Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_339/2013  
   
   
 
 
 
Verfügung vom 4. Februar 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Aebi, 
 
gegen  
 
Y.________ Krankenkasse, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kernen,  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Büro G-2, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich,  
Bezirksgericht Bülach, I. Abteilung, Spitalstrasse 13, 8180 Bülach.  
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Akteneinsicht, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 12. September 2013 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führte eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen verschiedener Vermögensdelikte und erhob im Februar 2013 Anklage beim Bezirksgericht Bülach unter anderem wegen Betrugs zum Nachteil der Y.________ Krankenkasse; diese konstituierte sich als Privatklägerin. Die Verfahrensleitung des Bezirksgerichts gewährte ihr mit Verfügung vom 8. Juli 2013 vollumfängliche Akteneinsicht mit Ausnahme der Akten zur Person der Beschuldigten. Hiergegen beschwerte sich X.________ beim Obergericht des Kantons Zürich. Sie beantragte, der Privatklägerin sei nur Einsicht in die Akten betreffend deren Schädigung zu gewähren (d.h. in das Nebendossier 2). Mit Beschluss vom 12. September 2013 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde kostenfällig ab. 
 
2.   
Hiergegen erhob X.________ mit Eingabe vom 26. September 2013 Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie beantragte, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und der Privatklägerin sei nur Einsicht in diejenigen Akten zu gewähren, die mit ihrer eigenen Schädigung im Zusammenhang stünden (Nebendossier 2). Im Weiteren sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung beizuordnen und die Aktenherausgabe an die Privatklägerin vorsorglich zu untersagen. 
 
 Am 14. Oktober 2013 teilte das Bezirksgericht Bülach den Verzicht auf Vernehmlassung mit und orientierte, dass die Privatklägerin Y.________ Krankenkasse im Hinblick auf die Hauptverhandlung Mitte Oktober 2013 am 2. Oktober 2013 die gesamten Akten einsehen konnte. 
 
 Die Beschwerdegegnerin Y.________ Krankenkasse beantragte am 14. November 2013, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. 
 
 Das Obergericht des Kantons Zürich und die Staatsanwaltschaft haben auf Äusserungen zum Verfahren verzichtet. 
 
 Mit Eingabe vom 12. Dezember 2013 hat die Beschwerdeführerin an ihren Beschwerdeanträgen festgehalten und neu beantragt, im Falle des Nichteintretens seien die Kosten und eine Parteientschädigung der Beschwerdegegnerin und/oder dem Kanton Zürich aufzuerlegen und die Angelegenheit zu entsprechender Neuverlegung der Kosten der vorinstanzlichen Verfahren an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
3.   
Der angefochtene Beschluss stellt einen Zwischenentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 BGG) dar, der gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG der Beschwerde in Strafsachen unterliegt, sofern die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG gegeben sind. Ob dies hier der Fall ist, kann offen bleiben. 
 
4.   
Streitgegenstand ist der Umfang des Akteneinsichtsrechts der Beschwerdegegnerin. Dieser ist das volle Einsichtsrecht nach Einreichung der Beschwerde vom 26. September 2013, aber noch vor Ergehen einer provisorischen Anordnung des Bundesgerichts (am 11. Oktober 2013) durch das Bezirksgericht Bülach gewährt worden (Act. 16, Vernehmlassungsbeilage 5). Damit ist der Beschwerdegegnerin zugestanden worden, was die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde verhindern wollte und ist deren Rechtsschutzinteresse nicht mehr aktuell. Die Beschwerde ist obsolet und gegenstandslos geworden. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach ein Rechtsschutzinteresse noch immer bestehe, weil die Beschwerdegegnerin erneut Einsicht in die Akten oder in seither neu angelegte Aktenstücke nehmen könnte, rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Der Beschwerdegegnerin standen die Akten im von ihr anbegehrten - und vorliegend bestrittenen - Umfang zur Einsicht offen. Eine erneute Einsichtnahme in die damals vorhandenen Akten wäre nicht mit zusätzlichen Rechtsnachteilen verbunden, und die Öffnung vorenthaltener oder neu hinzugefügter Akten wäre Gegenstand eines neuen Einsichtsbegehrens (Art. 102 Abs. 1 BGG). 
 
 Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass das Bundesgericht praxisgemäss auf das Erfordernis eines aktuellen praktischen Rechtsschutzinteresses verzichtet, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (BGE 139 I 206 E. 1.1 S. 208 m.H.). Eine rechtzeitige höchstrichterliche Beurteilung der hier interessierenden Rechtsfrage erscheint jedoch im Normalfall durchaus möglich, weshalb sich deren Beantwortung im vorliegenden Zusammenhang nicht aufdrängt. 
 
5.   
Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos, so erklärt ihn der Instruktionsrichter als Einzelrichter nach Vernehmlassung der Parteien als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 72 BZP i.V.m. Art. 71 und 32 Abs. 2 BGG). 
 
 Hinsichtlich des mutmasslichen Verfahrensausgangs ist davon auszugehen, dass das Gesetz der Privatklägerschaft Parteistellung verleiht (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO) und den Parteien nach seinem Wortlaut grundsätzlich ein volles Akteneinsichtsrecht einräumt (Art. 107 Abs. 1 StPO). Dieses kann unter den Voraussetzungen von Art. 108 StPO eingeschränkt werden (Art. 101 Abs. 1 StPO). Dass die Voraussetzungen von Art. 108 StPO zur Einschränkung des rechtlichen Gehörs vorliegend gegeben waren, wird nicht geltend gemacht. In der Lehre wird zum Teil die Auffassung vertreten, die Akteneinsicht einer Partei sei auf jene Akten beschränkt, die sie zur Wahrung ihrer Interessen kennen muss (vgl. namentlich NIKLAUS SCHMID, StPO Praxiskommentar, 2. Aufl., Zürich/St.Gallen 2013, Art. 101 N. 10). Andere Autoren äussern sich gegenteilig (z. Bsp. JOËLLE CHAPUIS, in: Kuhn/Jeanneret (Edit.), Commentaire Romand CPP, Basel 2011, art. 101 n. 3) oder differenziert (z.Bsp. VIKTOR LIEBER in: Donatsch/Hansjakob/Lieber (Hrsg.), Kommentar zur StPO, Zürich 2010, N. 12 zu Art. 101 und N. 7 zu Art. 108; MARKUS SCHMUTZ, in Basler Kommentar StPO, N. 5 u. 8 ff. zu Art. 101). Die bisher ergangene Rechtsprechung geht in Richtung einer eher offenen Handhabung des Einsichtsrechts (BGE 138 IV 78 E. 3 S. 80; vgl. in diesem Zusammenhang auch BGE 139 IV 78 E. 3.3.3 S. 81; 139 IV 84 E. 1.1 u. 1.2 S. 86 ff.). Vorliegend kommt hinzu, dass die Beschwerdegegnerin gewisse für sie relevante Aktenstücke nicht im Nebendossier 2, sondern in anderen Dossiers der Verfahrensakten aufgefunden hat. Ausserdem wäre die gezielte Aufbereitung zahlreicher Dossiers im Hinblick auf eine interessenbedingt beschränkte Einsicht in Verfahren mit umfangreichem Aktenmaterial wie hier mit recht hohem Administrativaufwand verbunden; dies würde entsprechend grosse Geheimhaltungsinteressen der Beschuldigten voraussetzen, welche hier nicht gegeben sind. Unter all diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Beschwerde an das Bundesgericht keinen Erfolg gehabt hätte. 
 
6.   
Damit wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kosten- und entschädigungspflichtig. Zwar musste sie nicht annehmen, dass das Bezirksgericht der Beschwerdegegnerin bereits Akteneinsicht gewähren würde, bevor das Bundesgericht dies mittels vorsorglicher Massnahme verhindern konnte. Es rechtfertigt sich daher, für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG). Indessen hat die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Zudem besteht kein Anlass, auf die vorinstanzliche Kostenverlegung zurückzukommen. 
 
 
Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.   
Die strafrechtliche Beschwerde wird als gegenstandslos vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten. 
 
4.   
Diese Verfügung wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, dem Bezirksgericht Bülach, I. Abteilung, und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Februar 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi