachtschicht in Frage, obwohl bei der Firma Y.________ für die Nachtwache jährlich nur zwei Tage Tagesdienst eingeplant seien. 
Die Bemerkung in der Stellungnahme vom 24. November 1999, sie könne nicht einfach zusagen, wenn noch Fragen offen seien, lege die Vermutung nahe, dass die Beschwerdeführerin wegen der vereinzelten Tagesdiensten nicht bereit gewesen sei, die zugewiesene Stelle anzunehmen. Sie habe ja auch als Alternative zur Hauptsache einen Schnuppertag an einem Wochenende vorgeschlagen, was aus organisatorischen Gründen seitens der Arbeitgeberin nicht möglich gewesen sei. Mit ihrem Verhalten - Beharren auf Nachtschicht, Verlegung des Schnuppertages auf ein Wochenende, halbherzige Regelung der Kinderobhut - habe die Beschwerdeführerin in Kauf genommen, dass die Stelle anderweitig besetzt werde, was die verfügte Einstellung rechtfertige. 
 
d) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt die Versicherte wiederum aus, sie habe am 22. November 1999 um 17.00 Uhr den Anruf ihrer Schwägerin erhalten, die gesagt habe, sie könne am nächsten Tag nicht kommen, da ihre Kinder krank seien. Die Arbeitgeberin der zugewiesenen Stelle habe ihr eine Stunde Zeit gegeben, um eine andere Obhut zu finden und habe gesagt, sonst könne ihr Mann doch zu Hause bleiben. Sie habe das als Bedrohung empfunden. Es sei nicht einfach, innerhalb einer Stunde für drei Kinder eine Obhut zu finden. Wie schon früher erwähnt, hätten sie auch nicht riskieren können, dass ihr Mann auch noch arbeitslos werde. 
Ungerecht finde sie die Vorwürfe vor allem, weil sie sich bereit erklärt habe, an einem andern Tag oder gar an einem Wochenende, wo in dieser Branche ja auch gearbeitet werde, zu kommen. 
 
4.- Aufgrund der Akten und der nicht von vornherein als unglaubwürdig erscheinenden Darlegungen in den Beschwerdeschriften lässt sich ein Verschulden der Versicherten im Zusammenhang mit Bewerbung und Nichtzustandekommen der Anstellung nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit annehmen. Den verschiedenen Schilderungen zu entnehmen ist, dass die Arbeitgeberin nach dem Vorstellungsgespräch offenbar grosses Interesse an einer Anstellung gehabt hat, dass ein Arbeitsvertrag jedoch wegen des Scheiterns des Schnuppertages nicht zustande gekommen ist. Diesbezüglich kann in Anbetracht der Aussagen der Beschwerdeführerin nicht einfach - wie in der Verfügung vom 17. Januar 2000 gemacht - gesagt werden, die Versicherte hätte ausreichend Zeit gehabt, die Betreuung der Kinder zu regeln. Auch genügt es für die Annahme eines Verschuldens nicht, die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe absagen müssen, weil die von ihr organisierte Betreuungsperson ihrerseits abgesagt habe, als nicht sehr glaubwürdig zu qualifizieren. Die Beschwerdeführerin hat zudem gemäss eigenen Aussagen Alternativen angeboten, dies nicht nur für ein Wochenende, sondern auch für einen andern Werktag. Wohl ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, dass die Beschwerdeführerin bereits bei der Anmeldung zur Arbeitsvermittlung und auch am Vorstellungsgespräch gesagt habe, für sie komme nur Nachtschicht ab 17.00 Uhr in Frage. Gerade bei der zur Diskussion stehenden Stelle wäre dies aber kein Problem gewesen, werden doch von den Nachtwachen nur zwei Tage Tagesdienst pro Jahr verlangt, was - wie die Beschwerdeführerin bestätigte - mit Vorankündigung kein Problem gewesen wäre. Die Bemerkung bezüglich offener Fragen in der Stellungnahme vom 24. November 1999 schliesslich, aus welcher die Vorinstanz die Vermutung ableitet, die Beschwerdeführerin sei wegen der vereinzelten Tagesdienste nicht bereit gewesen, die zugewiesene Stelle anzunehmen, bezog sich im Kontext nicht auf die Annahme der Stelle an sich, sondern nur auf die Reaktion auf die Absage des Schnuppertages, wonach die Versicherte entweder zu kommen habe oder es nichts anderes gebe. Unter diesen Umständen kann nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit von einem für die Nichtanstellung kausalen und schuldhaften Verhalten der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Weitere Beweiserhebungen zu diesem Punkt scheiden in Anbetracht der Art der streitigen Frage und des Zeitablaufs aus. Der Tatbestand der Nichtannahme einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit ist daher nicht erfüllt. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons 
Aargau vom 20. März 2001 und die Einstellungsverfügung 
des Kantonalen Industrie-, Gewerbe- und 
Arbeitsamtes vom 17. Januar 2000 aufgehoben. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat 
 
 
für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 13. Mai 2002 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: