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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_784/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. September 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Markus Bachmann, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Justiz- 
und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, 
vom 23. Juli 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Mit Verfügung vom 6. November 2014 lehnte das Amt für Migration des Kantons Luzern die Gesuche um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.A.________ (Brasilianerin; 1984) und ihrer Tochter B.A.________ (1999) ab. Die mit "A-Post-Plus" versandte Verfügung ging am 7. November 2014 beim Postfach des Rechtsvertreters der beiden ein. 
Dagegen erhoben A.A.________ und B.A.________ am 12. Dezember 2014 beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (JSD) Verwaltungsbeschwerde. Dieses trat wegen Nichteinhalten der Rechtsmittelfrist darauf nicht ein. Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern war erfolglos. 
 
2.  
 
 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen wird, soweit darauf eingetreten werden kann. Nicht Streitgegenstand sind die Fragen rund um die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerinnen; darauf ist nicht näher einzugehen. 
 
2.1. Strittig ist, ob die Beschwerdeführerinnen rechtzeitig Verwaltungsbeschwerde an das JSD erhoben haben. Nach § 130 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 (VRG; SR LU 40) beträgt die Rechtsmittelfrist, soweit - wie hier - das kantonale oder eidgenössische Recht nichts anderes vorschreibt, 30 Tage seit Eröffnung. Nach § 112 Abs. 1 VRG eröffnet die Behörde den Parteien den Entscheid schriftlich durch Zustellung einer Ausfertigung. Ist der Entscheid zugestellt, ist er eröffnet; insofern stellt sich die Frage, wann ein Entscheid zugestellt ist. Nach § 31 Abs. 1 VRG beginnen Fristen, die durch eine behördliche Mitteilung ausgelöst werden, mit der massgebenden Eröffnung zu laufen (§§ 28, 30, 112, 113).  
Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis erfolgt die fristauslösende Zustellung einer uneingeschriebenen Sendung (A- oder B-Post) bereits dadurch, dass sie in den Briefkasten oder in das Postfach des Adressaten gelegt wird und sich damit in dessen Verfügungsbereich befindet. Nicht erforderlich ist für die Zustellung einer Sendung, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt; es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen kann. "A-Post-Plus" Sendungen entsprechen grundsätzlich A-Post Sendungen. Im Unterschied zu diesen sind sie mit einer Nummer versehen, welche die elektronische Sendungsverfolgung im Internet ("Track & Trace") ermöglicht. Daraus ist u.a. ersichtlich, wann dem Empfänger die Sendung durch die Post zugestellt wurde. Insofern stellt diese Art von Sendung eine Möglichkeit dar, zu beweisen, dass die Post zugestellt worden ist. Das Bundesgericht hat sich bereits verschiedentlich zu dieser Art von Zustellung geäussert (in Bezug auf das AuG 2C_1126/2014 vom 20. Februar 2015 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen). 
 
2.2. Nach der unbestrittenen Feststellung der Vorinstanz ist die Verfügung am 7. November 2014 beim Postfach des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerinnen eingegangen. Die 30-tägige Rekursfrist begann nach § 31 Abs. 2 VRG am Tag nach der Eröffnung zu laufen und endete demnach am Montag 8. Dezember 2014. Die am 12. Dezember 2014 erhobene Beschwerde beim JSD ist offensichtlich zu spät. Das JSD ist deshalb - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - ohne in Willkür zu verfallen zu Recht nicht auf die Beschwerde eingetreten und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hat deshalb ebenfalls zu Recht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.  
Damit nimmt die verfügende Behörde nicht in rechtsungleicher Weise Einfluss auf die Dauer der Rechtsmittelfrist, denn die Rechtsmittelfrist ist bei jeder Zustellform gleich lang. Sie wird stets dann ausgelöst, wenn die Sendung in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt und dieser vom Inhalt der Sendung Kenntnis nehmen kann. Bei einem Einschreiben ist dies im Moment der Abholung am Schalter, bei einer nicht eingeschriebenen Sendung bereits bei der Zustellung in das jederzeit zugängliche Postfach der Fall. Durch die blosse Avisierung eines Einschreibens hat dessen Empfänger keinen nennenswerten Vorteil, kennt er doch zu diesem Zeitpunkt weder den Inhalt noch die Motivation des an ihn adressierten Entscheids (Urteil 2C_1126/2014 vom 20. Februar 2015 E. 2.4). Insofern liegt auch keine Ungleichbehandlung vor. Abwegig ist die Behauptung, die bundesgerichtliche Rechtsprechung widerspreche Art. 23 und Art. 58 BGG. Dass die StPO und die ZPO eine spezielle Zustellform vorschreiben, vermag an diesem Entscheid nichts zu ändern. Der Gesetzgeber kann in jedem Erlass eine spezielle Zustellform vorsehen. Für alles weitere kann auf den vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
3.  
 
 Bei diesem Verfahrensausgang ist das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen gegenstandslos. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftung auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. September 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass