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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.399/2003 /sta 
 
Urteil vom 10. September 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Pfäffli. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________, Bezirksanwalt, Beschwerdegegner, 
Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Meilen, Untere Bruech 139, 8706 Meilen, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8023 Zürich, 
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
Einstellung der Untersuchung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 12. Mai 2003. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
X.________ erstattete mit Eingaben vom 29. November 2001 und 22. Januar 2002 Strafanzeige gegen Bezirksanwalt Y.________ wegen Amtsmissbrauchs, Begünstigung und ungetreuer Amtsführung. Die Strafanzeigen stehen im Zusammenhang mit der vom Bezirksanwalt Y.________ verfassten Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügung vom 29. Oktober 2001 in der Strafsache gegen Z.________. Mit Verfügung vom 2. Juli 2002 stellte die Bezirksanwaltschaft I für den Kanton Zürich die Untersuchung gegen Bezirksanwalt Y.________ ein. Einen dagegen erhobenen Rekurs wies der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Meilen mit Verfügung vom 31. Oktober 2002 ab, soweit er darauf eintrat. Dagegen erhob X.________ kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Mit Beschluss vom 12. Mai 2003 wies die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich die Beschwerde ab. Auf das Gesuch um Wiederaufnahme der eingestellten Untersuchung gegen Z.________ trat die Strafkammer mangels Zuständigkeit nicht ein und überwies die Akten zur Behandlung dieses Gesuches der Bezirksanwaltschaft Meilen. Zusammenfassend führte die III. Strafkammer aus, die Untersuchung gegen Bezirksanwalt Y.________ sei zu Recht eingestellt worden, da sich aus den Akten kein einziger Hinweis dafür ergebe, dass er in irgendwelcher Form gegen das Gesetz verstossen haben sollte. Sinngemäss gehe es der Beschwerdeführerin ja darum, dass sie mit Hilfe der Strafanzeige eine Fortsetzung der Untersuchung gegen Z.________ erreichen könne. Dafür hätten ihr Rechtsmittel zur Verfügung gestanden, die sie auch ausgeschöpft habe. 
2. 
Gegen diesen Beschluss der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich erhob X.________ mit Eingabe vom 15. Juni 2003 staatsrechtliche Beschwerde. 
Die Verfahrensbeteiligten verzichteten auf eine Vernehmlassung bzw. liessen sich nicht vernehmen. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat nach eigenen Angaben den angefochtenen Beschluss am 6. Juni 2003 erhalten. Die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 89 OG lief somit am 7. Juli 2003 ab. Nach Ablauf der Beschwerdefrist reichte sie verschiedene Eingaben bei mehreren Bundesrichtern ein. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren sind nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereichte Begründungen nur zulässig, wenn der Beschwerdeführerin das Recht zur Beschwerdeergänzung eingeräumt oder ein weiterer Schriftenwechsel angeordnet wird (Art. 93 Abs. 2 und 3 OG). Prozessleitende Verfügungen in diesem Sinne ergingen im vorliegenden Verfahren nicht. Die nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichten Eingaben sind daher für die Beurteilung der vorliegenden Streitsache unbeachtlich. 
4. 
4.1 Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde setzt die persönliche Betroffenheit der Beschwerdeführerin in eigenen rechtlich geschützten Positionen voraus (Art. 88 OG). 
 
Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Einstellung eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Die Geschädigte hat an der Verfolgung und Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares Interesse im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 88 OG. Der Strafanspruch, um den es im Strafverfahren geht, steht ausschliesslich dem Staat zu, und zwar unabhängig davon, ob die Geschädigte als Privatstrafklägerin auftritt oder die eingeklagte Handlung auf ihren Antrag hin verfolgt wird. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst ist die Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Ist die Beschwerdeführerin in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, kann sie die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihr nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustehen. Sie kann beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, sie sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder habe nicht Akteneinsicht nehmen können. Hingegen kann sie weder die Würdigung der beantragten Beweise noch die Tatsache rügen, dass ihre Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt wurden. Die Beurteilung dieser Fragen kann von der Prüfung der materiellen Sache nicht getrennt werden. Auf eine solche hat die in der Sache selbst nicht Legitimierte jedoch keinen Anspruch (BGE 120 Ia 157 E. 2a/bb mit Hinweisen). 
Etwas anderes gilt für das Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG kann das Opfer den Entscheid eines Gerichts verlangen, wenn das Verfahren eingestellt wird. Es kann nach Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG den betreffenden Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln anfechten wie der Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG geht Art. 88 OG als "lex specialis" vor. Die Legitimation des Opfers zur staatsrechtlichen Beschwerde ist insoweit auf materiellrechtliche Fragen erweitert (BGE 128 I 218 E. 1.1 mit Hinweisen). 
4.2 Gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG ist Opfer, wer durch eine Straftat in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat. Nach der Rechtsprechung muss die Beeinträchtigung von einem gewissen Gewicht sein. Bagatelldelikte wie z.B. Tätlichkeiten, die nur unerhebliche Beeinträchtigungen bewirken, sind daher vom Anwendungsbereich des Opferhilfegesetzes grundsätzlich ausgenommen. Entscheidend ist jedoch nicht die Schwere der Straftat, sondern der Grad der Betroffenheit der geschädigten Person. So kann etwa eine Tätlichkeit die Opferstellung begründen, wenn sie zu einer nicht unerheblichen psychischen Beeinträchtigung führt. Umgekehrt ist es denkbar, dass eine im Sinne des Opferhilfegesetzes unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität angenommen wird, obwohl der Eingriff strafrechtlich als leichte Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu beurteilen ist. Entscheidend ist, ob die Beeinträchtigung des Geschädigten in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität das legitime Bedürfnis begründet, die Hilfsangebote und die Schutzrechte des Opferhilfegesetzes - ganz oder zumindest teilweise - in Anspruch zu nehmen (BGE 128 I 218 E. 1.2 mit Hinweis). 
 
Eine unmittelbare Beeinträchtigung der psychischen Integrität kann nach der Praxis des Bundesgerichtes je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles etwa bei Drohung, Nötigung oder Erpressung vorliegen. Mit der gesetzlichen Beschränkung auf "unmittelbare" Eingriffe sollen namentlich reine Vermögensdelikte wie Diebstahl oder Betrug von der Opferhilfe ausgenommen werden. Auch Amtsmissbrauch und Begünstigung fallen nicht unter das OHG (vgl. BGE 120 Ia 157 E. 2d/aa S. 162; Botschaft zum Opferhilfegesetz vom 25. April 1990, BBl 1990 II 977). Gleiches muss auch für den Straftatbestand der ungetreuen Geschäftsführung gelten. 
4.3 Für die angezeigten Straftatbestände kommt der Beschwerdeführerin somit keine Opferstellung im Sinne des OHG zu. Der Beschwerdeführerin kann keine gegenüber der Praxis zu Art. 88 OG erweiterte Legitimation zuerkannt werden. Sie ist deshalb nach der angeführten Rechtsprechung in der Sache nicht legitimiert und kann nur die Verletzung jener Parteirechte im Verfahren betreffend Einstellung der Untersuchung gegen Bezirksanwalt Y.________ rügen, die ihr nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustehen. Solche Rügen erhebt sie jedoch nicht - jedenfalls nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Form -, weshalb auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten ist. 
5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Angesichts der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der vorliegenden Beschwerde kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung eines Rechtsbeistandes nicht entsprochen werden (Art. 152 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Meilen sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. September 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: