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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.36/2006 /rom 
 
Urteil vom 27. Juni 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Zünd, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, Postfach 157, 4502 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Führerausweisentzug, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 29. März 2006. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Gegen X.________ läuft ein Verfahren betreffend Entzug des Führerausweises, mit dem sich das Bundesgericht bereits zweimal befasst hat (vgl. Urteile 6A.6/2005 vom 14. Februar 2005 und 6A.44/2005 vom 21. September 2005). Am 4. Oktober 2005 unterzog sich X.________ einer verkehrspsychologischen Abklärung am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRM). Die Expertin kam zum Schluss, dass die Fahreignung für die Kategorie D1 nicht und jene für die Kategorie B nur knapp gegeben sei. Bezüglich der Kategorie B sei eine verkehrsmedizinische Beurteilung angebracht. Eine solche wurde in der Folge durchgeführt, und darin kam eine andere Expertin unter Hinweis auf ein Gutachten aus dem Jahre 1998, worin bei X.________ eine Schizophrenie diagnostiziert worden war, zum Schluss, dass aus medizinischer Sicht die Fahreignung für die Kategorien B und D1 nicht befürwortet werden könne. Nachdem X.________ das rechtliche Gehör gewährt worden war, verfügte das Departement des Innern des Kantons Solothurn am 30. November 2005 einen Entzug des Führerausweises für alle Kategorien auf unbestimmte Zeit. Eine dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ wurde durch das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 29. März 2006 teilweise gutgeheissen und die Sache an die erste kantonale Instanz zurückgewiesen. Diese wurde verpflichtet, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, welches "die Fragen des Vorliegens einer psychiatrischen Erkrankung, insbesondere einer nicht behandelten Schizophrenie, und bei Bejahung einer solchen, deren Auswirkungen auf die Fahreignung von Motorfahrzeugen für die Kategorie B klären" müsse. Im Übrigen wurde die Beschwerde insbesondere in Bezug auf die Kategorie D1 abgewiesen. Die unentgeltliche Rechtspflege wurde bewilligt. Es wurden keine Kosten erhoben, indessen auch keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 29. März 2006 sei aufzuheben. Die Mororfahrzeugkontrolle Solothurn sei anzuweisen, ihm unverzüglich die Bewilligung für die Kategorien B und D1 wieder zu erteilen und den Führerausweis sofort zurückzugeben. Es sei ihm eine Parteientschädigung und Genugtuung in noch zu bestimmender Höhe zuzusprechen. Er sei von sämtlichen Kosten und einem eventuellen Kostenvorschuss zu befreien. 
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Hinweis auf die Akten und die Begründung des angefochtenen Entscheids, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. 
2. 
Soweit sich der Beschwerdeführer mit der verkehrsmedizinischen Begutachtung befasst (Beschwerde S. 7/8), ist der angefochtene Entscheid ein Rückweisungsentscheid, der das Verfahren nicht zum Abschluss gebracht hat. Gemäss Art. 45 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 VwVG in Verbindung mit Art. 97 OG sind Zwischenentscheide mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Ausserdem ist bei Zwischenentscheiden die Beschwerdefrist auf zehn Tage verkürzt (Art. 106 Abs. 1 OG). Wie es sich mit der Fristwahrung verhält, kann offen bleiben. Jedenfalls ist der nicht wieder gutzumachende Nachteil zu verneinen, weshalb auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht eingetreten werden kann. 
3. 
Im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch die Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte oder der EMRK geltend gemacht werden (BGE 130 II 337 E. 1.3). Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sein Recht auf eine wirksame Verteidigung gemäss Art. 6 EMRK und Art. 29 und 30 BV verletzt (Beschwerde S. 8 unten). 
 
Vor der Vorinstanz hatte er nebst der unentgeltlichen Rechtspflege beantragt, "es sei im Falle, dass der Beschwerdeführer mit seinen Argumenten nicht durchdringe, Rechtsanwalt A.________ ... als amtlicher Verteidiger einzusetzen" (angefochtener Entscheid S. 3 oben Antrag 6). Dieser habe sich "dafür bereit erklärt" (kantonale Beschwerde S. 1 unten). 
 
Die Vorinstanz führt dazu aus, der amtliche Verteidiger sei ein Institut des Strafrechts und dem Verwaltungsrecht fremd. Folglich könne dem Antrag auf Einsetzung eines amtlichen Verteidigers nicht stattgegeben werden. Da der Beschwerdeführer Jus studiere und selber Leute in Rechtsfragen berate, sei davon auszugehen, dass sein Antrag tatsächlich auf einen amtlichen Verteidiger und nicht auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand gelautet habe und nicht uminterpretiert werden müsse (angefochtener Entscheid S. 10 E. 7). 
Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht vor, mit dem amtlichen habe er selbstverständlich einen unentgeltlichen Verteidiger gemeint. Die Rüge ist begründet, denn die Ausführungen der Vorinstanz verstossen gegen das Verbot des überspitzen Formalismus. Dieses leitet sich aus dem Rechtsverweigerungsverbot bzw. dem Gebot von Treu und Glauben ab, und es richtet sich gegen eine prozessuale Formstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder gar verhindert. Das Bundesgericht, das mit freier Kognition prüft, ob eine entsprechende Rechtsverweigerung vorliegt, hat mehrfach entschieden, dass es überspitzt formalistisch sei, eine Prozesserklärung buchstabengetreu auszulegen, ohne zu fragen, welcher Sinn ihr vernünftigerweise beigemessen werden müsse (Urteil 1P.850/2005 vom 8. Mai 2006, E. 4.2, mit Hinweis auf BGE 113 Ia 94 E. 2 S. 96 f. und weitere Urteile). 
 
Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz ist es unerheblich, dass der Beschwerdeführer Jus studiert und deshalb gewisse Rechtskenntnisse hat, denn der oben zitierte Antrag 6 ist derart unbeholfen formuliert, dass er offensichtlich nicht buchstabengetreu übernommen werden kann, sondern vernünftig interpretiert werden muss. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich beim Entzug des Führerausweises nicht um eine Straf-, sondern um eine Verwaltungssache handelt. Davon, dass der Beschwerdeführer sich bei seinem Antrag auf das Institut des amtlichen Verteidigers im Sinne von § 9 der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn beziehen wollte, kann deshalb trotz des missglückt formulierten Antrags offensichtlich nicht die Rede sein. Der Beschwerdeführer, der zudem in Antrag 5 wegen Bedürftigkeit ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellte, wollte in Antrag 6 offensichtlich ein Gesuch gemäss § 76 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen in Verbindung mit § 110 Abs. 1 der Zivilprozessordnung des Kantons Solothurn stellen, wonach auf besonderes Gesuch bei Bedürftigkeit ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wird, falls die Partei für die gehörige Führung des Prozesses eines solchen bedarf. Indem die Vorinstanz demgegenüber auf dem offensichtlich verfehlten Wortlaut des Gesuches und damit auf einer exzessiven Formstrenge beharrte, verfiel sie in überspitzen Formalismus. Nachdem sie im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Rechtspflege bereits festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer Sozialhilfe empfängt (angefochtener Entscheid S. 19 E. 8) und damit bedürftig ist, wird sie noch zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer, der jedenfalls teilweise recht unbeholfen agiert, für die gehörige Führung des Prozesses eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes bedarf. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet. 
4. 
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, erstinstanzlich habe zu Unrecht das Departement und nicht die Motorfahrzeugkontrolle verfügt, wodurch ihm eine Beschwerdemöglichkeit abgeschnitten worden sei (Beschwerde S. 2). Zur Hauptsache bringt er vor, seine körperliche und geistige sowie psychische Leistungsfähigkeit reiche aus, um sein Taxi zu führen (Beschwerde S. 2). 
 
Da zunächst abgewartet werden muss, wie die Vorinstanz in der Frage des unentgeltlichen Rechtsbeistandes entscheidet, kann das Bundesgericht zu den beiden vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Punkten heute keine Stellung nehmen. 
5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben. Eine Parteientschädigung ist dem Beschwerdeführer demgegenüber nicht zuzusprechen, da er die Eingabe vor Bundesgericht selber verfasst hat und nicht ersichtlich ist, dass er besondere Umtriebe gehabt hätte (BGE 119 Ia 71 E. 4, 113 Ib 356 E. 6). Auch kann im vorliegenden Verfahren keine Genugtuung zugesprochen werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, teilweise gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 29. März 2006 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigung ausgerichtet. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Departement des Innern des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 27. Juni 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: