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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_251/2020  
 
 
Urteil vom 17. Juni 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Müller, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Winiger, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. 
 
Gegenstand 
Anordnung von Sicherheitshaft 
für die Dauer des Berufungsverfahrens, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts 
des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 22. April 2020 
(STBER.2020.30). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ befindet sich seit dem 8. Juli 2018 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führte eine Strafuntersuchung gegen sie u.a. wegen versuchter vorsätzlicher Tötung. Sie warf ihr vor, am 8. Juli 2018 (in einer Wahnvorstellung) ihre Nachbarin zur Rückgabe der von dieser angeblich gestohlenen Sachen zu bewegen. Dabei habe sie versucht, die Geschädigte mit einem Messer am Hals zu verletzen und zu töten. 
Der von der Staatsanwaltschaft mit der Erstellung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragte Dr. med. B.________ kam zum Ergebnis, A.________ leide an einer schizoaffektiven Erkrankung (ICD-10 F25) von schwerer Ausprägung. Diese Erkrankung habe ihre Einsicht in das Unrecht der ihr vorgeworfenen Taten aufgrund einer ausgeprägten Wahnsymptomatik mit Realitätsverkennung deutlich eingeschränkt. Aus forensisch-psychiatrischer Sicht ergebe sich folglich, dass A.________ für den Tatzeitraum nicht schuldfähig gewesen sei. 
Die Staatsanwaltschaft erhob am 16. August 2019 Anklage beim Amtsgericht Olten-Gösgen und beantragte die Anordnung einer stationären Massnahme. Mit Urteil vom 13. März 2020 stellte das Amtsgericht fest, dass A.________ verschiedene Tatbestände, u.a. eine einfache Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, erfüllt habe, dabei aber schuldunfähig gewesen sei (Ziff. 1 des Urteils). Es ordnete eine ambulante Massnahme an, die so lange zu dauern habe, wie es die Fachperson als notwendig erachte. In diesem Zusammenhang wurden folgende Weisungen erteilt: A.________ habe die bereits installierte Depotmedikation (Abilify) weiterzuführen, sich einer Psychotherapie durch eine forensisch-psychiatrische Fachperson zu unterziehen, an einer Psychoedukationsgruppe ("Psychosegruppe") teilzunehmen, bei ihren Eltern Wohnsitz zu nehmen und so lange dort zu wohnen, wie dies die forensisch-psychiatrische Fachperson als notwendig erachtet, sowie sich einer aufsuchenden Betreuung durch eine Fachperson der Psychiatriespitex zu unterziehen (Ziff. 2 des Urteils). Weiter ordnete das Amtsgericht an, A.________ habe in Sicherheitshaft zu verbleiben, bis das Setting der gemäss Ziff. 2 angeordneten ambulanten Massnahme installiert sei, längstens für die Dauer von zwei Monaten (Ziff. 5 des Urteils). Gegen dieses Urteil meldeten sowohl A.________ als auch die Staatsanwaltschaft Berufung an. 
Mit Schreiben vom 26. März 2020 erläuterte das Amtsgericht Ziff. 5 seines Urteils vom 13. März 2020 dahingehend, dass entgegen des Wortlauts Ziff. 5 des Dispositivs nicht als Anordnung von Sicherheitshaft, sondern als "Entlassung aus der Sicherheitshaft unter Anordnung von Ersatzmassnahmen" zu verstehen sei. Die Staatsanwaltschaft ersuchte in der Folge das Amt für Justizvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug um Stellungnahme betreffend die Umsetzbarkeit der im Urteil vom 13. März 2020 angeordneten ambulanten Massnahme und Weisungen. Nachdem das Amt für Justizvollzug die Staatsanwaltschaft am 9. April 2020 darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass die Installierung des geforderten Settings, insbesondere in Bezug auf die Psychoedukationsgruppe und den geregelten Tagesablauf, in der aktuellen Situation nicht vollumfänglich möglich sei, beantragte die Staatsanwaltschaft am 16. April 2020 dem Obergericht des Kantons Solothurn die Fortsetzung der Sicherheitshaft für die Dauer des Berufungsverfahrens, was Letzteres mit Verfügung vom 22. April 2020 anordnete. Weiter hielt das Obergericht fest, A.________ sei zeitnah zum weiteren Vollzug der Sicherheitshaft in eine hierfür geeignete forensisch psychiatrische Anstalt zu verlegen oder es sei eine betreute Wohnform zu suchen. Zudem habe ihm das Amt für Justizvollzug bis zum 13. Mai 2020 das Ergebnis seiner Abklärungen in einem Bericht zu unterbreiten, sodass es hernach erneut über die Verhältnismässigkeit der Sicherheitshaft entscheiden könne. 
Mit Stellungnahme vom 12. und 15. Mai 2020 teilte das Amt für Justizvollzug dem Obergericht zusammengefasst mit, dass noch keine Zusage einer geeigneten Einrichtung vorliege, jedoch diverse Anfragen pendent seien und weiter gesucht werde. 
 
B.   
Mit Eingabe vom 20. Mai 2020 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, die Verfügung der Strafkammer des Obergerichts vom 22. April 2020 sei aufzuheben und sie sei unter Verfügung von Ersatzmassnamen gemäss dem Urteil des Amtsgerichts Olten-Gösgen vom 13. März 2020 (ohne Psychoedukationsgruppe) sofort aus der Sicherheitshaft zu entlassen. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht beantragt ebenfalls, die Beschwerde abzuweisen. 
 
C.   
Am 9. Juni 2020 ging beim Bundesgericht die Verfügung des Obergerichts vom 8. Juni 2020 sowie die Stellungnahme des Amts für Justizvollzug vom 5. Juni 2020 inkl. Beilagen ein. In der Verfügung des Obergerichts wurde festgehalten, das Amt für Justizvollzug habe der Verfahrensleitung zeitnah die Ergebnisse der weiteren Gespräche mit möglichen Institutionen mitzuteilen. Nach Eingang der Abklärungen des Amts für Justizvollzug werde die Verfahrensleitung über eine Verlegung der Beschwerdeführerin in eine geeignete Institution und die nähere Ausgestaltung der Modalitäten entscheiden. Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 10. Juni 2020 repliziert und hält an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die Anordnung von strafprozessualer Sicherheitshaft. Hiergegen ist die Beschwerde grundsätzlich zulässig (Art. 80 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 222, Art. 226, Art. 229 StPO). Die Beschwerdeführerin nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und befindet sich nach wie vor in Haft. Sie ist deshalb nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht in formeller Hinsicht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 EMRK geltend. Zur Begründung führt sie aus, die Vorinstanz habe sich nicht mit dem zentralen Vorbringen bzw. ihrem "Hauptargument" auseinandergesetzt, wonach die Unterbringung von behandelbaren Schuldunfähigen in einem Gefängnis nach maximal sechs Monaten unrechtmässig sei und gegen die EMRK verstosse.  
 
2.2. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt die Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Die Behörde darf sich aber auf die massgebenden Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen. Es genügt, wenn sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 71 mit Hinweisen).  
 
2.3. Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Entscheid. Zwar trifft es zu, dass sich die Vorinstanz nicht explizit mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auseinandergesetzt hat. Sie hat jedoch ausreichend dargelegt, weshalb ihrer Ansicht nach die bisherige Dauer der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (noch) kein Recht verletzt bzw. verhältnismässig ist und weshalb die Beschwerdeführerin nach wie vor im Untersuchungsgefängnis ist (vgl. E. II Ziff. 6 S. 11 f. des angefochtenen Entscheids). Die Beschwerdeführerin war damit in der Lage, den Entscheid sachgerecht anzufechten. Damit ist die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nachgekommen. Die Rüge der Gehörsverletzung ist unbegründet.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Sicherheitshaft sei mit Eingabe vom 16. April 2020 verspätet gestellt worden. Zwar habe die Staatsanwaltschaft den Haftfortsetzungsantrag bereits vor dem Amtsgericht gestellt, dieses habe ihn aber abgelehnt. Aus diesem Grund hätte die Staatsanwaltschaft den Antrag unmittelbar nach dem Urteil vom 13. März 2020 erneut stellen müssen und nicht erst mehr als einen Monat später.  
 
3.2. Gemäss Art. 231 Abs. 1 StPO entscheidet das erstinstanzliche Gericht mit dem Urteil, ob eine verurteilte Person (zur Sicherung des Straf- oder Massnahmenvollzugs bzw. im Hinblick auf das Berufungsverfahren) in strafprozessuale Haft zu setzen oder zu behalten ist. Wird die inhaftierte beschuldigte Person (ganz oder teilweise) freigesprochen und verfügt das erstinstanzliche Gericht deren Freilassung, so kann die Staatsanwaltschaft beim erstinstanzlichen Gericht zu Handen der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts die Fortsetzung der strafprozessualen Haft beantragen. In diesem Fall bleibt die betreffende Person bis zum Entscheid der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts in Haft. Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts entscheidet über den Antrag der Staatsanwaltschaft innert 5 Tagen seit Antragstellung (Art. 231 Abs. 2 StPO).  
 
3.3. Das Gesetz sieht keine Frist vor, innert welcher der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Haft gestellt werden muss. Zu beachten ist jedoch, dass die inhaftierte Person grundsätzlich einen Anspruch auf raschestmögliche richterliche Haftprüfung hat. Aus diesem Grund hat der Haftfortsetzungsantrag der Staatsanwaltschaft im Sinne einer Sofortmassnahme in der Regel unmittelbar nach der Urteilseröffnung zu erfolgen. Für den Fall eines Freispruchs kann der Antrag vorsorglich auch schon in den schriftlichen Anträgen nach Art. 337 Abs. 1 StPO gestellt werden (vgl. FRANZ RIKLIN, Orell Füssli Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 231 StPO; MARC FORSTER, in: Basler Kommentar StPO/JStPO, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 231 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl. 2018, N. 10 zu Art. 231 StPO).  
 
3.4. Die Staatsanwaltschaft hat vorliegend nachvollziehbar aufgezeigt, weshalb sie ihren vom Amtsgericht abgelehnten Antrag auf Fortsetzung der Sicherheitshaft nicht unmittelbar nach der Urteilseröffnung am 13. März 2020 erneut gestellt, sondern bis zum 16. April 2020 zugewartet hat. Ihre Begründung, wonach sie den Bericht des Amts für Justizvollzug vom 9. April 2020 zur Umsetzbarkeit des vom Amtsgericht angeordneten ambulanten Settings habe abwarten wollen, leuchtet ein. Schliesslich befand sich die Beschwerdeführerin aufgrund der nicht angefochtenen Anordnung des Amtsgerichts (Ziff. 5 des Urteils vom 13. März 2020; vgl. vorne lit. A) ohnehin noch bis zum 13. Mai 2020 in Haft, weshalb ihr aus dem nicht unverzüglich gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die raschestmögliche Haftprüfung auch kein Nachteil erwachsen ist. Die Rüge ist folglich unbegründet.  
 
4.  
Zu prüfen bleiben die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Haft. 
 
4.1. Gemäss Art. 221 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft unter anderem zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (Abs. 1 lit. c). An ihrer Stelle sind Ersatzmassnahmen anzuordnen, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 237 ff. StPO).  
Die Annahme von Wiederholungsgefahr setzt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung Verbrechen oder schwere Vergehen als Vortaten voraus; sodann müssen Verbrechen oder schwere Vergehen drohen, welche die Sicherheit anderer erheblich gefährden und die Tatwiederholung muss ernsthaft zu befürchten sein. Im Vordergrund stehen insoweit Delikte gegen die körperliche und sexuelle Integrität. Betreffend die Anforderungen an die Rückfallgefahr besteht eine umgekehrte Proportionalität: Je schwerer die drohenden Taten sind und je höher die Gefährdung der Sicherheit anderer ist, desto geringere Anforderungen sind an die Rückfallgefahr zu stellen. Liegen die Tatschwere und die Sicherheitsrelevanz am oberen Ende der Skala, ist die Messlatte zur Annahme einer rechtserheblichen Rückfallgefahr tiefer anzusetzen. Zugleich ist daran festzuhalten, dass der Haftgrund der Wiederholungsgefahr restriktiv zu handhaben ist. Hieraus folgt, dass eine negative, d.h. eine ungünstige Rückfallprognose zur Annahme von Wiederholungsgefahr notwendig, grundsätzlich aber auch ausreichend ist. Besonders bei drohenden schweren Gewaltverbrechen ist dabei auch dem psychischen Zustand der verdächtigen bzw. verurteilten Person bzw. ihrer Unberechenbarkeit oder Aggressivität Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen: BGE 143 IV 9; Urteil 1B_569/2018 vom 28. Januar 2019 E. 4.2 mit Hinweisen). 
 
4.2. Die Beschwerdeführerin stellt den dringenden Tatverdacht grundsätzlich nicht in Frage. Ebenso bestreitet sie nicht, dass eine Anlasstat und bei einer unbehandelten schweren psychischen Krankheit generell Wiederholungsgefahr vorliegt. Sie ist aber der Ansicht, aufgrund ihrer medikamentösen Behandlung seit Oktober 2018, insbesondere der erfolgreichen Depotmedikation seit dem 5. September 2019, könne die Rückfallgefahr nicht mehr als erhöht bzw. sehr ungünstig qualifiziert werden. Zusammen mit den vom Amtsgericht angeordneten und sofort einsatzbereiten Ersatzmassnahmen könne das Rückfallrisiko praktisch gegen Null reduziert werden.  
 
4.3. Die Vorinstanz erwog demgegenüber, bei der Beschwerdeführerin bestehe aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung nach wie vor die Gefahr, sie werde erneut schwere Delikte begehen. Sie zeigte unter Bezugnahme auf das Hauptgutachten und die beiden Ergänzungsgutachten von Dr. Hagen auf, weshalb die medikamentöse Behandlung der Beschwerdeführerin alleine nicht ausreiche, um der Wiederholungsgefahr zu begegnen. Stattdessen benötige die Beschwerdeführerin gemäss der fachlichen Einschätzung des Gutachters vor allem auch Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltages, um das Rückfallrisiko längerfristig zu reduzieren. Dazu seien insbesondere ein wachsames Umfeld, eine Tagesstruktur, eine Psychiatriespitex und eine Psychoedukationsgruppe wichtig. Da die notwendige Unterstützung der Beschwerdeführerin zurzeit aber (noch) nicht möglich sei, müsse von Wiederholungsgefahr ausgegangen werden.  
 
4.4. Diese Beurteilung der Vorinstanz erscheint nachvollziehbar. Es ist aufgrund der seit vielen Jahren vorhandenen, schweren psychischen Störung der Beschwerdeführerin von einer ungünstigen Rückfallprognose auszugehen. Daran ändert auch die Depotmedikation, welche die Rückfallgefahr zu einem gewissen Grad reduzieren kann, nichts. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die Depotmedikation bisher noch nicht in Freiheit unter zunehmender Belastung erprobt wurde. Diesbezüglich ist es gemäss den Ausführungen des Gutachters anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. März 2020 auch möglich, dass die schnell reizbare Beschwerdeführerin bei einer sofortigen Haftentlassung in ein stressigeres Umfeld mit vielen neuen Reizen, von welchen sie die letzten Monate stark abgeschirmt wurde, trotz der Medikation wieder (Wahn-) Symptome entwickeln könnte. Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin in einer Wahnvorstellung erneut schwere Gewaltdelikte wie die ihr vorgeworfene Tat vom 8. Juli 2018 begehen könnte. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin bereits einschlägig vorbestraft ist und gemäss dem Gutachter eine deutliche Progredienz in der Schwere der Gewalttätigkeit feststellbar sei. Eine Pharmakotherapie allein ist vorliegend mithin nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu bannen.  
Weiter ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin nicht überzeugend, wonach die angeblich sofort umsetzbaren Ersatzmassnahmen wie z.B. die Etablierung einer Tagesstruktur bei ihren Eltern, zu welchen sie eine positive und unterstützende Beziehung habe, das Rückfallrisiko praktisch auf Null reduzieren würden. Es leuchtet ein, wenn die Vorinstanz u.a. in Übereinstimmung mit dem forensisch-psychiatrischen Dienst Bern festhielt, die Wohnsitznahme bei den Eltern könne die 30-jährige Beschwerdeführerin nicht von weiteren Delikten abhalten, da dadurch keine ausreichende Tagesstruktur gewährleistet würde, zumal zur Reduktion der Rückfallgefahr weitere massgeschneiderte Betreuungs- und Sicherheitsmassnahmen erforderlich seien. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind diese jedoch gegenwärtig nicht sofort umsetzbar, da es derzeit insbesondere an einem geeigneten (betreuten) Wohnsetting für die Beschwerdeführerin mangelt (vgl. E. 5 hiernach). Zum jetzigen Zeitpunkt ist daher davon auszugehen, dass die Wiederholungsgefahr einzig durch die Fortsetzung der Sicherheitshaft hinreichend gebannt werden kann. Angesichts dessen verletzt es nicht Bundesrecht, wenn die Vorinstanz Wiederholungsgefahr bejaht hat. 
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerdeführerin rügt weiter, angesichts des bloss geringen Restrisikos eines Rückfalls erweise sich die Aufrechterhaltung der Sicherheitshaft für die Dauer des Berufungsverfahrens als unverhältnismässig. Ihre Unterbringung als behandelbare Schuldunfähige in einem Gefängnis sei nur mit dem materiellen Recht vereinbar, solange es sich um eine kurzfristige Überbrückung einer Notsituation handle. Sie befinde sich nunmehr aber seit zwei Jahren in Einzelhaft, was rechtswidrig sei.  
 
5.2. Das Bundesgericht hat zur Zulässigkeit der Unterbringung eines rechtskräftig verurteilten Massnahmeunterworfenen in einer Straf- oder Haftanstalt festgehalten, diese sei als kurzfristige Überbrückung einer Notsituation mit materiellem Bundesrecht vereinbar. Mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR führte das Bundesgericht weiter aus, ein übergangsweiser Aufenthalt in einer Straf- oder Haftanstalt sei zulässig, solange dies erforderlich sei, um eine geeignete Einrichtung zu finden. Bei der Beurteilung werde insbesondere die Intensität der behördlichen Bemühungen für eine geeignete Platzierung berücksichtigt. Verstreiche indes infolge bekannter Kapazitätsschwierigkeiten längere Zeit, verstosse die Unterbringung in einer Strafanstalt unter Umständen gegen Art. 5 EMRK (Urteil des EGMR  Papillo gegen Schweiz vom 27. Januar 2015 [requête n°43368/08], § 41; BGE 142 IV 105 E. 5.8.1 S. 115 f.; Urteil 6B_1320/2019 vom 29. Januar 2020 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
5.3. Vorliegend ist die Beschwerdeführerin noch nicht rechtskräftig zu einer (stationären) Massnahme verurteilt worden, weshalb die erwähnte Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf den hier vorliegenden Fall angewandt werden kann. Dennoch stellt sich die Frage, ob die bereits lang andauernde Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft der Beschwerdeführerin noch verhältnismässig ist, zumal grundsätzlich unbestritten ist, dass das Untersuchungsgefängnis keine geeignete Einrichtung für die psychisch kranke Beschwerdeführerin darstellt. Wie dem angefochtenen Entscheid entnommen werden kann, ist sich dessen auch die Vorinstanz bewusst, welche das Amt für Justizvollzug aufgefordert hat, baldmöglichst konkrete Alternativen zur jetzigen Unterbringung im Untersuchungsgefängnis zu prüfen und die Beschwerdeführerin zeitnah zum weiteren Vollzug der Sicherheitshaft in eine hierfür geeignete forensisch psychiatrische Anstalt zu verlegen oder eine geeignete betreute Wohnform zu suchen (vgl. Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids).  
Selbst wenn es bisher nicht gelungen ist, die Beschwerdeführerin in eine geeignete Institution zu verlegen, hat dies nicht automatisch zur Folge, dass die Inhaftierung wie von der Beschwerdeführerin behauptet gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK verstösst. Vielmehr ist den Bemühungen der Behörden, eine geeignete Unterbringung zu finden, Rechnung zu tragen: Wie sich aus den Akten ergibt, bemühen sich die Vollzugsbehörden intensiv darum, eine geeignete Einrichtung für die Beschwerdeführerin zu finden. Sodann ist bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der andauernden Haft auch zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin nicht ununterbrochen seit dem 8. Ju li 2018 im Untersuchungsgefängnis befindet. So wurde sie vom 12. bis zum 19. Juli 2018 in die Psychiatrische Klinik Münsterlingen verlegt, bevor sie danach bis zum 31. Juli 2018 wieder im Untersuchungsgefängnis in Solothurn war. Nach einem Aufenthalt zur Krisenintervention in der Forensisch-Psychiatrischen Station Etoine (Bern) vom 31. Juli 2018 bis zum 17. Oktober 2018 befand sie sich anschliessend bis zum 7. April 2019 wieder im Untersuchungsgefängnis, bevor sie vom 8. April 2019 bis zum 29. Juli 2019 im Rahmen eines vorzeitigen stationären Massnahmenvollzugs in die forensische Abteilung der Klinik Beverin in Graubünden wechseln konnte. Nachdem die Klinik Beverin dringend um Verlegung der Beschwerdeführerin ersucht hatte, da bei der Beschwerdeführerin kein Störungsbewusstsein vorliege, sie seit ihrem Eintritt alle medikamentösen Anpassungen abgelehnt habe und sich ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einem Sicherheitsdienstmitarbeiter ereignet habe, wurde die Beschwerdeführerin am 29. Juli 2019 zurück ins Untersuchungsgefängnis verlegt, wo sie sich seither befindet. 
 
5.4. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin sind schliesslich zurzeit keine milderen Ersatzmassnahmen sofort umsetzbar. Wie bereits erwähnt (vgl. E. 4.4 hiervor), würde ein Umzug zu den Eltern die notwendige Tagesstruktur nicht sicherstellen können. Dies gilt umso mehr, als ein solcher Wohnsitz sowohl vom Amt für Justizvollzug als auch vom forensisch-psychiatrischen Dienst Bern für problembehaftet und nicht deliktprotektiv und der Aufenthalt in einem spezialisierten Wohnheim für unerlässlich erachtet wird. Die fehlende Tagesstruktur kann überdies auch nicht durch eine "Mitarbeit als kaufmännische Angestellte" in der Administration der Stiftung Buechehof gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Institution nicht über ausreichend Erfahrung mit schwer psychisch kranken, massnahmebedürftigen Personen verfüge, sondern deren Kernkompetenz in der Betreuung und Beschäftigung von Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen liege. Folglich fehlt es derzeit an der Umsetzbarkeit mindestens zweier der vom Gutachter als notwendig erachteten Ersatzmassnahmen, damit die Wiederholungsgefahr auf ein vernünftiges Mass herabgesetzt und die Beschwerdeführerin aus der Haft entlassen werden könnte. Insofern kann offenbleiben, wie es um die Realisierung einer weiteren Ersatzmassnahme, nämlich der Psychoedukationsgruppe steht. Nach dem Gesagten kommen gegenwärtig jedenfalls keine Ersatzmassnahmen anstelle der Haft in Frage und das angestrebte Ziel, nämlich die Beschwerdeführerin von der Verübung weiterer Delikte abzuhalten, kann derzeit nicht mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff als der Fortdauer der Sicherheitshaft erreicht werden.  
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren die Anordnung einer stationären Massnahme beantragt. Eine solche kann (aufgrund der vorliegenden Akten) jedenfalls nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden. Dies spricht vorliegend ebenfalls für die Verhältnismässigkeit der Fortsetzung der Sicherheitshaft, kann doch der gesamte Vollzug der allfälligen stationären Massnahme deutlich länger dauern als die bisherige strafprozessuale Haft (vgl. Art. 59 Abs. 4 StGB; BGE 144 IV 113 E. 4.1 S. 116 mit Hinweisen). 
 
5.5. Unter diesen Umständen verletzt die Fortsetzung der Sicherheitshaft und damit der Verbleib der Beschwerdeführerin im Untersuchungsgefängnis für die Dauer des Berufungsverfahrens bzw. bis zur Aufnahme in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer betreuten Wohnform zurzeit noch kein Bundes- bzw. Konventionsrecht. Abschliessend weist das Bundesgericht das Amt für Justizvollzug aber darauf hin, dass nun möglichst bald eine Lösung zu präsentieren ist und die Beschwerdeführerin in naher Zukunft verlegt werden muss, zumal es der Beschwerdeführerin unbenommen bleibt, sich gegen die Fortdauer der Unterbringung im Gefängnis erneut gerichtlich zur Wehr zu setzen.  
 
6.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Es sind keine Kosten zu erheben. Ihrem Rechtsvertreter ist eine Entschädigung 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Winiger, wird eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Juni 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier