Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_197/2018  
 
 
Urteil vom 13. Dezember 2018  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Klett, Hohl, Niquille, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Kölz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ Zusatzversicherungen AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Rückerstattung von Versicherungsleistungen, Verjährung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 20. Februar 2018 (VKL.2017.24). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Beschwerdegegnerin) war als Angestellte der C.________ AG im Rahmen einer Kollektiv-Taggeldversicherung nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) bei der A.________ Zusatzversicherungen AG (Beschwerdeführerin) versichert. 
Aufgrund einer Krankmeldung vom 17. Juli 2015, wonach B.________ ab 25. Juni 2015 zu 60% arbeitsunfähig sei, richtete die A.________ Zusatzversicherungen AG vom 9. Juli bis 30. September 2015 Taggelder basierend auf einem Jahreslohn von Fr. 85'000.-- aus. 
Mit Schreiben vom 4. März 2016 hielt die A.________ Zusatzversicherungen AG fest, B.________ habe auf der Krankmeldung einen Jahreslohn von Fr. 85'000.-- angegeben. Wie dem IK-Auszug entnommen werden könne, belaufe sich ihr tatsächliches Einkommen jedoch auf Fr. 10'000.--. Damit seien die Taggeldleistungen auf der Grundlage eines Jahreslohns von Fr. 10'000.-- auszubezahlen. Mit Leistungsabrechnung vom 7. März 2016 verlangte die A.________ Zusatzversicherungen AG die Rückzahlung von Taggeldern in der Höhe von Fr. 6'508.50. 
 
B.  
Am 12. Juni 2017 erhob die A.________ Zusatzversicherungen AG beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Klage mit dem Begehren, B.________ sei zu verurteilen, ihr Fr. 6'508.50 zuzüglich Zins zu erstatten. B.________ bestritt den Anspruch und erhob die Einrede der Verjährung. 
Mit Urteil vom 20. Februar 2018 wies das Versicherungsgericht die Klage wegen Verjährung ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 3. April 2018 wurde beim Bundesgericht im Namen der A.________ Zusatzversicherungen AG Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit dem Antrag, das Urteil des Versicherungsgerichts sei aufzuheben und die Klage sei gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
B.________ begehrt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Das Versicherungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet, unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Urteils. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das angefochtene Urteil des Versicherungsgerichts ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer einzigen kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG in einem Verfahren, das eine Streitigkeit aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 7 ZPO zum Gegenstand hat (siehe dazu Urteil 4A_12/2016 vom 23. Mai 2017 E. 1.2 mit Hinweisen). Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen, gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG unabhängig vom Streitwert (BGE 138 III 799 E. 1.1, 2 E. 1.2.2; siehe auch BGE 139 III 67 E. 1.2). Dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, ist nicht vorausgesetzt.  
 
1.2. Die Beschwerdegegnerin begründet ihren Hauptantrag auf Nichteintreten damit, die Beschwerdeführerin lasse sich im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässigerweise durch die A.________ Versicherungen AG vertreten, und weiter, ihre Beschwerde sei von Personen unterzeichnet, die weder im Anwaltsregister eingetragen seien noch sich durch eine Vollmacht ausweisen würden.  
Die Beschwerdeführerin hat am 4. September 2018 ein Exemplar der Beschwerde vom 3. April 2018 nachgereicht, das die Unterschrift von zwei Personen trägt, die gemäss Handelsregister für sie kollektivunterschriftsberechtigt sind. Damit ist der Mangel behoben. 
 
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin machte vor der Vorinstanz geltend, dass sie der Beschwerdegegnerin zu hohe Taggelder ausbezahlt und daher Anspruch auf Rückerstattung des zu viel Bezahlten habe. Die Vorinstanz bejahte den Rückerstattungsanspruch in der Höhe von Fr. 6'508.50. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die Frage, ob der Anspruch verjährt ist. 
Die Vorinstanz erwog hierzu, die Beschwerdeführerin könne den fraglichen Betrag nur auf der Grundlage des Bereicherungsrechts (Art. 62 ff. OR) zurückfordern. Die bereicherungsrechtliche Verjährung der Rückerstattungsforderung richte sich nach Art. 67 OR. Weiter stellte sie fest, die Beschwerdeführerin habe spätestens dann sichere Kenntnis ihres Rückforderungsanspruchs gehabt, als sie der Beschwerdegegnerin gegenüber am 7. März 2016 die zu Unrecht ausbezahlten Taggelder zurückgefordert habe. Die einjährige Verjährungsfrist nach Art. 67 Abs. 1 OR habe in diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen und am 7. März 2017 geendet. Als die Beschwerdeführerin ihre Rückforderung mit ihrer Klage vom 12. Juni 2017 vor Versicherungsgericht geltend gemacht habe, sei der Anspruch bereits verjährt gewesen. 
Die Beschwerdeführerin rügt, ihr Rückforderungsanspruch sei vertraglicher Natur und verjähre deshalb nach der Regel von Art. 46 Abs. 1 VVG und nicht nach Art. 67 OR. Die Vorinstanz habe diese bundesrechtlichen Bestimmungen sowie das Willkürverbot (Art. 9 BV) verletzt. 
 
3.  
 
3.1. Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines anderen bereichert worden ist, hat die Bereicherung nach Art. 62 Abs. 1 OR zurückzuerstatten. Gemäss Abs. 2 der Bestimmung tritt diese Verbindlichkeit insbesondere dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat. Der Bereicherungsanspruch verjährt nach Art. 67 Abs. 1 OR mit Ablauf eines Jahres, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs. Demgegenüber verjähren Forderungen aus dem Versicherungsvertrag gemäss Art. 46 Abs. 1 VVG grundsätzlich in zwei Jahren nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet.  
 
3.2. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind nicht alle Rückerstattungsansprüche betreffend Leistungen, die im Umfeld eines Vertrages erbracht wurden, vertraglicher Natur. Wer ohne jeglichen Vorbehalt in (vermeintlicher) Erfüllung eines Vertrags mehr leistet als das vertraglich Geschuldete, kann die Differenz bloss auf der Grundlage des Bereicherungsrechts zurückfordern. (BGE 137 III 243 E. 4.4.1; 133 III 356 E. 3.2.1; je mit Hinweisen). In diesem Sinn verjähren auch Rückforderungsansprüche im Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer nach Art. 67 OR und nicht nach Art. 46 VVG (so ausdrücklich Urteil 4A_53/2010 vom 29. April 2010 E. 2.6 mit Hinweisen). Anders verhält es sich immerhin, wenn die erbrachte Leistung tatsächlich vertraglich geschuldet, aber eine spätere Abrechnung vorbehalten war (BGE 133 III 356 E. 3.2.2).  
Die Vorinstanz schloss, es fehle ein Vertrag, auf den die Rückerstattungspflicht der Beschwerdegegnerin gegenüber der Beschwerdeführerin abgestützt werden könnte. Zwar statuiere Ziffer 34.2 der AVB der Beschwerdeführerin, dass vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person zu Unrecht bezogene Leistungen an den Versicherer zurückzuerstatten seien. Die AVB seien jedoch nur für die Vertragsparteien verbindlich, nicht hingegen für die Beschwerdegegnerin. 
 
3.3. Der Beschwerdeführerin gelingt es nicht, diese Beurteilung als bundesrechtswidrig auszuweisen:  
Wohl steht nach Art. 87 VVG demjenigen, zu dessen Gunsten eine kollektive Unfall- oder Krankenversicherung abgeschlossen worden ist, mit dem Eintritt des Unfalls oder der Krankheit ein selbständiges Forderungsrecht gegen den Versicherer zu. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Versicherten vor einer anderweitigen Verwendung der Versicherungsleistungen durch den Versicherungsnehmer. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung werden die Arbeitnehmer damit jedoch nicht zu Vertragsparteien des Versicherungsvertrages; vielmehr stipuliert Art. 87 VVG eine Art echten Vertrag zugunsten Dritter (BGE 141 III 112 E. 4.3 mit Hinweisen; Urteil 4A_10/2016 vom 8. September 2016 E. 4.1, nicht publ. in: BGE 142 III 671). Tatsächlich ist bereits aus diesem Grund nicht erkennbar, worin im Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin als Versichererin und der Beschwerdegegnerin als Versicherter die vertragliche Grundlage bestehen soll, auf welche die Rückerstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen gestützt werden könnte. 
Die Auffassung der Vorinstanz steht entgegen der Beschwerdeführerin auch nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 VVG, wonach bei Kollektivverträgen, die anderen Personen als dem Versicherungsnehmer einen direkten Leistungsanspruch verleihen, der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, diese Personen über den wesentlichen Inhalt des Vertrages sowie dessen Änderungen und Auflösung zu unterrichten. Dasselbe gilt für die von der Beschwerdeführerin zitierte Literaturstelle (HÄBERLI/HUSMANN, Krankentaggeld, versicherungs- und arbeitsrechtliche Aspekte, 2015, S. 22 Rz. 84). Wohl wird darin allgemein ausgeführt, gültig einbezogene AVB seien bei Kollektivverträgen "auch für die Versicherten, also die Arbeitnehmer, bindend". Die Autoren beziehen diese Aussage jedoch auf den Umstand, dass sich die Leistungsansprüche der Versicherten nach den Vereinbarungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer bestimmen. Demnach ergibt sich daraus nicht, dass eine vertragliche Grundlage für die Rückforderung von Leistungen besteht, die vom Versicherer ohne vertragliche Pflicht an den Versicherten erbracht wurden.  
Schliesslich kann die Beschwerdeführerin auch nichts zu ihren Gunsten belegen, wenn sie sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung beruft, wonach bei einem Vertragsrücktritt nach Art. 109 Abs. 1 OR das Vertragsverhältnis in ein Liquidationsverhältnis umgewandelt werde und die Rückleistungspflichten als vertragliche zu qualifizieren seien und den vertraglichen Verjährungsfristen unterstünden (so grundlegend BGE 114 II 152). Dass hier ein vergleichbares Liquidationsverhältnis vorliegt, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend. Das Bundesgericht hat es im Übrigen abgelehnt, dieselbe Rechtsfigur auch auf Fälle anzuwenden, in denen die Leistungen gestützt auf einen nichtigen, angefochtenen oder widerrufenen Vertrag erbracht wurden (siehe zum Ganzen BGE 137 III 243 E. 4 mit zahlreichen Hinweisen). 
Aus den dargelegten Gründen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz geschlossen hat, auf die vorliegende Rückerstattungspflicht seien die bereicherungsrechtlichen Verjährungsregeln anwendbar. Unter diesen Umständen muss nicht erörtert werden, ob angesichts der zitierten AVB-Bestimmung Art. 46 Abs. 1 VVG Anwendung fände, wenn eine (nicht geschuldete) Leistung an den Versicherungsnehmer selber erbracht worden wäre und sich auch die Rückerstattungsforderung gegen diesen richten würde. 
 
3.4. Die Vorinstanz hat somit nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie angenommen hat, der Anspruch der Beschwerdeführerin sei nach Art. 67 Abs. 1 OR verjährt.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (siehe Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Dezember 2018 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Kölz