Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_1068/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Februar 2016  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 21. Oktober 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1993), serbischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Juli 2004 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein. In der Folge wurde ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt.  
 
1.2. Nach zwei Jugendstrafen im Jahr 2008 wegen Diebstahls (persönliche Leistung von einem Tag) und Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz (Verweis) sprach die Jugendanwaltschaft Limmattal/Albis A.________ am 2. Februar 2010 der einfachen Körperverletzung schuldig und verpflichtete ihn zu einer persönlichen Leistung von sechs Tagen. Am 15. April 2011 sprach ihn die Jugendanwaltschaft Limmattal/Albis des Angriffs schuldig und verpflichtete ihn zu einer persönlichen Leistung von 15 Tagen, aufgeschoben im Umfang von 10 Tagen bei einer Probezeit von 12 Monaten; zusätzlich ordnete sie eine persönliche Betreuung an.  
Am 4. Juni 2014 verurteilte das Bezirksgericht Baden A.________ wegen Raubs, begangen am 9. August 2013, zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, bedingt aufgeschoben im Umfang von 21 Monaten bei einer Probezeit von vier Jahren. Das Ende des vollziehbaren Teils der Strafe fiel auf den 15. Oktober 2015. 
 
1.3. Am 10. Februar 2015 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung und wies A.________ aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 5. Mai 2015; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Oktober 2015).  
 
1.4. A.________ erhebt am 27. November 2015 Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihm die Niederlassungsbewilligung zu belassen; eventuell sei die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung an eine Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung mit seinem Rechtsvertreter. Am 30. November 2015 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt worden.  
 
2.   
Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, so dass sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung zu erledigen ist. 
 
2.1. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers haben die Vorinstanzen das rechtliche Gehör nicht verletzt. Die unzutreffende Sachverhaltsfeststellung des Migrationsamts, wonach die verfahrensauslösende Freiheitsstrafe nur im Umfang von 9 (anstatt 21) Monaten aufgeschoben worden sei, wurde bereits von der Sicherheitsdirektion korrigiert. Sowohl die Sicherheitsdirektion als auch die Vorinstanz haben ihrer Beurteilung des migrationsrechtlichen Verschuldens den korrekten Sachverhalt zugrunde gelegt.  
 
2.2. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20) i.V.m. Art. 62 lit. b AuG erfüllt. Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit der Massnahme im Sinn von Art. 96 Abs. 1 AuG und allenfalls Art. 8 Ziff. 2 EMRK (vgl. E. 2.2.2).  
 
2.2.1. Die Vorinstanz hat richtig erwogen, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK berufen kann. Das Verhältnis volljähriger Kinder zu ihren Eltern fällt nur in diesen Schutzbereich, wenn eine besondere Abhängigkeit besteht, welche über die normalen affektiven Bindungen hinausgeht (BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159). Dass der Beschwerdeführer auch als Volljähriger noch bei seinen Eltern lebt und von diesen finanziell unterstützt wird, stellt keine Abhängigkeit im Sinn dieser Rechtsprechung dar (vgl. Urteil 2C_147/2014 vom 26. September 2014 E. 5.4).  
 
2.2.2. Fraglich ist, ob sich der Beschwerdeführer auf das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK enthaltene Recht auf Achtung des Privatlebens berufen kann. Diesem Recht kommt eine Auffangfunktion zu, wenn qualifizierte Familienbande nicht oder nicht mehr bestehen (BGE 126 II 377 E. 2c/aa S. 384). Eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration genügen nicht, um den Schutzbereich zu bejahen; erforderlich sind besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (Urteile 2C_536/2013 vom 30. Dezember 2013 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 140 II 129; 2C_725/2014 vom 23. Januar 2015 E. 3.2; BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286).  
Die Frage des Schutzbereichs kann indessen offen bleiben, da ein allfälliger Anspruch in Anwendung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK ebenso zu verneinen wäre wie in Anwendung von Art. 96 Abs. 1 AuG. 
 
2.3. Ausgangspunkt für das migrationsrechtliche Verschulden ist die vom Strafgericht ausgesprochene Strafe (BGE 134 II 10 E. 4.2 S. 23; 129 II 215 E. 3.1 S. 216). Eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten indiziert ein erhebliches migrationsrechtliches Verschulden: Dieses Strafmass liegt weit über der Grenze von einem Jahr, welche für die Möglichkeit des Widerrufs massgeblich ist (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.1 S. 147). Mit dem Raub hat der Beschwerdeführer eine beträchtliche kriminelle Energie offenbart: Zusammen mit einem Komplizen plante er den Überfall auf ein Verkaufsgeschäft und spielte bei der Ausführung der Tat eine aktive Rolle. Während sein Komplize als Aufpasser fungierte, lauerte er, halb vermummt, am 9. August 2013 um 22.10 Uhr einer Angestellten auf, als diese das Verkaufsgeschäft verlassen wollte. Er stiess das Opfer gewaltsam in das Geschäft zurück, worauf es zu Boden fiel. Mit einem Messer, dessen Klinge ca. 10 cm lang war, zwang er die Angestellte, den Tresor zu öffnen, und nahm Bargeld, Lose und Gutscheine im Gesamtwert von ca. Fr. 13'173.00 an sich. Daraufhin flüchteten er und sein Komplize an einen zuvor vereinbarten Treffpunkt.  
Die Vorinstanz hat zu Recht erwogen, dass diese Tat nicht mehr der Kleinkriminalität zugeordnet werden kann. Daraus, dass er das verfahrensauslösende Delikt als junger Erwachsener begangen hat, kann der Beschwerdeführer nichts für sich ableiten. Die Schwere seiner Taten nahm zu, obwohl ihm schon anlässlich der Jugendstrafen mehrere Chancen in Form von persönlicher Betreuung und teilweise bedingtem Strafvollzug geboten worden war. Dennoch fuhr der Beschwerdeführer mit der deliktischen Tätigkeit fort, wobei er mehrmals Gewalt gegen andere Menschen anwendete. Angesichts dieser Entwicklung ist auch das Rückfallrisiko real; bei schwerer Straffälligkeit muss selbst ein geringes Rückfallrisiko nicht hingenommen werden (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34). Zudem dürfen bei ausländischen Personen, die sich - wie der Beschwerdeführer - nicht auf das FZA (SR 0.142.112.681) berufen können, generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden (Urteil 2C_940/2014 vom 30. Mai 2015 E. 5.3). Sodann lässt sich aus dem klaglosen Verhalten des Beschwerdeführers im Strafvollzug nichts ableiten, wurde er doch dort engmaschig betreut. Auch nach der Entlassung stand er unter dem Eindruck des Widerrufsverfahrens; zudem war die vierjährige Probezeit im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch längst nicht abgelaufen. Die Vorinstanz hat das migrationsrechtliche Verschulden des Beschwerdeführers zu Recht als erheblich eingestuft und daraus ein entsprechend hohes öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts abgeleitet. 
 
2.4. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er hat zwei Berufslehren abgebrochen und war zeitweise arbeitslos. Das Interesse, in der Schweiz bleiben zu können, beruht einzig auf der - im Verhältnis zum Lebensalter - langen Aufenthaltsdauer von knapp elf Jahren (ohne Strafvollzug). Indessen hat der Beschwerdeführer die ersten zehn Lebensjahre in Serbien verbracht; er spricht Albanisch (die Stadt Presevo, wo er herkommt, ist zweisprachig) und kennt sein Herkunftsland, in dem auch seine Grosseltern noch leben, von zahlreichen Ferienaufenthalten. Eine Wiedereingliederung kann ihm, der jung und gesund ist, trotz einer gewissen Härte zugemutet werden.  
 
2.5. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich somit als verhältnismässig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beschwerdeführer nicht verwarnt wurde. Die Raubtat wiegt so schwer, dass er wissen musste, dass eine Verurteilung ausländerrechtlich nicht ohne Folgen bleiben würde (vgl. Urteil 2C_453/2015 vom 10. Dezember 2015 E. 5.3).  
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
 
3.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der unterliegende Beschwerdeführer gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG grundsätzlich kostenpflichtig; er hat indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG befreit das Bundesgericht eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Praxisgemäss sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 mit Hinweisen).  
In Anbetracht der Höhe der verfahrensauslösenden Freiheitsstrafe in Verbindung mit den übrigen Umständen waren dem Rechtsmittel keine realistischen Erfolgsaussichten beschieden. Die Beschwerde erweist sich damit als aussichtslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen und die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. 
 
3.2. Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2016 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner