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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.421/2005 /Rom 
 
Sitzung vom 23. März 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Geschworenengerichts des Kantons Zürich vom 5. April 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 29. Juli 2002 kam es im Restaurant Sunshine an der Zürcher Weststrasse zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf Y.________ von einem Pistolenschuss an der Schulter verletzt wurde. Am 23. September 2002 wurde X.________ als Tatverdächtiger in Haft genommen. Im Sommer 2003 gestand der sich immer noch in Untersuchungshaft befindende X.________, die Schüsse auf Y.________ abgegeben zu haben, machte aber Notwehr geltend. 
 
Gestützt auf dieses Teilgeständnis erhob die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich am 2. Oktober 2003 beim Obergericht des Kantons Zürich Anklage wegen versuchter vorsätzlicher Tötung in Überschreitung des Notwehrrechts (Art. 111 i.V.m Art. 22 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 1 und 2 StGB). Die auf Vorwürfen der Geschädigten basierende Untersuchung hinsichtlich der mehrfach versuchten vorsätzlichen Tötung wurde gleichentags eingestellt. Der von den Geschädigten gegen diese Einstellung erhobene Rekurs wurde am 8. April 2004 gutgeheissen. 
Am 28. Juni 2004 erhob die Staatsanwaltschaft beim Geschworenengericht des Kantons Zürich Anklage. Die Hauptanklage lautete auf mehrfach versuchte vorsätzliche Tötung, die Eventualanklage auf versuchte vorsätzliche Tötung in exzessiver Notwehr. Zusätzlich wurde X.________ wegen unerlaubten Erwerbs und Tragens von Waffen im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a des Waffengesetzes angeklagt. Die Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht fand vom 29. März bis zum 5. April 2005 statt. Während der Hauptverhandlung, am 31. März 2005, ergänzte die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift um den Vorwurf der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
 
X.________ blieb während des gesamten Verfahrens, vom 23. September 2002 bis zum 5. April 2005, inhaftiert. 
B. 
Mit Urteil vom 5. April 2005 sprach das Geschworenengericht X.________ von sämtlichen Tötungsvorwürfen frei. Der falschen Anschuldigung und der Widerhandlung gegen das Waffengesetz wurde X.________ schuldig gesprochen und mit 12 Monaten Gefängnis bestraft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde nicht aufgeschoben und eine im Jahr 2002 für Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von 42 Tagen widerrufen. Die gesamthaft ausgefällte Strafe von 407 Tagen wurde mit den bereits erstandenen 925 Tagen Freiheitsentzug verrechnet. Für die 518 Tage Überhaft erhielt X.________ Fr. 6'500.-- Schadenersatz und Fr. 30'000.-- Genugtuung. Als Folge der teilweisen Verurteilung wurde ihm ein Viertel der Verfahrenskosten im Umfang von rund Fr. 32'000.-- auferlegt und mit seiner Entschädigung verrechnet. 
C. 
Gegen das geschworenengerichtliche Urteil erhebt X.________ eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem verlangt er die unentgeltliche Prozessführung sowie die Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. 
Das Geschworenengericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten beide auf eine Stellungnahme. 
D. 
Mit Schreiben vom 23. November 2005 hat der Kassationshof dem Gesuch des Präsidenten des Zürcher Kassationsgerichts entsprochen, die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ausnahmsweise vor Erledigung des kantonalen Kassationsverfahrens zu behandeln. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Strafzumessung. Er habe eine rund 20-monatige Überhaft ausgestanden, was seine persönlichen Verhältnisse offenkundig nachhaltig geprägt habe. Ein derart schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit sei bei der Strafzumessung strafmindernd zu berücksichtigen. Die Überhaft sei im Umfang von mindestens 8 Monaten als Folge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die Justizbehörden zustande gekommen. Einerseits habe die Hauptverhandlung vor Geschworenengericht entgegen der in § 204 Abs. 1 StPO/ZH vorgesehenen 3-monatigen Frist erst 8 Monate nach der Anklagezulassung stattgefunden, was zu einem 5-monatigen Verzug geführt habe. Eine weitere 9-monatige Verzögerung sei dadurch entstanden, dass die Geschädigten eine erste Anklagezulassung vor Obergericht erfolgreich angefochten hätten. Angesichts des bescheidenen Schriftenwechsels sei dieser Entscheid zum Anklageinhalt unter einer Verletzung des Beschleunigungsgebots im Umfang von mindestens 3 Monaten zustande gekommen. Eine überlange Verfahrensdauer könne zur Strafminderung führen. Umso mehr habe dies für eine durch die Strafverfolgungsbehörden teilweise selbst zu verantwortende Haftüberlänge zu gelten. Der Strafminderung stünde auch nicht entgegen, dass die Überhaft mit Fr. 80.-- pro Tag entschädigt würde. Dieser Betrag habe rein symbolischen Entschuldigungscharakter. 
1.2 Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe innerhalb des anzuwendenden Strafrahmens nach dem Verschulden des Täters zu; er berücksichtigt dabei die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Der Umfang der Berücksichtigung verschiedener Strafzumessungsfaktoren liegt im Ermessen der kantonalen Behörde (BGE 127 IV 101 E. 2c; 124 IV 286 E. 4a). Der Kassationshof kann im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde in die Strafzumessung nur eingreifen, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wenn sie wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. (in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens) falsch gewichtet hat (BGE 129 IV 6 E. 6.1.). Auch das Verhalten des Staates kann ein bei der Strafzumessung zu berücksichtigender Faktor sein. Bei überlanger Verfahrensdauer etwa wird der Beschuldigte länger als notwendig den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt, was als unmittelbar persönlichkeitsrelevanter Umstand zumindest strafmindernd zu werten ist (BGE 131 IV 54, E. 3; 124 I 139 E. 2c; 117 IV 124 E. 4). 
1.3 Soweit der Beschwerdeführer verlangt, dass sich die Überhaft generell strafmindernd auszuwirken habe, geht seine Rüge fehl. Er verkennt nämlich, dass aus der untersuchungsrichterlichen Sicht ex ante ein vom Beschwerdeführer zu vertretender, haftbegründender Tatverdacht bestanden hatte. Daran ändert nichts, dass sich die Untersuchungshaft als Folge des Freispruchs im Nachhinein als ungerechtfertigt erwiesen hat. Es handelte sich insofern nicht um eine zum Vorneherein ungesetzliche sondern lediglich um ungerechtfertigte Haft (vgl. BGE 117 IV 209 E. 4). Der im Zusammenhang mit ungerechtfertigter Haft erlittene Vermögensschaden und die immaterielle Unbill werden nach kantonalem Prozessrecht finanziell entschädigt (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 722 und 1218 ff.). Eine darüber hinausgehende, generelle Strafminderungspflicht für die als Folge des teilweisen Freispruchs erstandene Überhaft besteht nicht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers gelten die in der Haft ausgestandenen Beeinträchtigungen durch die Entschädigung und Genugtuung als abgegolten. Hingegen könnte der Beschwerdeführer grundsätzlich die strafmindernde Berücksichtigung desjenigen Teils der Überhaft verlangen, welcher auf Verfahrensverzögerungen durch die Behörden zurückzuführen ist. Das ergibt sich ohne weiteres aus der strafmindernden Wirkung von Verfahrensverzögerungen. Die Strafminderung wird gewährt, weil der Betroffene über einen vom Staat zu verantwortenden überlangen Zeitraum hinweg den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt ist. Vom Staat zu verantwortende Verzögerungen wiegen umso schwerer, wenn der Betroffene in dieser Zeit inhaftiert ist. 
Eine solche Verfahrensverzögerung liegt aber offenkundig nicht vor. Zu Recht bezeichnet die Vorinstanz das Untersuchungsverfahren mit 10 Monaten Dauer als verhältnismässig zügig, und weder der Streit um den Anklageinhalt noch das geschworenengerichtliche Verfahren haben überlange gedauert. Daran ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers nichts, dass die Hauptverhandlung vor Geschworenengericht gemäss § 204 Abs. 1 StPO/ZH innert drei Monaten seit der Anklagezulassung stattzufinden habe. Es handelt sich hierbei um eine Ordnungsvorschrift, deren Einhaltung sich in der Praxis als nicht möglich erwiesen hat (Niklaus Schmid, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid (Hrsg.), Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996, § 204 N 1 ff.). Die Rüge ist deshalb abzuweisen. 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, im Rahmen der Strafzumessung hätte berücksichtigt werden müssen, dass die falsche Anschuldigung lediglich in Form eines untauglichen Versuchs begangen worden sei, was sich nach Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit 66 StGB strafmildernd auswirke. Ein Strafverfahren gegen den zu Unrecht Angeschuldigten sei nie eingeleitet worden. Anfänglich sei die falsche Anschuldigung sowohl von der Bezirks- als auch von der Staatsanwaltschaft als eine Notlüge qualifiziert worden. Erst nach Abschluss des geschworenengerichtlichen Verfahrens, als sich die Möglichkeit eines Freispruchs abzuzeichnen begonnen habe, sei dieser Vorwurf zum ersten Mal erhoben worden. 
2.2 Nach Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft, wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen. Ein untauglicher Versuch liegt nach Art. 23 Abs. 1 StGB vor, wenn das Mittel, womit jemand ein Verbrechen oder ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart ist, dass die Tat mit einem solchen Mittel oder an einem solchen Gegenstande überhaupt nicht ausgeführt werden könnte. 
 
Der Straftatbestand von Art. 303 StGB setzt keinen Taterfolg in Form einer auf die Falschanschuldigung hin tatsächlich eingeleiteten Untersuchung voraus. Es handelt sich insofern um ein verselbständigtes Versuchsdelikt (vgl. Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, AT I, 3. Auflage, Bern 2005, § 12 N 8). Zwar lässt eine derart spät erfolgte Anklageergänzung in der Tat vermuten, dass die Falschanschuldigungen in der Untersuchung von den Behörden nicht allzu ernst genommen wurden, doch darauf kommt es nach der genannten Strafnorm nicht an. Nach eigenem Geständnis bezichtigte der Beschwerdeführer wiederholt Konfliktbeteiligte einer Tat, die er selbst begangen hatte. Angesichts solcher Falschanschuldigungen kann von einem untauglichen Versuch keine Rede sein. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, die Untersuchungshaft sei unrichtig angerechnet worden. Der bis zur Hauptverhandlung andauernde Freiheitsentzug sei mit dem Vorwurf versuchter Tötung gerechtfertigt worden. Der Verstoss gegen das Waffengesetz und die falsche Anschuldigung seien in keinem Moment "kausal" für die erlittene Haft gewesen. Von den insgesamt 30 Monaten Haft hätten deshalb lediglich 8 Monate auf die ausgesprochene 12-monatige Strafe angerechnet werden dürfen. Der Beschwerdeführer dürfe nicht schlechter gestellt werden, als wenn er nur wegen der beiden verbliebenen Delikte angeklagt worden wäre. Es sei deshalb von einem hypothetischen Normalverfahren auszugehen, in dem er spätestens nach 8 Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen worden wäre. 
3.2 Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Rüge vorbringt, die zur Verurteilung gelangten Delikte seien für die Anordnung der Untersuchungshaft "nie kausal" gewesen, macht er sinngemäss eine Verletzung des Grundsatzes der Tatidentität im Sinne von Art. 69 StGB geltend. Nach diesem Grundsatz kann die Untersuchungshaft nur angerechnet werden, wenn die Tat, für welche eine Freiheitsstrafe ausgefällt wurde, mit der haftbegründenden Tat identisch ist (BGE 85 IV 11; 77 IV 6). An einer solchen Tatübereinstimmung fehlt es vorliegend. Die Untersuchungshaft wurde wegen Verdachts versuchter Tötung angeordnet. Der ausgefällten Freiheitsstrafe liegen eine Falschanschuldigung, unerlaubter Waffenbesitz und ein Widerruf zugrunde. 
3.2.1 Das Bundesgericht hat den Grundsatz der Tatidentität auch in der neueren Rechtsprechung nie ausdrücklich aufgegeben (Entscheid des Kassationshofs 6S.264/2002 vom 10. Oktober 2003, E. 2.3). Zur Begründung wurde in der älteren Rechtsprechung festgehalten, dass sich der Grundsatz der Identität der Tat aus der ratio legis von Art. 69 StGB ergebe. Die Untersuchungshaft könne nur insoweit angerechnet werden, als sie wegen einer Handlung ausgestanden worden sei, für die der Beschuldigte bestraft werde. Im Übrigen stehe für die nicht angerechnete Haft nur der Weg der Haftentschädigung offen (BGE 104 IV 6 E. 2, 85 IV 11, 77 IV 6). 
3.2.2 Diese Rechtsprechung zu Art. 69 StGB wurde kritisiert. Gerade in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen die haftbegründende Tat in einem Freispruch mündet, aber wegen einer anderen Tat eine Freiheitsstrafe ausgefällt wird, führt ein eng verstandenes Prinzip der Tatidentität dazu, dass die Freiheitsstrafe ohne Haftanrechnung vollzogen und die ausgestandene Untersuchungshaft finanziell kompensiert werden müssen. Gegen eine solche Lösung wurde eingewendet, dass sie für den Betroffenen unnötig belastend sei und aus Sicht des Staates zu einer finanziellen Doppelbelastung führe. Nebst der Entschädigung müsse der Staat nämlich auch für die Vollzugskosten aufkommen. Abgesehen von diesen praktischen sprächen aber auch prinzipielle Überlegungen für die Anrechnung: Entzogene Freiheit könne nicht zurückgegeben werden und sei deshalb zu entschädigen. Diese Haftentschädigung solle wenn immer möglich "in natura", also in Form der Verrechnung mit ausgefällten Freiheitsstrafen, erfolgen und erst an zweiter Stelle durch Geldersatz (Christoph Mettler, Basler Kommentar, StGB I, 2003, Art. 69 N. 41 f.; Martin Schubarth, Anrechnung von Untersuchungshaft auf eine ausgesprochene Strafe oder Entschädigung für ungerechtfertigte Untersuchungshaft?, ZStrR 1998, 112 f.). 
3.2.3 Nach Art. 69 StGB rechnet der Richter dem Verurteilten die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe an, soweit der Täter die Untersuchungshaft nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat. Der Gesetzeswortlaut gebietet somit weder eine Anrechnung nach dem Grundsatz der Tatidentität noch steht er einer Anrechnung an zu widerrufende Freiheitsstrafen entgegen (so bereits BGE 104 IV 6 E. 2). In Anlehnung an die ältere Lehre nahm das Bundesgericht aber bisher über den Wortlaut hinausgehend an, dass Untersuchungshaft und Strafe in einem über die Tat vermittelten sachlichen Zusammenhang stehen müssen, um verrechenbar zu sein (BGE 77 IV 6; 85 IV 11; 104 IV 6 E. 2; aus der Lehre statt vieler: Franz Nussli, Die Anrechnung der Untersuchungshaft im Schweizerischen Strafrecht, Diss. Fribourg 1954, S. 48). Diese Auffassung lässt sich nicht länger aufrecht erhalten. Im Rahmen von Art. 69 StGB wird ein strafprozessual motivierter mit dem zu Strafzwecken verhängten Freiheitsentzug verrechnet. Bei der Anrechnung wird somit grundsätzlich Unverrechenbares verrechenbar gemacht. Dieses methodische Dilemma glaubte man über die Anrechnungsvoraussetzung des Sachzusammenhangs zwischen haftbegründender und strafbegründender Tat abschwächen zu können. Wie die neuere Literatur überzeugend darlegt, kommt es auf eine solchen Sachzusammenhang aber nicht an. Erstens wirkt sich die Unterscheidung zwischen Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe auf den Betroffenen nicht aus. Aus seiner Sicht hat auch die Untersuchungshaft eindeutig Strafcharakter. Dogmatisch lässt sich die umfassende Anrechnung zweitens damit begründen, dass Untersuchungshaft erheblich in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (BGE 117 IV 404 E. 2a). Bei Vorliegen der strafprozessualen Voraussetzungen handelt es sich jedoch um einen rechtmässigen Eingriff des Staates zur Abklärung von Straftaten. Diesen hat der Beschuldigte trotz Unschuldsvermutung zu erdulden. Er wird für dieses Sonderopfer allerdings bei Einstellung oder Freispruch finanziell, bei Verurteilung in Form der Anrechnung entschädigt (vgl. Hans Dubs, Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe, ZBJV 76 (1960) 183 ff.; Sylva Fisnar, Ersatzanordnungen für Untersuchungshaft und Sicherheitshaft im zürcherischen Strafprozess, Diss. Zürich 1997, S. 143; Christoph Mettler, Basler Kommentar, StGB I, 2003, Art. 69 N. 1ff. Philippe Ruedin, Die Anrechnung der Untersuchungshaft nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, Diss. Zürich 1979, S. 73 f und 133 f.; Martin Schubarth, Die Rechte des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren, Bern 1973, S. 188 ff.; Stefan Trechsel, Schweiz. Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 69 N. 14 f.; Max Waiblinger, ZBJV 90 (1954) S. 448 f.; Geneviève Zirilli, Problèmes relatifs à la détention préventive, thèse Lausanne 1975, S. 138 ff.). Der Grundsatz umfassender Haftanrechnung liegt auch dem künftigen Art. 51 nStGB zugrunde (vgl. Änderung des Strafgesetzbuches vom 13. Dezember 2002, BBl 2002 8240 ff., 8255). 
3.2.4 Interpretiert man Art. 69 StGB in diesem Sinne als umfassende Anrechnungsregel, so kommt es auch nicht darauf an, ob die Untersuchungshaft auf neu auszufällende oder früher verhängte Freiheitsstrafen angerechnet wird. Im Vordergrund steht der Gedanke, zu entziehende wenn immer möglich mit bereits entzogener Freiheit zu kompensieren. Deshalb kann die Untersuchungshaft auch an die in einem früheren Urteil bedingt ausgefällte und nunmehr zu widerrufende Freiheitsstrafe angerechnet werden. Wegen des Gebots, Freiheitsentzug nach Möglichkeit 'in natura' zu kompensieren, entfällt auch die vom Beschwerdeführer verlangte, bloss teilweise Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe. Aus den genannten Gründen geht die Rüge der falschen Anrechnung fehl. Die vom Beschwerdeführer ausgestandene Untersuchungshaft durfte sowohl an die ausgefällte als auch an die widerrufene Freiheitsstrafe angerechnet werden. Seine Beschwerde ist insoweit abzuweisen. 
4. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Sein Begehren ist nicht von vornherein aussichtslos und seine Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Das Gesuch ist deshalb gutzuheissen (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner, wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Geschworenengericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. März 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: