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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_701/2012 
 
Urteil vom 19. April 2013 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Corboz, 
Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Versicherung X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Michèle Wehrli Roth, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankentaggeldversicherung (VVG), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 16. Oktober 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.________ (Kläger und Beschwerdegegner) war als technischer Zeichner CAD bei der Y.________ AG angestellt und basierend auf diesem Arbeitsverhältnis bei der Versicherung X.________ AG (Beklagte und Beschwerdeführerin) nach VVG kollektiv krankentaggeldversichert. Wegen langjähriger, chronischer Migräne, Schwankschwindel und Verdacht auf psychophysische Erschöpfung war er ab 22. August 2008 krankheitsbedingt zu 100 % arbeitsunfähig. Er erhielt nach Ablauf der Wartefrist 193 Taggeldleistungen in der Höhe von Fr. 172.40 pro Tag bis 31. Mai 2009. Ab diesem Zeitpunkt war er nach Auffassung der Beklagten in seiner bisherigen Tätigkeit wieder 100 % arbeitsfähig. Auf dieses Datum wurde allerdings sein Anstellungsverhältnis durch Kündigung seitens der Arbeitgeberin aufgelöst. 
 
B. 
Der Kläger machte geltend, er sei weiterhin zu 100 % arbeitsunfähig. Daher beantragte er dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, die Beklagte zu verpflichten, ihm auch ab 1. Juni 2009 entsprechende Taggeldleistungen zu erbringen. Eventuell sei ein Fachgutachten über die Arbeitsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt in Auftrag zu geben. Mit Urteil vom 16. Oktober 2012 verpflichtete das Versicherungsgericht die Beklagte, dem Kläger vom 1. Juni 2009 bis 22. August 2010 die vertraglichen Krankentaggeldleistungen auszurichten nebst eines Verzugszinses von 5 % ab dem 30. Januar 2012. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, während das Versicherungsgericht unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung verzichtet. Mit Schreiben vom 31. Januar 2013 hat die Vertreterin des Beschwerdegegners eine Honorarnote eingereicht mit der Bitte um Genehmigung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Zu beurteilen ist eine Streitigkeit aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung die von der Vorinstanz gestützt auf Art. 7 ZPO und § 14 des kantonalen Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 23. März 2010 (EG ZPO/AG; SAR 221.200) als einzige kantonale Instanz entschieden worden ist. Gegen ihren Entscheid steht die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig vom Streitwert offen (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Das kantonale Verfahren richtete sich nach der ZPO, womit das vereinfachte Verfahren zur Anwendung kam (Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO). In derartigen Verfahren hat das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären (Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO). Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei ihrer Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nicht hinreichend nachgekommen, und sie legt dem Bundesgericht unter Hinweis auf die Akten dar, wie die Beweismittel korrekt hätten gewürdigt werden müssen. Sie verkennt damit einerseits die Funktion des Bundesgerichts und andererseits die Tragweite der sozialen Untersuchungsmaxime. 
 
1.1 Das Bundesgericht ist keine letzte Appellationsinstanz, die von den Parteien mit vollkommenen Rechtsmitteln angerufen werden könnte (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4342 Ziff. 4.1.4.5 zu Art. 97 E-BGG). Das Bundesgericht prüft ausschliesslich, ob der angefochtene Entscheid unter den in Art. 95 ff. BGG genannten Gesichtspunkten Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung ist grundsätzlich Sache des kantonalen Gerichts (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann vom Bundesgericht nur berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG). Es genügt nicht, darzulegen, dass gestützt auf eine Aktenstelle allenfalls eine für die Beschwerdeführerin günstige Tatsache als erstellt angesehen werden könnte, denn sonst müsste das Bundesgericht die gesamte Beweiswürdigung überprüfen. Aufzuzeigen ist vielmehr, inwiefern die Vorinstanz Recht verletzt, wenn sie die entsprechende Tatsache nicht festgestellt hat. 
Offensichtlich unrichtig bedeutet willkürlich (BGE 135 III 127 E. 1.5 S. 130). Willkürlich ist ein Entscheid nach konstanter Rechtsprechung aber nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei genügt es nicht, wenn sich nur die Begründung des angefochtenen Entscheides als unhaltbar erweist. Eine Aufhebung rechtfertigt sich nur, wenn der Entscheid auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 136 I 316 E. 2.2.2 S. 318 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9). 
 
1.2 Bei der im vereinfachten Verfahren geltenden Untersuchungsmaxime handelt es sich um eine sog. "soziale" Untersuchungsmaxime (Urteil des Bundesgerichts 4A_7/2012 vom 3. April 2012 E. 2.5), die vor allem zum Ausgleich eines Machtgefälles zwischen den Parteien oder ungleichen juristischen Kenntnissen geschaffen wurde (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7348 Ziff. 5.16 zu Art. 242 und 243 E-ZPO). Sie ändert nichts daran, dass die Parteien die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung tragen. Die Parteien sind nicht davon befreit, bei der Feststellung des entscheidwesentlichen Sachverhalts aktiv mitzuwirken und die allenfalls zu erhebenden Beweise zu bezeichnen. 
1.2.1 Das Gericht hat sich nur über die Vollständigkeit der Behauptungen und Beweise zu versichern, wenn diesbezüglich ernsthafte Zweifel bestehen. Die soziale Untersuchungsmaxime zwingt das Gericht nicht dazu, das Beweisverfahren beliebig auszudehnen und alle möglichen Beweise abzunehmen (vgl. BGE 125 III 231 E. 4a S. 238 f. mit Hinweisen). Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, die Akten von sich aus zu durchforsten, um abzuklären, was sich daraus zu Gunsten der Partei, die das Beweismittel eingereicht hat, herleiten liesse (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_497/2008 vom 10. Februar 2009 E. 4.2 mit Hinweisen, nicht publiziert in: BGE 135 III 220). 
1.2.2 Die Beschwerdeführerin als erfahrene Versicherung hat im kantonalen Verfahren darzulegen, was sie aus den in den Akten liegenden Gutachten zu ihren Gunsten ableitet, und weshalb auf die gegen ihren Standpunkt sprechenden Meinungsäusserungen nicht abzustellen ist. Es ist grundsätzlich an ihr, die Beweismittel anzubieten. Es geht nicht an, diesbezügliche Ausführungen als Rüge der Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung in das bundesgerichtliche Verfahren zu verlagern. 
 
1.3 Den dargelegten Grundsätzen trägt die Beschwerdeführerin nicht Rechnung, soweit sie einfach die Geschehnisse aus ihrer Sicht schildert, die aus den Beweismitteln zu ziehenden Schlüsse aufführt, die davon abweichende Auffassung der Vorinstanz ohne einlässliche Auseinandersetzung mit den Entscheidgründen als offensichtlich unhaltbar bezeichnet und eine ungenügende Sachverhaltsfeststellung rügt. Derartige appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung erfüllt die Begründungsanforderungen nicht, so dass nicht darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, spätestens im Frühjahr 2009 sei kein somatisches Korrelat (mehr) zu den vom Beschwerdegegner geklagten Beeinträchtigungen feststellbar gewesen. Da die Arbeitsunfähigkeit von somatischer Seite her nicht mehr habe erklärt werden können, habe sich der Beschwerdegegner in psychiatrische Behandlung begeben. Doch der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (Dr. B.________) habe keine krankheitswertige psychische Störung diagnostizieren können. Hinweise auf eine Anpassungsstörung oder eine depressive Episode seien nicht vorhanden gewesen. Nachdem festgestanden habe, dass die seit dem 22. August 2008 attestierte Arbeitsunfähigkeit weder somatisch noch psychisch erklärbar war, habe die Beschwerdeführerin ihre Leistungen eingestellt. Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass der Beschwerdegegner ab dem 16. Februar 2010 an einer mittelgradigen Depression leidet und zu 100 % arbeitsunfähig ist. Eine somatisch bedingte Arbeitsunfähigkeit habe aber weiterhin nicht vorgelegen. Da die Depression bei der Beendigung der Versicherung noch nicht vorgelegen habe, sei von einem neuen Versicherungsfall auszugehen, für den keine Deckung bestehe. 
 
3. 
Die Vorinstanz stützte sich in ihrem Urteil im Wesentlichen auf ein im Auftrag der eidgenössischen Invalidenversicherung erstelltes Gutachten eines Spezialarztes für Psychiatrie und Psychotherapie (Dr. C.________), in dem eine anhaltende mittelgradige depressive Episode (Beginn ab circa März 2010) und eine undifferenzierte, von diversen Komponenten hervorgerufene Somatisierungsstörung diagnostiziert wird. Der gesamte Verlauf sei als eine zusammenhängende Phase seit 2008 anzusehen. Gestützt auf diesen Bericht sowie auf die Berichte des Hausarztes, der auch für die streitige Periode eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % attestierte, erachtete die Vorinstanz die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin für ausgewiesen. Auf den Bericht B.________ stellte sie nicht ab, da dessen Wertung im Widerspruch zu den übrigen ärztlichen Unterlagen stehe. Überdies mache er keine Aussagen zur Arbeitsfähigkeit, sondern verweise auf die Notwendigkeit eines versicherungsmedizinischen Gutachtens. Sie bemängelte das Fehlen der Angabe eines genauen Psychostatus sowie von testpsychologischen Unterlagen. Sie zog zudem in Betracht, dass der Psychiater dem Beschwerdegegner Psychopharmaka verschrieben hatte, was wohl nicht notwendig gewesen wäre, wenn, wie im Bericht ausgeführt, keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung bestanden hätte. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin zeigt zunächst mit Hinweis auf die Beweismittel auf, dass (nach ihrer Auffassung) im Zeitpunkt der Leistungseinstellung keine somatische Erklärung für die vom Hausarzt attestierte Arbeitsunfähigkeit (mehr) bestanden habe. Eine explizite entsprechende Feststellung hat die Vorinstanz indessen nicht getroffen. Daher wäre es an der Beschwerdeführerin zu zeigen, dass sie im kantonalen Verfahren bereits die entsprechende Behauptung aufgestellt und sich auf die Beweismittel berufen hat oder dass erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gab. Ansonsten wäre nur die Rüge zulässig, die Vorinstanz hätte diesbezüglich auch ohne entsprechende Behauptungen Feststellungen treffen müssen. Nicht zulässig ist, dem Bundesgericht wie einer ersten Instanz darzulegen, welche Schlüsse aus den Akten zu ziehen sind, ohne aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Insoweit ist die Beschwerdebegründung ungenügend. 
 
5. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, nur der Hausarzt habe eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit attestiert, im Widerspruch zu der Auffassung der Fachärzte. Sie kritisiert dessen Berichte als unvollständig und die vermutete psychische Komponente als durch den Arztbericht B.________ widerlegt. Sie tritt der Kritik der Vorinstanz am Arztbericht B.________ entgegen und macht geltend, die übrigen Arztberichte könnten dem Bericht rein zeitlich gesehen nicht widersprechen. Die Vorinstanz übersehe, dass es um einen blossen Bericht des behandelnden Arztes gehe, weshalb nicht dieselben Anforderungen wie an ein Gutachten gestellt werden könnten. Sie erachtet den Schluss aus von Dr. B.________ verschriebenen Psychopharmaka auf das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung, den die Vorinstanz gestützt auf das IV-Gutachten gezogen habe, für offensichtlich unzutreffend. Psychopharmaka oder Antidepressiva würden von Ärzten oft gegen einen sog. therapierefraktären Schmerzzustand, wie er beim Beschwerdegegner anhand der vorgetragenen Leiden festgestellt wurde, verschrieben. Sie ist ausserdem der Meinung, die Vorinstanz hätte weitere Abklärungen vornehmen und namentlich bei Dr. B.________ weitere Auskünfte verlangen müssen. 
 
6. 
Die Beschwerdeführerin sucht sich aus den Akten die zu ihren Gunsten sprechenden Abschnitte der ärztlichen Meinungsäusserungen heraus und reisst diese aus dem Zusammenhang. Willkür in der Beweiswürdigung lässt sich so nicht aufzeigen: 
 
6.1 Die Vorinstanz ist nicht aufgrund der Einschätzung des Hausarztes von der Auffassung von Dr. B.________ abgewichen, sondern aufgrund der Einschätzung des IV-Gutachters, der selbst Spezialarzt für Psychiatrie ist. Zwar trifft zu, dass sich das IV-Gutachten C.________ nicht zum Mass der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdegegners vor dem Februar 2010 äussert, das Gutachten B.________ tut dies aber auch nicht, sondern verweist auf die Notwendigkeit eines Versicherungsgutachtens. Der IV-Gutachter diagnostiziert aber eine undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.1) seit Mitte 2008 mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit. Dies steht im klaren Widerspruch zum Arztbericht B.________. Der Behauptung, die Berichte des Hausarztes widersprächen krass den übrigen Facharztberichten, ist damit der Boden entzogen. Wenn der Hausarzt eine kontinuierliche Arbeitsunfähigkeit attestiert, widerspricht dies im Ergebnis dem IV-Gutachten, das eine undifferenzierte Somatisierungsstörung seit Mitte 2008 mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit diagnostiziert, nicht. Lediglich mit Bezug auf die Höhe der Arbeitsunfähigkeit lässt sich dem IV-Gutachten nichts entnehmen. 
 
6.2 Im IV-Gutachten wird der Bericht B.________ unter Hinweis auf dieselbe Einschätzung des den Beschwerdegegner nunmehr behandelnden Psychologen als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Es werde nicht dargelegt, wie der Psychiater zu seinen Schlussfolgerungen gekommen sei. Wie die Beschwerdeführerin selbst darlegt, stützt sich auch die Annahme der Vorinstanz, der Psychiater B.________ hätte dem Beschwerdegegner wohl keine Psychopharmaka verschrieben, wenn, wie im Bericht ausgeführt, keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung bestanden hätte, auf die Ausführungen des IV-Gutachters. Mit der Behauptung, Psychopharmaka oder Antidepressiva würden von Ärzten oft gegen einen sog. therapierefraktären Schmerzzustand verschrieben, hätte die Beschwerdeführerin bereits vor der Vorinstanz die Schlüsse des IV-Gutachters anzweifeln und Beweismittel für ihre Behauptungen anbieten müssen. Sonst bestand für das Gericht kein Anlass, von der zum konkreten Fall geäusserten Auffassung des IV-Gutachters abzuweichen. 
 
6.3 Dass die Beschwerdeführerin bereits vor der Vorinstanz Umstände aufgeführt hat, die das Gericht zu Zweifeln am IV-Gutachten hätten veranlassen müssen, geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor und zeigt die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich auf. Damit geht ihre Rüge, die Vorinstanz hätte diesbezüglich weitere Sachverhaltsabklärungen treffen und bei Dr. B.________ zusätzliche Auskünfte einholen müssen, ins Leere. 
 
6.4 Auf die für den angefochtenen Entscheid zentrale Differenz zwischen dem IV-Gutachten und der Beurteilung B.________ geht die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich ein, sondern sie zielt mit ihrer Kritik primär auf die Berichte des Hausarztes. Willkür in der Beweiswürdigung lässt sich so nicht aufzeigen. Angesichts der im IV-Gutachten seit Mitte 2008 diagnostizierten Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.1) und den Ausführungen, wonach zu Beginn die undifferenzierte Somatisierungsstörung im Vordergrund gestanden und sich die Symptomatik langsam Richtung Depression und Angst verschoben habe, um dann nicht zuletzt unter psychosozialen Faktoren mehr und mehr in Richtung Depression zu entwickeln, ist es nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz festhielt, gemäss dem IV-Gutachter sei der gesamte Verlauf als eine zusammenhängende Phase seit 2008 anzusehen, und in der von der Beschwerdeführerin anerkannten Depression ab 16. Oktober 2010 keinen neuen Krankheitsfall erblickte, sondern von einer kontinuierlichen Arbeitsunfähigkeit ausging. Auch dass sie für das Ausmass der Arbeitsfähigkeit die Berichte des Hausarztes heranzog, ist nicht offensichtlich unhaltbar, zumal diese echtzeitlich sind und die abweichende Einschätzung im Bericht B.________ dem IV-Gutachten widerspricht. Dass der Hausarzt keine Somatisierungsstörung diagnostiziert hat, genügt nicht, um das Abstellen auf seine Berichte als willkürlich auszuweisen. Insoweit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. 
 
7. 
Die Beschwerdeführerin rügt, selbst wenn eine Leistungspflicht bestehen sollte, würde diese entgegen der Feststellung der Vorinstanz nicht bis zum 22. August 2010 andauern, sondern nur bis zum 21. August 2010. Der Beschwerdegegner bezeichnet das Vorgehen der Beschwerdeführerin in diesem Punkt als genau und exakt und anerkennt damit ihre Berechnung. Die Beschwerdeführerin zeigt allerdings selbst auf, dass die Vorinstanz bei der Berechnung von den richtigen Grundlagen ausgegangen ist (Wartefrist 90 Tage; Leistung von 193 Taggeldern bis 31. Mai 2009). Es fragt sich, ob die Beschwerdeführerin den Rechnungsfehler der Vorinstanz nicht nach Art. 334 ZPO hätte berichtigen lassen können und zur Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges diesen kantonalen Rechtsbehelf hätte ergreifen müssen (Urteil des Bundesgerichts 6B_65/2012 vom 23. Februar 2012 E. 1; BGE 137 III 417 E. 1.2 S. 418). Der Gesetzgeber hat indessen die Möglichkeit der Korrektur offensichtlich unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen (Art. 105 Abs. 2 BGG) und eines reformatorischen Entscheides (Art. 107 Abs. 2 BGG) vorgesehen, weil eine systematische Rückweisung der Sache an die Vorinstanz auch in Fällen, in denen der Sachverhalt ohne weiteres korrigiert werden könnte, als unverhältnismässig erscheint und das Interesse der Parteien an rascher und endgültiger Erledigung der Streitsache der Souveränität der Vorinstanz bezüglich des Sachverhaltes vorgeht (zit. Botschaft BGG, BBl 2001 4344 Ziff. 4.1.4.5 zu Art. 99 E-BGG). Daher kann das Bundesgericht, wenn es mit Blick auf die Verfahrensökonomie geboten erscheint, in einer wegen anderen Punkten erhobenen Beschwerde in Zivilsachen auch derartige Fehler korrigieren. 
 
8. 
Die Beschwerde ist daher teilweise gutzuheissen und die Leistungspflicht bis zum 21. August 2010 zu begrenzen. Da die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde nur marginal in einem unwesentlichen Punkt durchdringt, wird sie kosten- und entschädigungspflichtig. Da die Beschwerdeantwort keinen übermässigen Aufwand erforderte, besteht kein Anlass, die praxisgemäss festgesetzte Parteientschädigung entsprechend der Kostennote zu erhöhen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
in teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Dispositiv Ziff. 1 des Urteils des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau wie folgt neu gefasst: 
"In Gutheissung der Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger vom 1. Juni 2009 bis zum 21. August 2010 die vertraglichen Krankentaggeldleistungen zuzüglich eines Verzugszinses von 5 % ab 30. Januar 2012 auszurichten." 
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 19. April 2013 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Luczak