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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_629/2007/bnm 
 
Urteil 20. März 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________ (Ehefrau), 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Frey, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehemann), Belgien, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Fredy Fässler, 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 25. September 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Y.________ (Ehemann) und X.________ (Ehefrau) heirateten im Jahr 1987. Sie haben die Zwillingstöchter R.________ und S.________, geb. 1994. Der gemeinsame Haushalt wurde Ende 2001 aufgelöst. Anfangs 2004 wurde Y.________ Vater eines Kindes mit seiner neuen Lebenspartnerin. Kurz nach Einreichung der Scheidungsklage im Juli 2004 zog er zurück nach Belgien, wo er Vater eines weiteren Kindes wurde. Im Jahr 2007 heiratete er seine Partnerin. Er kündigte an, dass ein drittes Kind unterwegs sei. 
 
B. 
Mit Entscheid vom 13. Juni 2006 schied das Kreisgericht St. Gallen die Ehe von Y.________ und X.________. Es stellte R.________ und S.________ unter die elterliche Sorge der Mutter, sah von einer Regelung des persönlichen Verkehrs ab und hob die Beistandschaft auf. Sodann verpflichtete es Y.________ zu Kinderunterhalt von je Fr. 1'000.-- bis zum Abschluss der Erstausbildung und zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 1'100.--. 
 
C. 
Mit Berufung beantragte Y.________ ein Ferienrecht von sechs Wochen und die Anordnung einer Beistandschaft. Sodann verlangte er, der Kinderunterhalt sei auf je Fr. 500.-- herabzusetzen und von nachehelichem Unterhalt sei ganz abzusehen. 
 
Bezüglich des persönlichen Verkehrs und der Beistandschaft trafen die Parteien eine Vereinbarung, welche das Obergericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 25. September 2007 genehmigte. Sodann verpflichtete es Y.________ zu Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 750.-- bis zum Abschluss der Erstausbildung und sah von der Festsetzung nachehelichen Unterhalts ab, verbunden mit der Feststellung, dass der Fehlbetrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts von X.________ Fr. 650.-- betrage. 
 
D. 
Dagegen hat X.________ eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um Festsetzung von Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 1'000.-- und eines nachehelichen Unterhalts von Fr. 1'100.-- bis November 2010, eventuell um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung. Sodann verlangt sie die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Präsidialverfügung vom 21. November 2007 wurde das Massnahmegesuch abgewiesen. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten sind die Fr. 30'000.-- übersteigenden vermögensrechtlichen Folgen eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; auf die Beschwerde ist somit einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
 
Gerügte Rechtsverletzungen prüft das Bundesgericht frei (Art. 95 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellungen prüft es indes nur auf Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 249 E. 1.2.2; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Diesbezüglich gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG); das Bundesgericht prüft hier nur klar und detailliert erhobene Rügen - die im Übrigen zu belegen sind, wobei der schlichte Verweis auf kantonale Akten unzulässig ist (BGE 114 Ia 317 E. 2b S. 318) -, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Willkür in der Beweiswürdigung setzt voraus, dass der Richter den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich nicht erkannt, ohne vernünftigen Grund ein entscheidendes Beweismittel ausser Acht gelassen oder aus den vorhandenen Beweismitteln einen unhaltbaren Schluss gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9). Was die Annahme eines hypothetischen Einkommens anbelangt, ist die effektive Erzielbarkeit (angesichts des Alters, der Gesundheit, der Ausbildung, der persönlichen Fähigkeiten, der Arbeitsmarktlage, etc.) Tatfrage, hingegen Rechtsfrage, ob die Erzielung angesichts der Tatsachenfeststellungen als zumutbar erscheint (vgl. BGE 126 III 10 E. 2b S. 13 oben; 128 III 4 E. 4c/bb und cc S. 7). 
 
2. 
Hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeiten hat das Obergericht festgestellt und erwogen, der Beschwerdegegner sei belgischer Staatsangehöriger und habe ab 1993 für rund zehn Jahre als Produktmanager bei der Firma Z.________ gearbeitet. Zur Zeit der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes habe er mit Nebeneinnahmen aus Lehraufträgen an der Fachhochschule A.________ und der University B.________ ein Einkommen von gut Fr. 10'000.-- im Monat erzielt. Infolge gesundheitlicher Schwierigkeiten habe er sein Arbeitsverhältnis auf Januar 2003 gekündigt und habe damit offenbar einer Kündigung durch die Arbeitgeberin zuvorkommen wollen. Die Nebeneinkünfte seien ebenfalls weggefallen und er habe sich arbeitslos gemeldet. Das RAV C.________ habe sein Gesuch um Taggelder zur Vorbereitung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Bereich der Unternehmensberatung gutgeheissen. Er habe Taggelder von rund Fr. 6'000.-- pro Monat bezogen, es aber offensichtlich nicht geschafft, in der Schweiz mit einer selbständigen Tätigkeit Fuss zu fassen. Seinen Unterhaltsverpflichtungen sei er nur schleppend nachgekommen, und er habe auch keinen dauerhaften persönlichen Kontakt mit den beiden Töchtern aufbauen können. Nach seiner Rückkehr nach Belgien habe er dort eine eigene Sprachschule eröffnet. Entgegen der Ansicht des Kreisgerichts sei dem Beschwerdegegner eine Rückkehr in die Schweiz nicht zumutbar, weshalb für die Leistungsfähigkeit auf die belgischen Verhältnisse abzustellen sei. Während der Beschwerdegegner in der Berufungseingabe noch von einem Nettoeinkommen von Fr. 4'000.-- ausgegangen sei und er eine kontinuierliche Steigerung der Einkünfte erwartet habe, soll die Sprachschule im Jahr 2006 einen Verlust erwirtschaftet und ihm Fr. 2'200.-- pro Monat ausbezahlt haben. Er habe indes in keiner Weise dargetan, warum sich der Geschäftsgang der Sprachschule nicht wie erwartet entwickelt habe, und er habe es auch versäumt, seine Lebensverhältnisse glaubwürdig zu belegen. Gemäss einer Auskunft der Schweizer Botschaft in Brüssel erziele eine Mittelschullehrkraft mit 25 Jahren Berufserfahrung netto Fr. 4'395.--. Bei Lebenshaltungskosten von 75% im Verhältnis zur Schweiz belaufe sich das Existenzminimum für den Beschwerdegegner und seine neue Familie auf Fr. 2'895.--. Die Differenz von Fr. 1'500.-- habe er vollumfänglich für die beiden in der Schweiz lebenden Töchter zu verwenden, weshalb er zu Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 750.-- zu verpflichten sei. 
 
3. 
Vorweg ist klarzustellen, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Schweiz nicht zumutbar ist, nachdem er in Belgien mit seiner neuen Ehefrau und mehreren Kindern als Familie lebt. Die mit der Schweiz zusammenhängenden Vorbringen (Kündigung bei der Firma Z.________ angeblich bloss wegen des Scheidungsverfahrens; Ausführungen zu den Gründen für die Aufgabe der Lehrtätigkeit; Ausführungen zu seinem "Fluchtverhalten" etc.) sind deshalb von vornherein gegenstandslos. Auszugehen ist vielmehr von der Frage, wieviel der Beschwerdegegner heute in Belgien verdient bzw. wie viel er dort hypothetisch verdienen könnte. 
Diesbezüglich hat das Obergericht befunden, angesichts seiner Ausbildung und seines Alters sei der Beschwerdeführer in der Lage, als Mittelschullehrer ein Nettoeinkommen von Fr. 4'395.-- zu erzielen. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, erschöpft sich weitgehend in appellatorischer Kritik, wie sie mit Bezug auf Tatsachenfeststellungen unzulässig ist, und in blossen Verweisen auf ihre kantonalen Ausführungen (insb. auf S. 10), was mit Bezug auf Tatsachenfeststellungen ebenfalls unzulässig ist (vgl. E. 1). Darauf ist nicht einzutreten. 
 
An der Sache vorbei geht sodann das Vorbringen, der Beschwerdegegner habe im seinerzeitigen Internetauftritt der Sprachschule von einem luxuriösen Umfeld in einem wunderbaren Lokal und einem extrem engagierten Team gesprochen. Abgesehen davon, dass die Schule offenbar Verluste schreibt und es deshalb nicht weiter erstaunen würde, wenn kein entsprechender Internetauftritt mehr bestünde, gebricht es den betreffenden Ausführungen an einem Zusammenhang mit den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen; die Beschwerdeführerin müsste aufzeigen, dass das Obergericht in Willkür verfallen ist, wenn es dem Beschwerdegegner nicht ein höheres Einkommen aus den Einnahmen der Sprachschule angerechnet hat. Allein aus einem Verweis auf die seinerzeit geäusserten Hoffnungen des Beschwerdegegners auf eine erfolgreiche Entwicklung der Sprachschule ergibt sich aber keine Willkür. 
 
Keine Willkür dartun kann die Beschwerdeführerin schliesslich mit dem Vorbringen, sie habe bereits vor Obergericht auf die Erhebung "Preise und Löhne; ein Kaufkraftvergleich rund um die Welt" der UBS hingewiesen, wonach ein Produktmanager in Brüssel netto rund  29'000.-- und ein Abteilungsleiter rund  69'500.-- netto verdienten: Zunächst ist nicht erstellt, dass der Beschwerdegegner bei der Firma Z.________ Abteilungsleiter gewesen ist; einzig aus dem Umstand, dass er einen Bonus erhalten hat, ergibt sich dies jedenfalls nicht, und gemäss den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen war er vielmehr als Produktmanager tätig. Die als Richtlohn für diese Funktion genannten  29'000.-- pro Jahr entsprechen aber nicht einmal den obergerichtlich eingesetzten Fr. 4'395.-- pro Monat. 
Insgesamt vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun, dass und inwiefern die obergerichtliche Feststellung, der Beschwerdegegner könnte in Brüssel als Mittelschullehrer arbeiten und dabei ein Nettoeinkommen von Fr. 4'395.-- erzielen, willkürlich sein soll. 
 
4. 
Als unbegründet erweist sich schliesslich die im Zusammenhang mit den Erwerbsmöglichkeiten des Beschwerdegegners erhobene Rüge, der aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessende Anspruch auf Entscheidbegründung sei verletzt: Nach der Rechtsprechung muss die Begründung so abgefasst sein, dass der Betroffene sie gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann, was voraussetzt, dass er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102; 129 I 232 E. 3.2 S. 236). Dies ist angesichts der dataillierten oberinstanzlichen Erwägungen der Fall, und mit ihren umfangreichen Ausführungen beweist die Beschwerdeführerin selbst, dass sie ohne weiteres in der Lage war, den obergerichtlichen Entscheid sachgerecht anzufechten. 
 
5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist sie als von Anfang an aussichtslos zu bezeichnen, weshalb das Gesuch um unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG) und die Beschwerdeführerin kostenpflichtig wird (Art. 66 Abs. 1 BGG). Unabhängig davon hat sie die Gegenpartei für die Stellungnahme zum Massnahmegesuch zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner mit Fr. 500.-- zu entschädigen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. März 2008 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Möckli