Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.48/2004 /kil
Urteil vom 26. Februar 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Merkli,
Gerichtsschreiber Küng.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Einwohnergemeinde Bern, handelnd durch das Sozialamt, Predigergasse 5, Postfach 573, 3000 Bern,
Regierungsstatthalteramt II von Bern, Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12,
3011 Bern.
Gegenstand
Sozialhilfe; Beitrag Lebenspartner an Haushaltführung,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom
12. Januar 2004.
Sachverhalt:
A.
X.________ ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern. Seit der gerichtlichen Trennung vom Vater der Kinder im November 1998 erhält sie vom Sozialamt der Stadt Bern für sich und die Kinder Unterstützungsleistungen. Sie arbeitet mit einem Pensum von 26 % als Kindergärtnerin. Seit dem 1. Dezember 2002 führt sie mit ihrem Lebenspartner und den Kindern einen gemeinsamen Haushalt.
Mit Verfügung des Sozialamtes vom 1. April 2003 wurde X.________ bei der Berechnung ihres Budgets für das Führen des Haushalts im Konkubinat eine Haushaltsentschädigung von Fr. 550.-- als Einkommen aufgerechnet.
Die von X.________ gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies die Regierungsstatthalterin II von Bern am 14. Juli 2003 ab.
Dagegen wandte sich X.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, welches ihre Beschwerde mit Urteil vom 12. Januar 2004 abwies.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11./13. Februar 2004 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das angefochtene Urteil ist kantonal letztinstanzlich und in Anwendung von kantonalem Recht ergangen. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich gemäss Art. 84 und 86 Abs. 1 OG grundsätzlich als zulässig. Die Beschwerdeführerin ist in eigenen rechtlich geschützten Interessen betroffen (vgl. Art. 12 BV und Art. 23 ff. des bernischen Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe [Sozialhilfegesetz, SHG/BE]) und deshalb zur Beschwerde befugt (Art. 88 OG).
1.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf ungenügend begründete Vorbringen und appellatorische Kritik tritt es nicht ein (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen). Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots geltend, muss er anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen darlegen, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten Mangel leidet (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen).
1.3 Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 127 I 60 E. 5a S. 70; 125 II 129 E. 5b S. 134; 123 I 1 E. 4a S. 5).
1.4 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist damit im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a Abs. 1 OG zu behandeln.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt den angefochtenen Entscheid in verschiedener Hinsicht als willkürlich.
2.2 Zunächst rügt sie, das Verwaltungsgericht habe aktenwidrig angenommen, ihr Konkubinatspartner werde durch das Konkubinat bzw. durch von ihr erbrachte Dienstleistungen entlastet. Dies sei willkürlich, da sie entlastet werde, während er stärker belastet sei.
2.2.1 Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf wirtschaftliche Hilfe bemisst sich gemäss Art. 31 SHG/BE in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 der bernischen Verordnung vom 24. Oktober 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung; SHV/BE) nach den von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe erlassenen Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien). Danach hat eine unterstützungsbedürftige Person, die den Haushalt für eine oder mehrere Personen führt, die nicht unterstützt werden, Anspruch auf eine Entschädigung für die Haushaltsführung, die der unterstützten Person als Einkommen anzurechnen ist. Die empfohlene Entschädigung für die Haushaltsführung beträgt für einen Haushalt mit zwei Personen (ohne Kinderbetreuung) seit 1998 Fr. 550.-- bis Fr. 900.--. Dieser Betrag ist zu verringern, wenn nicht unterstützte Personen bei den Hausarbeiten bzw. bei der Kinderbetreuung mithelfen (Ziff. F.5.2. der SKOS-Richtlinien). Arbeitsleistungen, die der nicht unterstützte Partner zu Gunsten der unterstützten Person oder deren Kinder erbringt, sind dann zu berücksichtigen, wenn sie das im Zusammenleben übliche Mass eindeutig überschreiten. Der unterstützten Person darf nur die tatsächlich zufliessende oder ohne weiteres erhältliche Haushaltsentschädigung angerechnet werden (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Aufl., Bern 1999, S. 160).
Diese vom Verwaltungsgericht (E. 2.1 des angefochtenen Entscheides) vorgenommene Auslegung von Art. 31 SHG/BE kann jedenfalls nicht als unhaltbar bezeichnet werden. Sie wird von der Beschwerdeführerin denn auch nicht in Frage gestellt, so dass für den vorliegenden Fall davon auszugehen ist.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin arbeitet mit einem reduzierten Beschäftigungsgrad von 26 % als Kindergärtnerin. Ihr Lebenspartner ist zu 100 % erwerbstätig. Während beruflich bedingter Abwesenheiten der Beschwerdeführerin werden ihre fünf Kinder durch Dritte betreut, wofür ihr ein monatlicher Betrag von Fr. 896.-- zugesprochen worden ist.
Gestützt auf diese unbestrittenen Tatsachen hat das Verwaltungsgericht geschlossen, die Beschwerdeführerin leiste damit faktisch - ohne Berücksichtigung ihrer Kinder, deren Betreuung durch die Beschwerdeführerin keine entschädigungspflichtige Leistung zu Gunsten ihres Lebenspartners darstelle - den grössten Teil der Haushaltsführung, insbesondere Reinigung und Unterhalt der Wohnung sowie einen beträchtlichen Teil der Arbeiten im Bereich Einkauf und Zubereitung der Mahlzeiten. Dies erscheint nicht willkürlich, da die Beschwerdeführerin selber darlegt, sie übernehme täglich die allgemeinen Aufräum- und Reinigungsarbeiten der Wohnung, erledige ihre Wäsche und jene ihrer Kinder, und tätige einen kleineren oder mittleren Einkauf. Ihr Lebenspartner, der das Haus nach 07.00 Uhr verlasse und zwischen 17.00 und 18.00 zurückkehre, esse mittags auswärts. Abend- und Wochenendmahlzeiten bereiteten sie und ihr Lebenspartner vier Mal wöchentlich gemeinsam zu, drei Mal mache sie dies allein. Ihr Lebenspartner kümmere sich um seine Wäsche.
Das Verwaltungsgericht hat anerkannt, dass der Lebenspartner der Beschwerdeführerin eine gewisse Mithilfe im Haushalt und bei der Kinderbetreuung leistet. Die Beschwerdeführerin werde dadurch am Abend und an den Wochenenden insbesondere von ihren Betreuungspflichten entlastet. Dies dürfe indessen objektiv in der bestehenden Konstellation von einem Lebenspartner erwartet werden. Den Arbeitsleistungen des Lebenspartners im Haushalt und bei der Kinderbetreuung sei dadurch Rechnung getragen worden, dass die Haushaltsentschädigung auf das in den SKOS-Richtlinien vorgeschlagene Minimum festgesetzt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe hingegen nicht dargelegt, dass ihr Lebenspartner trotz seines vollen Beschäftigungsgrades im Haushalt und bei der Kinderbetreuung in einem das übliche Mass übersteigenden Umfang mitwirke, was eine zusätzliche Reduktion des Haushaltsbeitrages rechtfertigen würde. Seine Tätigkeiten im häuslichen Bereich seien schon in zeitlicher Hinsicht auf die Abende und Wochenenden beschränkt. Im Übrigen profitiere die Gemeinschaft als Ganzes von einer Zeitersparnis, kämen doch die meisten Arbeiten im Haushalt sämtlichen Personen der Wohngemeinschaft zu gute. Dieser Synergieeffekt führe bei beiden Partnern zu einem finanziellen Vorteil und beide müssten weniger Zeit für Hausarbeiten aufwenden.
2.2.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, lässt die Feststellungen und Schlüsse des Verwaltungsgerichts (angefochtenes Urteil E. 2.2 f.) weder als aktenwidrig noch als willkürlich erscheinen. Insbesondere der Verweis der Beschwerdeführerin auf den statistischen Aufwand für Haus- und Familienarbeit von Frauen und Männern in verschiedenen Familiensituationen ist unbehelflich. Denn die Beschwerdeführerin übersieht, dass für die Beurteilung des Beitrages des Lebenspartners nicht auf dessen Verhältnisse vor Eingehen des Konkubinats, sondern auf jene nach Eingehen eines solchen abzustellen ist. Dass der Lebenspartner indessen den normalerweise mit dem Eingehen eines Konkubinats mit einer Mutter von fünf Kindern verbundenen Aufwand für Haushaltsarbeiten und Kinderbetreuung deutlich übertrifft, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan.
2.3 Die Beschwerdeführerin beanstandet, ihr Konkubinatspartner sei nie befragt und seine Einwilligung auch nie eingeholt worden. Ihre Aussagen seien nicht anerkannt und angemessen gewürdigt worden.
Die Beschwerdeführerin zeigt indessen nicht anhand der Begründung des angefochtenen Entscheides im Einzelnen auf, inwiefern die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung unhaltbar sein soll. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Sachverhaltsfeststellung durch das Verwaltungsgericht hält damit der Verfassungskontrolle stand. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin keine Vorschrift anführen können, die die kantonalen Behörden dazu verpflichten würde, den Lebenspartner persönlich anzuhören.
2.4 Die Beschwerdeführerin legt schliesslich nicht dar, dass sie entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts im Verfahren vor diesem geltend gemacht habe, ihr Lebenspartner sei nicht bereit, eine Entschädigung für die Haushaltführung zu leisten. Die entsprechende Feststellung des Verwaltungsgerichts ist deshalb nicht unhaltbar. Dieser Umstand ist zudem unerheblich, da es genügt, dass die entsprechenden finanziellen Beiträge ohne weiteres erhältlich wären (oben E. 2.2.1) und der Lebenspartner diese auch leisten könnte.
Das Konkubinat führt zwar nicht von vornherein zu rechtlichen Unterhalts- und Beistandsansprüchen zwischen den Partnern (BGE 129 I 1 E. 3.2.4, S. 6). Bei der Beurteilung der "stabilen" Konkubinatsbeziehung können indessen zur Verhinderung einer unzulässigen Privilegierung des Konkubinats gegenüber der Ehe - wie beim Entscheid über die Alimentenbevorschussung für das nicht gemeinsame Kind - die finanziellen Verhältnisse des Konkubinatspartners berücksichtigt werden (Urteil 2P.218/2003 vom 12. Januar 2004 E. 3.2). Bei (noch) nicht stabilen Konkubinaten liegt zwar ein Addieren der Einkommen beider Partner nicht auf der Hand. Es rechtfertigt sich aber auch in diesem Fall ohne Weiteres, mit der Entschädigung für die Haushaltsführung, auf die grundsätzlich nicht verzichtet werden darf, zumindest einen gewissen Ausgleich zu schaffen (Peter Stadler, Unterstützung von Konkubinatspartnern, in: Zeitschrift für Sozialhilfe [ZeSo] 1999 S. 31). Denn die für den Konkubinatspartner erbrachten Dienstleistungen wie Einkauf, Kochen, Waschen, Bügeln, Reinigen und Unterhalt der Wohnung sind für den nicht unterstützten Partner - der dadurch vermutungsweise bei der Haushaltführung entlastet wird - geldwerte Vorteile, die nach den für Mehrpersonenhaushalte heranzuziehenden Vorschriften über die einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) grundsätzlich abzugelten sind (vgl. ZeSo 1998 S. 174 sowie Entscheid der Regierungsstatthalterin II von Bern vom 14. Juli 2003 E. 6). Insofern besteht somit ein Anspruch, der gemäss Art. 30 Abs. 3 SHG/BE bei der Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe anzurechnen ist.
Da der Partner der Beschwerdeführerin nach seiner im angefochtenen Entscheid dargelegten finanziellen Situation durchaus in der Lage wäre, einen entsprechenden Haushaltsbeitrag zu entrichten, und dies für ihn auch zumutbar wäre, ist die Annahme des Verwaltungsgerichts (angefochtenes Urteil E. 3), der Beitrag wäre für die Beschwerdeführerin erhältlich, nicht willkürlich. Auf den Willen des Partners kommt es nicht an.
3.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, eine Vernehmlassung einzuholen. Die staatsrechtliche Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin als von vornherein aussichtslos erschienen, kann ihr die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Den offensichtlich beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Beschwerdeführerin wird jedoch bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Bern, dem Regierungsstatthalteramt II von Bern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Februar 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: