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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_299/2009 
 
Urteil vom 11. Dezember 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster. 
 
Gegenstand 
Strafuntersuchung; Kontrolle des Postverkehrs, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. September 2009 der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führt eine Strafuntersuchung gegen X.________. Er wird verdächtigt, zulasten mehrerer geschädigter Personen Vermögensdelikte und weitere Straftaten verübt zu haben. Mit Verfügung vom 1. Juli 2009 ordnete die Einzelrichterin in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster Untersuchungshaft gegen den Angeschuldigten an. Nachdem die Staatsanwaltschaft Kollusionshandlungen über den Postverkehr des Angeschuldigten festgestellt hatte, verfügte sie am 31. Juli 2009 eine Missbrauchskontrolle seiner ein- und ausgehenden Korrespondenz. Einen vom Angeschuldigten dagegen erhobenen Rekurs wies die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. September 2009 ab. "Der Klarheit halber" präzisierte sie die Kontrolle des Postverkehrs wie folgt: 
"Alle künftigen Postsendungen mit dem Angeschuldigten als Absender oder Adressat werden durch die Staatsanwaltschaft See/Oberland kontrolliert, inklusive Verteidiger-/Anwaltspost. Die ausgehende an den Verteidiger adressierte und entsprechend gekennzeichnete Post wird nach der äusserlichen Kontrolle ungeöffnet weitergeleitet. Der Verteidiger wird ersucht, die für den Rekurrenten bestimmte Post verschlossen und an den Rekurrenten adressiert zur Vermeidung des Umweges über die Gefängnisverwaltung in einem separaten Umschlag der Staatsanwaltschaft See/Oberland, Büro B-1, zur ungeöffneten Weiterleitung an den Adressaten zuzustellen." 
 
B. 
Gegen den Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft vom 7. September 2009 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 6. Oktober (Postaufgabe: 14. Oktober) 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
Der Beschwerdeführer reichte unaufgefordert diverse weitere Eingaben ein. Die Oberstaatsanwaltschaft liess sich am 23. Oktober 2009 vernehmen, während die Staatsanwaltschaft auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtete. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen Vorbemerkungen Anlass. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen zusammengefasst geltend, er werde einer "totalen Postkontrolle" unterworfen. Sie führe zu unverhältnismässigen Eingriffen in seine verfassungsmässigen Individualrechte. Auch sein Anspruch auf wirksame Verteidigung (etwa auf Ausübung des Aussageverweigerungsrechts) werde unzulässig beschnitten. Die streitige Kontrollmassnahme ziehe Verletzungen des Amts- und Anwaltsgeheimnisses nach sich sowie Verspätungen der Postaufgabe und Postzustellung, bis hin zur Versäumung von Rechtsmittelfristen. Der angefochtene Entscheid verletze Art. 10 Abs. 2, Art. 13 und Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 8 und Art. 6 Ziff. 3 EMRK
 
3. 
Unter dem Vorbehalt von Art. 36 BV schützt die Bundesverfassung die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) sowie die Achtung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK). Angeschuldigte müssen darüber hinaus ihre Verteidigungsrechte wirksam ausüben können (Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 EMRK). 
Nach Zürcher Strafprozessrecht ist die Untersuchungsbehörde berechtigt, von den an den Angeschuldigten gerichteten und von ihm ausgehenden Briefen Einsicht zu nehmen und seine mündlichen Besprechungen überwachen zu lassen (§ 16 StPO/ZH). Eine inhaltliche Überprüfung der Korrespondenz mit der Rechtsvertretung oder der Aufsichtsbehörde ist nicht gestattet (§ 121 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 der Zürcher Justizvollzugsverordnung vom 6. Dezember 2006 [JVV/ZH, LS 331.1]). Bei Missbrauch des Kontaktprivilegs oder konkreten Anhaltspunkten für einen künftigen Missbrauch kann eine Kontrolle des Kontakts angeordnet, die betreffende privilegierte Person (vorübergehend oder auf Dauer) von Kontakten mit dem inhaftierten Angeschuldigten ausgeschlossen oder dem drohenden bzw. weiteren Missbrauch mit anderen verhältnismässigen Mitteln begegnet werden (§ 121 Abs. 4 i.V.m. §§ 1 und 128 Abs. 1 JVV/ZH). Die Strafverfolgungsbehörde kontrolliert die Korrespondenz und andere Sendungen. Sie kann zur Sicherung des Untersuchungszwecks einschränkende Anordnungen erlassen oder die Korrespondenz mit bestimmten Personen (nahe Angehörige ausgenommen) vollständig untersagen. Die Strafverfolgungsbehörde kann die Kontrolle ganz oder teilweise an die Gefängnisverwaltung delegieren (§ 134 Abs. 1 JVV/ZH). Das Recht auf privilegierte Kontakte mit dem inhaftierten Angeschuldigten und Besuche ohne Überwachung (gemäss § 121 JVV/ZH) steht nur der zugelassenen Rechtsvertretung, der die Vormundschaft ausübenden Person sowie schweizerischen Amtspersonen oder konsularischen Vertretungen zu (§ 136 JVV/ZH). 
Art. 84 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt (selbst für den ordentlichen Strafvollzug), dass Aussenkontakte der Gefangenen kontrolliert und zum Schutz der Ordnung und Sicherheit der Strafanstalt beschränkt oder untersagt werden können. Zwar wäre eine Überwachung von Besuchen (ohne Wissen der Beteiligten) im ordentlichen Strafvollzug in der Regel nicht zulässig (Art. 84 Abs. 2 Satz 2 StGB). Zur Sicherstellung einer Strafverfolgung behält das Gesetz jedoch "strafprozessuale Massnahmen" ausdrücklich vor (Art. 84 Abs. 2 Satz 3 StGB; vgl. auch Urteil 1B_195/2009 vom 6. November 2009 E. 6). 
 
4. 
Zur Gewährleistung der strafprozessualen Haftzwecke und der Sicherheit der Untersuchungsgefängnisse sind Beschränkungen und Kontrollen von Aussenkontakten der strafprozessualen Häftlinge im Rahmen der Verhältnismässigkeit grundsätzlich zulässig. Eine entsprechende differenzierte Behandlung von strafprozessualen Häftlingen und Gefangenen im ordentlichen Strafvollzug (etwa hinsichtlich Urlaubs- und Besuchsregelung oder Kontrolle des Brief- und Telefonverkehrs usw.) hält vor der Verfassung stand (vgl. BGE 133 I 270 E. 3.2.1 S. 278; 123 I 221 E. I/4c S. 228; 118 Ia 64 E. 2d S. 73 f., E. 3n-q S. 85-88; 117 Ia 257 E. 3c S. 259 f.; je mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichtes kann der freie Verteidigerverkehr mit Untersuchungshäftlingen (Gefängnisbesuche, Telefonate, Korrespondenz usw.) in begründeten Fällen beschränkt werden. Dies gilt namentlich, wenn konkreter Anlass zur Befürchtung besteht, dass der privilegierte Kontakt mit dem Verteidiger (zum Nachteil der Untersuchungs- und Haftzwecke) missbraucht werden könnte (BGE 121 I 164 E. 2c S. 167-172; 118 Ia 64 E. 2d S. 73 f., E. 3n-q S. 85-88; 111 Ia 341 E. 3c-e S. 346-350; 106 Ia 219 E. 3b-d S. 221-225; je mit Hinweisen; s. auch Art. 235 Abs. 4 Satz 2 der künftigen Eidg. StPO, BBl 2007 6977 ff., 7046). 
 
5. 
Im angefochtenen Entscheid wird die von der Staatsanwaltschaft verfügte Briefkontrolle grundsätzlich bestätigt. Was die Verteidigerkorrespondenz betrifft, wird die Regelung wie folgt präzisiert: 
 
5.1 Die Vorinstanz differenziert zwischen der beim Beschwerdeführer ausgehenden und der bei ihm eingehenden Verteidigerpost. Was die ausgehende Korrespondenz betrifft, stehe fest, dass der Beschwerdeführer in kolludierender Weise versucht habe, die Behörden zu täuschen bzw. den Briefverkehr zu missbrauchen, indem er einen Brief an eine Privatperson adressierte, die er auf dem Briefumschlag fälschlich als "Rechtsanwältin" bezeichnet habe. Dieser Missbrauchsversuch (bzw. die Vorspiegelung von privilegierter Korrespondenz) zeige, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, das reglementierte Haftregime der Untersuchungshaft zu respektieren und dass er Kontrollen "auslote". Es sei nicht auszuschliessen, dass er (auch künftig) versucht sein könnte, das Verfahren zu beeinflussen bzw. zu kolludieren. Die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr verlöre ihre Wirkung, wenn es dem Angeschuldigten (über den zulässigen Verteidigerverkehr hinaus) gestattet würde, mit der Aussenwelt über das Strafverfahren zu kommunizieren. 
In einem zweiten Missbrauchsfall habe der Beschwerdeführer versucht, einer weiteren Privatperson Anweisungen zur Umgehung der Postkontrolle zukommen zu lassen. Er habe diese Person angewiesen, eigene Briefumschläge drucken zu lassen, auf denen missbräuchlicherweise die Absenderdaten des Offizialverteidigers verwendet würden, und auf den betreffenden Umschlägen (mit privater Post an den Beschwerdeführer) den unzutreffenden Vermerk "Verteidigerpost" anzubringen. Es dränge sich daher eine äussere Kontrolle aller künftigen Postsendungen sachlich auf, bei denen der Beschwerdeführer als Absender oder Adressat fungiere. Auch die auf der ein- und ausgehenden Post angebrachten Vermerke "Anwalts-" oder "Verteidigerpost" seien im vorliegenden Fall (durch eine äusserliche Kontrolle des anvisierten Empfängers bzw. tatsächlichen Absenders der Sendungen) zu überprüfen. Beim Beschwerdeführer ausgehende Post, die von ihm als Anwaltskorrespondenz deklariert werde, sei als solche zu identifizieren. Falls ein zugelassener Rechtsvertreter der anvisierte Adressat der Sendung sei, müsse diese ungeöffnet (bzw. ohne inhaltliche Kenntnisnahme) an den Anwalt weitergeleitet werden. 
 
5.2 Was die beim Beschwerdeführer eingehende Verteidigerpost betrifft, bestehe zwar gegenüber dem Offizialverteidiger kein Verdacht von Missbräuchen. Angesichts des (oben genannten zweiten) Versuches der Umgehung der Kontrollvorschriften bzw. der Kollusion durch den Beschwerdeführer dränge sich jedoch folgende Regelung auf: Der Verteidiger könne die für seinen Mandanten bestimmten Sendungen in einem verschlossenen Umschlag (mit signiertem Übermittlungszettel) direkt der Staatsanwaltschaft zur ungeöffneten Weiterleitung an den Beschwerdeführer zustellen. Auf diese Weise würden sowohl das Anwalts- und Verteidigungsgeheimnis als auch die im vorliegenden Fall angezeigte Missbrauchskontrolle gewährleistet. 
 
6. 
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er in den oben dargelegten Fällen versucht habe, die Postkontrolle zu "umgehen". Die von der Vorinstanz verfügten Kontrollmassnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs des Postverkehrs erweisen sich im vorliegenden konkreten Fall als gesetz- und verhältnismässig. Sie dienen dem öffentlichen Interesse an einer ungestörten Untersuchung von schwerwiegenden mutmasslichen Straftaten (sowie der Sicherheit des Untersuchungsgefängnisses) und lassen den Kerngehalt der tangierten Grundrechte bzw. den Anspruch auf wirksame Verteidigung unangetastet. 
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die verfügte Missbrauchskontrolle in gewissen Fällen zu einer Verzögerung der Postaufgabe bzw. Postzustellung führen könnte. Kontrollen, welche zu erheblichen Verzögerungen oder gar prozessualen Fristversäumnissen geführt hätten, werden vom Beschwerdeführer nicht konkret genannt und bilden auch nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Ebenso wenig geht es bei der hier streitigen Postkontrolle in Untersuchungshaft um materielle Haftprüfungen, die (gestützt auf Art. 31 Abs. 3-4 BV) mit besonderer Beschleunigung zu behandeln wären. Zwar erwähnt der Beschwerdeführer diverse Justizverfahren vor in- und ausländischen Behörden, an denen er beteiligt sei, und er befürchtet eine unzulässige inhaltliche Kenntnisnahme von Informationen, die dem Amtsgeheimnis unterliegen (bzw. eine indirekte Verletzung seines Rechts, die Aussage zu verweigern). Die im angefochtenen Entscheid verfügte reine Missbrauchskontrolle (Überprüfung der tatsächlichen Absender bzw. Empfänger) muss jedoch in begründeten Fällen auch bei angeblicher Anwaltspost bzw. Sendungen von und an Behörden grundsätzlich gewährleistet sein. Eine inhaltliche Kontrolle und Durchsicht der betreffenden Sendungen wurde nicht bewilligt. Der Beschwerdeführer räumt ein, eine solche sei auch bisher "nicht vorgekommen". Angesichts der dargelegten wiederholten Kollusionsversuche (bzw. des Missbrauchs des Kontaktprivilegs) durch den Beschwerdeführer erweist sich auch der verfügte Eingriff in den freien Verteidigerverkehr im vorliegenden konkreten Fall als verhältnismässig und bundesrechtskonform. 
 
7. 
Diverse weitere Vorbringen des Beschwerdeführers bilden nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Dies betrifft namentlich seinen "Wiedereinsetzungsantrag" vom 16. September 2009 oder die (am 1. Juli 2009 erfolgte) gerichtliche Ernennung des Offizialverteidigers. Darauf ist nicht einzutreten (vgl. Art. 78 Abs. 1 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 BGG). 
 
8. 
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Die separate Zwischenverfügung der Vorinstanz vom 10. August 2009 betreffend aufschiebende Wirkung (des damals hängigen Rekurses) sei zwar dem Offizialverteidiger zugestellt worden, nicht aber dem Beschwerdeführer selbst, der das Rekursverfahren "alleinverantwortlich" geführt habe. 
Es kann offen bleiben, ob die Gehörsrüge (im Hinblick auf das aktuelle Rechtsschutzinteresse und den Anfechungsgegenstand der Beschwerde) überhaupt zulässig wäre. Mit der Zustellung der Zwischenverfügung an den Offizialverteidiger, der auch zur fakultativen Stellungnahme eingeladen worden war, wurde dem verfassungsrechtlichen Gehörsanspruch Genüge getan. Die Instruktion zwischen Verteidigung und Mandantschaft ist grundsätzlich deren Aufgabe. Im vorliegenden Fall bestand für die Behörden keine sachliche Veranlassung, in diesem Zusammenhang weitere Vorkehren zu treffen. 
 
9. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt erscheinen, ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde hinfällig. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 11. Dezember 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster