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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_454/2018  
 
 
Urteil vom 13. November 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1.       A.A.________, 
2.       B.A.________, 
       vertreten durch A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Luzern, 
Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Beitragspflicht), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Kantonsgerichts Luzern 
vom 5. Juni 2018 (5V 17 388). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 2. März 2016 forderte die Ausgleichskasse Luzern (fortan: Ausgleichskasse) von B.A.________ für das Jahr 2015 aus selbständiger Erwerbstätigkeit Beiträge (AHV/IV/EO- und FAK-Beiträge samt Verwaltungskosten). Am 8. März 2017 setzte sie auch die Beiträge ihres Ehemannes A.A.________ aus selbständiger Erwerbstätigkeit für das Beitragsjahr 2015 (AHV/IV/EO- und FAK-Beiträge samt Verwaltungskosten und Zinsen) fest. Mit Verfügungen vom selben Datum erhob die Ausgleichskasse von beiden Ehegatten Beiträge als Nichterwerbstätige für das Jahr 2015 (AHV/IV- und EO-Beiträge samt Verwaltungskosten und Zinsen); die bereits auf den jeweiligen Erwerbseinkommen erhobenen Beiträge wurden angerechnet. Gegen die drei Verfügungen vom 8. März 2017 erhoben die Ehegatten A.A.________ und B.A.________ Einsprache, welche die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 10. August 2017 abwies. 
 
B.   
Das Kantonsgericht Luzern wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 5. Juni 2018 ab. 
 
C.   
A.A.________ und B.A.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 5. Juni 2018 sei aufzuheben und sie seien "für das Jahr 2015 auf der Grundlage der Selbständigerwerbstätigkeit zu veranlagen". 
A.A.________ reicht am 17. September 2018 (Poststempel) das Heft "Zentralinfo 03/2018" (Informationen der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz) zu den Akten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder Urkunden, die erst nach diesem entstanden sind, können als echte Noven vom Bundesgericht nicht berücksichtigt werden (zum Ganzen: BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 22 f. mit Hinweisen).  
Das vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. September 2018 aufgelegte Heft "Zentralinfo 03/2018" ist im September 2018 erschienen. Als unzulässiges echtes Novum bleibt es zum vorneherein unbeachtlich. 
 
1.2. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.   
Streitgegenstand bilden die Beiträge der Beschwerdeführer als Nichterwerbstätige für das Jahr 2015. 
Der Beschwerdeführer ging unbestrittenermassen im Jahr 2015 u.a. einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach. Uneinigkeit besteht darüber, ob er im Sinne von Art. 28bis AHVV (in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG) "nicht dauernd voll erwerbstätig" war und deshalb gestützt auf Art. 28bis Abs. 1 AHVV Beiträge wie ein Nichterwerbstätiger zu leisten hat (unter Anrechnung der Beiträge vom [unselbständigen und selbständigen] Erwerbseinkommen, Art. 28bis Abs. 2 AHVV in Verbindung mit Art. 30 AHVV). Die Beitragsberechnung als solche wird - wie bereits vor Vorinstanz - nicht als fehlerhaft gerügt. 
 
3.   
Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, gilt eine (selbständige oder unselbständige) Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 28bis AHVV in der Regel als "voll", wenn dafür ein erheblicher Teil der im betreffenden Erwerbszweig üblichen Arbeitszeit aufgewendet wird. Diese Voraussetzung ist nach Rechtsprechung und Verwaltungspraxis erfüllt, wenn die beitragspflichtige Person während mindestens der halben üblichen Arbeitszeit tätig ist (BGE 140 V 338 E. 1.2 S. 340; 115 V 161 E. 10d S. 174 f., je mit Hinweisen; vgl. auch Rz. 2039 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen [BSV] über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO [WSN, Stand 1. Januar 2018]). 
Die Anforderungen für die Annahme einer vollen Erwerbstätigkeit betreffen eine Rechtsfrage, die letztinstanzlich frei überprüfbar ist. Feststellungen der Vorinstanz zu den konkreten Umständen der Beschäftigung sind dagegen Tatfragen und für das Bundesgericht grundsätzlich bindend (oben E. 1.2; zum Ganzen: BGE 140 V 338 E. 2.1 S. 340). 
 
4.  
 
4.1. Zum zeitlichen Umfang der vom Beschwerdeführer ausgeübten Erwerbstätigkeit stellte das kantonale Gericht fest, es sei für das Jahr 2015 ein Zeitaufwand von 187 Stunden aktenkundig. Weitere Belege für im Jahr 2015 geleistete Arbeitszeit lägen nicht vor. Ein Pensum von 50 % (1'040 Stunden) sei bei Weitem nicht ausgewiesen. Eine Parteieinvernahme zu dieser Frage erübrige sich, da es sich bei den anlässlich einer solchen gemachten Angaben lediglich um subjektive und nicht belegte Aussagen des Beschwerdeführers handeln würde, welche nicht zum Nachweis effektiv geleisteter Arbeit genügten.  
Die Beschwerdeführer erblicken im Verzicht auf eine Parteieinvernahme eine krasse Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Gehörsrecht verleiht indes einer Partei nicht den absoluten Anspruch, vom Gericht mündlich (in öffentlicher Verhandlung) angehört zu werden. Es gebietet der Verfahrensleitung lediglich, der Recht suchenden Person die Möglichkeit zu geben, sich zum angefochtenen Entscheid und zu allenfalls im weiteren Prozessverlauf neu vorgebrachten Parteivorbringen - soweit diese für die Entscheidfindung von Bedeutung sind - in genügender Weise zu äussern (vgl. etwa Urteil 9C_281/2018 vom 9. Oktober 2018 E. 4.1 mit Hinweis). Weshalb die Beschwerdeführer zweckdienliche Ausführungen zum Sachverhalt nicht im Rahmen des Schriftverkehrs vor Vorinstanz hätten vorbringen können, leuchtet nicht ein. Inwieweit es sich sodann bei der Aufzählung von Aktivitäten des Beschwerdeführers, die den Beweis für "seit 2013 ununterbrochen anhaltende immense Aufbauarbeit bzw. Akquisitionsbemühungen" erbringen sollen, um unzulässige, da neue, sachverhaltliche Vorbringen handelt (vgl. oben E. 1.1), kann letztlich offen bleiben. Jedenfalls ist darin kein Beleg für im Jahr 2015 geleistete Aufbauarbeit im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit (vgl. etwa BGE 140 V 338 E. 2.3.1 S. 342 mit Hinweis) zu sehen: Es wird keine einzige Publikation aus diesem Jahr aufgeführt, und es ist auch bezüglich der übrigen genannten Tätigkeiten (etwa: Vorträge, Kontaktaufnahme mit Verbänden und Fachzeitschriften) nicht nachvollziehbar, inwieweit sie - allenfalls - das Jahr 2015 betreffen. Fehl geht auch der Hinweis auf den belegten Geschäftsaufwand von jährlich über Fr. 20'000.-. Dieser spricht wohl für das Vorliegen einer - i.c. gar nicht umstrittenen (oben E. 2) - Erwerbstätigkeit, belegt jedoch nicht deren Umfang. Schliesslich genügt es den Anforderungen des Art. 42 Abs. 2 BGG nicht, zum Nachweis einer 1'000 Arbeitsstunden übersteigenden Berufstätigkeit im Jahr 2015 auf frühere Eingaben zu verweisen (vgl. Urteil 9C_128/2018 vom 17. Juli 2018 E. 1.2 mit Hinweisen). Zusammenfassend ist die Feststellung des kantonalen Gerichts zum Umfang der Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig und bindet deshalb das Bundesgericht (oben E. 1.2). 
 
4.2. Angesichts der ausgewiesenen Arbeitszeit von 187 Stunden erwog das Kantonsgericht, eine "volle" Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 28bis Abs. 1 AHVV liege nicht vor. Die Beiträge vom Erwerbseinkommen des Beschwerdeführers erreichten zudem unbestrittenermassen nicht die Hälfte der von ihm als Nichterwerbstätigem zu leistenden Beiträge. Damit seien die Voraussetzungen gemäss Art. 28bis Abs. 1 AHVV erfüllt, um von ihm als nicht dauernd voll erwerbstätiger Person für das Jahr 2015 Beiträge wie bei Nichterwerbstätigen zu erheben. Dieser Auffassung ist beizupflichten; das Bundesgericht hat ihr nichts beizufügen.  
 
5.   
Die Beschwerdeführerin betreffend wird (auch) letztinstanzlich nicht geltend gemacht, diese sei im Jahr 2015 dauernd voll erwerbstätig gewesen. Sie hat somit grundsätzlich Beiträge wie eine Nichterwerbstätige zu bezahlen (Art. 28bis Abs. 1 AHVV). Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (E. 1.2 hievor) bleibt zu prüfen, ob Art. 3 Abs. 3 lit. a AHVG - wonach die eigenen Beiträge der nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten als bezahlt gelten, wenn letztere Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt haben - anwendbar ist. Dies ist nicht der Fall: Als erwerbstätig im Sinne von Art. 3 Abs. 3 lit. a AHVG gilt nur die versicherte Person, der dieser Beitragsstatus nach der Schwergewichtsmethode (Art. 10 Abs. 1 AHVG i.V.m. Art. 28bis Abs. 1 AHVV; BGE 139 V 12 E. 5.1 S. 15 f. mit Hinweisen) zukommt. Der Anwendungsbereich der Bestimmung erstreckt sich dagegen nicht auf Versicherte die - wie der Ehemann der Beschwerdeführerin (vorstehend E. 4.2) - zwar erwerbstätig sind, jedoch wie Nichterwerbstätige Beiträge zu leisten haben (Botschaft vom 5. März 1990 über die zehnte Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung, BBl 1990 II 79 f.). Die Vorinstanz hat demnach zu Recht den Einspracheentscheid vom 10. August 2017 auch bezüglich der Beschwerdeführerin bestätigt. 
 
6.   
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten unbegründet. 
 
7.   
Die unterliegenden Beschwerdeführer tragen die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.- werden dem Beschwerdeführer zu Fr. 700.- und der Beschwerdeführerin zu Fr. 800.- auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. November 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald