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[AZA 0/2] 
1P.712/2000/err 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
26. Januar 2001 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, 
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter 
Nay, Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiber Störi. 
 
--------- 
 
In Sachen 
L.S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Adolf Spörri, Zollikerstrasse 4, Postfach, Zürich, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Kassationsgericht des Kantons Zürich, 
 
betreffend 
Art. 9 BV (Strafverfahren), hat sich ergeben: 
 
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte L.S.________ am 20. März 1998, hauptsächlich wegen des Verkaufs von mehreren Kilo Heroin, zu 7 1/2 Jahren Zuchthaus und 12 Jahren Landesverweisung. Das Obergericht bestätigte mit Urteil vom 11. Mai 1999 die Verurteilung im Strafpunkt, wich bei der rechtlichen Würdigung der Taten jedoch teilweise von der erstinstanzlichen Rechtsauffassung ab. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die von L.S.________ gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde am 30. September 2000 ab. 
 
 
 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. November 2000 wegen Verletzung von Art. 4 aBV bzw. Art. 8, 9 und 29 BV beantragt L.S.________, das Urteil des Kassationsgerichts aufzuheben. Er ersucht zudem, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen und ihm unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
 
Staatsanwaltschaft und Kassationsgericht verzichten auf Vernehmlassung. 
 
Am 14. Dezember 2000 erkannte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Beim angefochtenen Urteil des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend zu machen. 
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Kassationsgericht eine willkürliche Anwendung der kantonalen Prozessordnung, eine Verletzung von Art. 8 und 29 BV sowie sinngemäss von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK vor, weil er verschiedenen Konfrontationen mit Mitangeschuldigten nicht unmittelbar, sondern bloss im Nebenzimmer hinter einem für ihn durchlässigen Einwegspiegel habe beiwohnen können. 
 
a) Die Bezirksanwaltschaft Zürich führte am 17. August 1995 zwischen den Mitangeschuldigten W.________, B.S.________ und dem Beschwerdeführer eine Konfrontationseinvernahme durch. Dabei wurde gemäss Protokoll wie folgt verfahren: 
 
 
"Die Einvernahme wird in einem speziell eingerichteten 
Doppelzimmer durchgeführt, welches mit einer 
Wand, beinhaltend einen grossflächigen venezianischen 
Spiegel unterteilt wird. Während die Angeschuldigte 
W.________ im rechten Zimmer befragt 
wird, sitzen die beiden Angeschuldigten 
B.S.________ und L.S.________ im linken, dunkel 
gehaltenen Zimmer vor dem akustisch durchlässigen 
Spiegel, sodass sie nicht nur über eine ungehinderte 
Sicht zur Angeschuldigten W.________ und dem 
einvernehmenden Bezirksanwalt verfügen, sondern die 
Einvernahme auch ohne technische Hilfsmittel direkt 
mithören. Zusätzlich erlaubt eine Gegensprechanlage 
ein ungehindertes Zuhören. Zudem wird die Verbindungstüre 
zwischen den beiden Zimmern offen gehalten. 
Den Verteidigern, welche sich mit dieser Einvernahmeordnung 
ausdrücklich einverstanden erklärt 
haben, ist es freigestellt, sich zwischen den beiden 
Zimmern frei zu bewegen. Sie nehmen im Einvernahmezimmer 
Platz.. " 
 
Am 4. September 1995 fand eine weitere Konfrontationseinvernahme dieser drei Personen statt, wobei wiederum in der gleichen Weise verfahren wurde. Ausser der Mitangeschuldigten W.________ wurden weitere Zeugen und Auskunftspersonen, die den Beschwerdeführer belasteten, mit diesem in der erwähnten Weise konfrontiert. 
 
b) Aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK ergibt sich das Recht des Angeschuldigten, unabhängig von der Ausgestaltung des Prozessrechtes mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu erhalten, der Einvernahme der Belastungszeugen beizuwohnen und ihnen Ergänzungsfragen zu stellen oder stellen zu lassen; kann er dem Verhör nicht beiwohnen, hat er das Recht, nach Einsicht in das Einvernahmeprotokoll schriftlich Ergänzungsfragen zu stellen. Der Begriff des Zeugen wird vom Gerichtshof unabhängig vom nationalen Recht ausgelegt; als Zeugenaussagen im Sinne dieser Bestimmung gelten danach grundsätzlich alle Aussagen, die vom Gericht verwendet werden können (BGE 125 I 127 E. 6 mit Hinweisen). 
 
c) Nach dem Gesagten steht ausser Frage, dass es sich bei den den Beschwerdeführer belastenden Aussagen um Zeugenaussagen im Sinne von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK handelt, gleichgültig darum, ob die aussagenden Personen nach Zürcher Prozessrecht den Status eines Zeugen (§§ 128 ff. 
StPO) oder einer Auskunftsperson (§ 149a f. StPO) hatten. 
Dem Beschwerdeführer standen somit die konventionsrechtlichen Teilnahmerechte an deren Einvernahme zu. Auf diese Rechte kann der Angeschuldigte indessen ausdrücklich oder stillschweigend verzichten (BGE 105 Ia 396 E. 3b). 
 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sich sein damaliger Verteidiger mit der Durchführung der Konfrontationseinvernahmen in der beschriebenen Weise im Spiegelzimmer ausdrücklich einverstanden erklärt hat, macht aber geltend, dieser habe damit seine Befugnisse überschritten. 
Er behauptet indessen nicht, sich gegen das Vorgehen bei der Einvernahme ausgesprochen zu haben. Die Durchführung von Strafprozessen würde faktisch verunmöglicht, wenn ein Angeschuldigter prozessuale Zugeständnisse seines Vertreters im Nachhinein mit der blossen Behauptung widerrufen könnte, sie hätten nicht seinem Willen entsprochen. Der Beschwerdeführer muss daher das von seinem damaligen Verteidiger gegebene Einverständnis, die Konfrontationen in der beschriebenen Weise durchzuführen, gegen sich gelten lassen. Dass er von seinem damaligen Rechtsanwalt nicht gehörig verteidigt worden sei und er daher kein faires Verfahren gehabt habe (vgl. 
dazu BGE 126 I 194), legt er nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar, weshalb darauf nicht einzutreten ist. 
 
Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, inwiefern das Einverständnis seines Verteidigers zu diesem Vorgehen dem Beschwerdeführer objektiv geschadet haben könnte, wurden doch dabei seine Verteidigungsrechte weitestgehend gewahrt, indem er die Einvernahme der Belastungszeugen bzw. Auskunftspersonen durch den Einwegspiegel direkt verfolgen und jederzeit, auch ohne technische Hilfsmittel, Ergänzungsfragen stellen konnte. Die Mitangeschuldigte W.________, die der Beschwerdeführer selbst als "Kronzeugin" bezeichnet, womit er wohl sagen will, dass seine Verurteilung vorab auf ihren Aussagen beruht, wurde zudem am 16. Dezember 1996 nochmals einvernommen, wobei der Beschwerdeführer diesmal der Einvernahme im gleichen Zimmer folgen konnte. Die Teilnahme an einer weiteren Einvernahme dieser Auskunftsperson verweigerte der Beschwerdeführer. 
 
d) Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge, durch das von der Bezirksanwaltschaft Zürich gewählte Vorgehen für die Durchführung der Konfrontationseinvernahmen seien verfassungs- und konventionsrechtlich garantierte Teilnahmerechte am Beweisverfahren verletzt worden, ist daher schon deshalb unbegründet, weil sich sein damaliger Verteidiger mit diesem Vorgehen einverstanden erklärte und er sich diese prozessuale Erklärung entgegenhalten lassen muss. Es kann daher offen bleiben, ob dieses Vorgehen, das seine Teilnahme am Verhör der Zeugen und Auskunftspersonen nur unwesentlich einschränkte, Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK oder § 14 StPO überhaupt verletzte. 
 
3.- Die Beschwerde ist damit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches aber abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 152 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 26. Januar 2001 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: