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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_559/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 27. Januar 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Denys, Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Györffy, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,  
2. Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Sprenger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Amtsmissbrauch usw.; Willkür; Einstellung der Strafuntersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 14. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Y.________, Beamter der Stadtpolizei Zürich, kontrollierte am 21. April 2011 X.________ wegen Verdachts einer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG). Bei der Kontrolle gingen beide Personen zu Boden. Nach der anschliessenden Weigerung, das Formular "Übertretung Betäubungsmittelgesetz" unter Beteiligung eines zweiten Beamten der Stadtpolizei auszufüllen, wurde X.________ auf den Posten der Stadtpolizei Zürich verbracht. 
 
 X.________ erstattete am 20. Juli 2011 Strafanzeige gegen Y.________ wegen Tätlichkeit, einfacher Körperverletzung, Nötigung und Amtsmissbrauchs. Das Obergericht des Kantons Zürich erteilte am 22. November 2011 die Ermächtigung zur Strafuntersuchung. Diese eröffnete die Staatsanwaltschaft am 15. März 2012. 
 
 Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 12. März 2012 wegen Übertretung des BetmG und Hinderung einer Amtshandlung. Auf dessen Berufung gegen die Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung hin bestätigte das Obergericht am 26. Oktober 2012 den Schuldspruch. 
 
B.  
 
 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich stellte am 14. Januar 2013 das Strafverfahren gegen Y.________ ein. 
 
 Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 14. Mai 2013 die Beschwerde von X.________ gegen die Einstellungsverfügung ab. 
 
C.  
 
 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben, in Gutheissung der an das Obergericht erhobenen Beschwerde die Einstellungsverfügung aufzuheben sowie die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, damit sie - allenfalls nach weiteren Untersuchungshandlungen - gegen Y.________ Anklage erhebe oder einen Strafbefehl erlasse. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG). Die Voraussetzungen von Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG sind nicht gegeben. Der Beschwerdeführer legt nicht dar (Art. 42 Abs. 2 BGG), dass irgendwelche Vollstreckungsmassnahmen vorgesehen sind. Für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung sind keine Gründe ersichtlich.  
 
1.2. Beschwerdegegenstand ist der vorinstanzliche Beschluss (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG). Im Übrigen ist auf die Beschwerde (oben Bst. C) nicht einzutreten.  
 
2.  
 
 Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Annahme, es sei wahrscheinlicher, dass der Beschwerdegegner freigesprochen als verurteilt werde, verletze den Grundsatz in dubio pro duriore sowie Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und 13 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II und das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung. In Betracht kämen einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB), fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB), Tätlichkeit (Art. 126) oder Amtsmissbrauch (Art. 312 StGB). 
 
2.1. Ob ein Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörde nicht an die Hand zu nehmen oder einzustellen ist, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz in dubio pro duriore (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; vgl. BGE 138 IV 86 E. 4.2, 186 E. 4.1). Im Zweifelsfall sollen die Gerichte entscheiden (BGE 138 IV 86 E. 4.2; 137 IV 219 E. 7.1 und 7.2). Bei dieser Beurteilung verfügen Staatsanwaltschaft wie Vorinstanz über ein gewisses Ermessen, in welches das Bundesgericht mit Zurückhaltung eingreift (BGE 138 IV 186 E. 4.1).  
 
2.2. Zum Gehalt der vom Beschwerdeführer angerufenen verfassungs-, konventions- und völkerrechtlichen Normen kann auf die Ausführungen in BGE 138 IV 86 E. 3.1 verwiesen werden. Der Beschwerdeführer zitiert diese Erwägungen, ohne zu begründen, inwiefern diese Normen im Einzelnen verletzt sein sollen. Insoweit ist darauf nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.3. Zu den Verfahrensrechten zählt der durch Art. 3 EMRK und Art. 10 Abs. 3 BV geschützte Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wenn jemand in vertretbarer Weise vorbringt, von der Polizei erniedrigend behandelt worden zu sein. Aus dem Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK wird ferner ein Anspruch auf wirksamen Zugang zum Untersuchungsverfahren abgeleitet (BGE 131 I 455 E. 1.2.5 f.; Urteil 6B_529/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 2.2).  
 
 Eine rechtmässige Festnahme muss der Betroffene dulden ( MARTIN SCHUBARTH, Festnahmerecht oder Festnahmepflicht, ZStrR 125/2007 S. 86). Auch befugte polizeiliche Gewalt hat die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (Art. 7 BV) und muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV; vgl. BGE 134 I 221 E. 3.3). Eine "in vertretbarer Weise" vorgebrachte Behauptung, ein Polizist habe gegenüber dem Betroffenen eine schwerwiegende strafbare Handlung begangen, begründet den strafprozessual erforderlichen Anfangsverdacht. Die Rüge, Art. 3 EMRK sei verletzt, führt in diesem Fall zu einer freien bundesgerichtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils. Auf das kantonale Straf- und Polizeirecht ist insoweit nicht weiter einzugehen (Urteil 6B_529/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 2.2.1). 
 
 Der Polizeieinsatz betraf eine Anhaltung des Beschwerdeführers und dessen Verbringung auf den Posten der Stadtpolizei Zürich. Aufgrund der Ermächtigung des Obergerichts eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung. Der Anspruch auf eine Strafuntersuchung ist nicht verletzt. 
 
2.4. Eine erniedrigende Behandlung verstösst gegen Art. 10 Abs. 3 BV sowie Art. 3 EMRK, wenn sie ein gewisses Minimum an Schwere erreicht. Das ist im Einzelfall nach den gesamten Umständen zu beurteilen, insbesondere nach Dauer, physischen und psychischen Folgen, Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand (BGE 134 I 221 E. 3.2.1). Eine erniedrigende Behandlung ist die schwächste Stufe eines Verstosses gegen Art. 3 EMRK. Diese kann nach der Rechtsprechung des EGMR vorliegen, wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Inferiorität erzeugt, die demütigen oder herabwürdigen sollen wie etwa unnötige Nacktinspektionen. Eine Fesselung ist nicht erniedrigend, wenn dafür erwartete Reaktionen des Verhafteten vorliegen ( FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, N. 9 zu Art. 3 EMRK; Urteil 6B_529/2009 vom 22. Dezember 2009 E. 2.2.3).  
 
2.4.1. Der Beschwerdegegner war als Zivilfahnder unterwegs und ging vom Verdacht eines Betäubungsmitteldelikts aus, als er sich dem Beschwerdeführer näherte und als Polizist auswies. Was sich dann ereignete ist strittig. Niemand beobachtete, wie der Beschwerdegegner mit dem Beschwerdeführer zu Boden ging. Der zweite Polizeibeamte kam hinzu, als beide am Boden lagen (Urteil S. 7).  
 
 Der Beschwerdeführer machte geltend, der Beschwerdegegner habe ihm in unverhältnismässiger Weise die Arme auf den Rücken gebogen, ihn von hinten in die Kniekehle getreten und sich ihm auf den Rücken geworfen, so dass er auf sein Brustbein gefallen sei. Er habe das Minigrip (0,3 g Kokain) fallen gelassen und keinen Widerstand geleistet (Urteil S. 7 f.). 
 
 Die Vorinstanz geht willkürfrei davon aus, dass der Beschwerdeführer das Minigrip fortwerfen wollte und der Beschwerdegegner ihn daran hindern wollte (Urteil S. 9). Sie nimmt an, das Vorgehen sei nach Art. 14 StGB gerechtfertigt. Die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers (Prellung im Brustbereich) weise nicht auf einen Gewaltexzess hin (Urteil S. 11). Ein Tritt in die Kniekehle sei nicht plausibel (der Beschwerdeführer wäre nach hinten gefallen und nicht auf die Brust). Die ärztliche Untersuchung habe keine Prellmarken ergeben. Das Verletzungsbild stehe nach dem Bezirksgericht mit dem vom Beschwerdegegner beschriebenen Vorgehen des Umfassens mit den Armen und Wegziehens vom Geländer in Einklang (Urteil S. 10). 
 
 Die Einsatzärztin stellte gleichentags, am 21. April 2011, im Wesentlichen eine Thoraxkontusion und keine Prellmarken fest. Der 38-jährige Patient war in gutem Allgemeinzustand, wach und allseits orientiert (kantonale Akten, act. 6/1). Ein Arzt bestätigte diesen Befund nach einer Sprechstunde vom 30. April 2011 mit "Kontusion/Prellung Rippenthorax, Brustbein und Rücken" (act. 6/5). 
 
 Wie die Vorinstanz weiter ausführt, kann die Polizei im Interesse der Aufklärung einer Straftat eine Person anhalten und wenn nötig auf den Polizeiposten bringen (Art. 215 StPO). Die Polizei ist dazu verpflichtet, wenn sie eine Person bei einem Verbrechen oder Vergehen auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat angetroffen hat (Art. 217 Abs. 1 lit. a StPO). Die Mitnahme sei gerechtfertigt gewesen, weil der Beschwerdeführer wegen einer Widerhandlung gegen das BetmG zu befragen und ärztlich zu untersuchen war. Er habe vor Ort geltend gemacht, verletzt worden zu sein. Sonst bestünde die Gefahr des Beweismittelverlusts (Urteil S. 14 f.). Ferner sei die Mitnahme bei unkooperativem Verhalten gemäss Art. 215 Abs. 1 StPO zulässig gewesen. Mit der Androhung, ihn ohne Geständnis (bei erdrückenden Beweisen) bzw. ohne Ausfüllens des entsprechenden Formulars auf den Polizeiposten zu verbringen, sei keine unzulässige Druckausübung erfolgt (Urteil S. 17). 
 
2.4.2. Aufgrund der rechtskräftigen bezirks- und obergerichtlichen Schuldsprüche hat sich der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Verhaftung und Verbringung auf den Polizeiposten der Widerhandlung gegen das BetmG sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig gemacht.  
 
 Wie der Beschwerdeführer einwendet, finden sich in den Aussagen der Beteiligten Widersprüche. Das trifft auch auf seine eigenen Aussagen zu. Eine Widersprüchlichkeit der Aussagen von Beteiligten ist in Strafverfahren nicht ungewöhnlich und stellt keine Besonderheit des zu beurteilenden Sachverhalts dar. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine weitere Untersuchung nähere Aufschlüsse zu erbringen vermöchte. Entscheidend ist, ob das polizeiliche Handeln angesichts der eruierbaren tatsächlichen Konstellation nach dem massgebenden Recht gerechtfertigt war. Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich gemäss Art. 14 StGB rechtmässig, "auch wenn die Tat nach diesem oder einem anderen Gesetz mit Strafe bedroht ist". Das gilt ebenso für das polizeiliche Vorgehen. 
 
 Nach dem massgeblichen Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG) wollte der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer daran hindern, sich des Beweismittels (Kokain) zu entledigen (in die Sihl zu werfen; Urteil S. 9). Die Thoraxkontusion ist mit dem Wegreissen durch Umklammern und auf den Boden legen (aus polizeitaktischen Gründen) ohne Weiteres in Einklang zu bringen. Ein Zugriff musste schnell und robust erfolgen, sollte er seinen Zweck erreichen. Anhaltspunkte für eine unverhältnismässige Gewaltanwendung sind nicht gegeben. Die physische Beeinträchtigung des Beschwerdeführers dürfte den Schweregrad einer Tätlichkeit erreichen (Art. 26 Abs. 1 StGB). Solche Folgen sind bei einem regulären dynamischen Zugriff möglich. Der Verdacht auf ein Betm-Delikt war begründet. Die Verhinderung der Beweisvernichtung war rechtmässig. Da der Beschwerdeführer "auf frischer Tat ertappt" (Art. 217 Abs. 1 lit. a StPO) worden war und die formularmässige Erledigung (zulässigerweise) verweigerte, war es erforderlich, ihn auf den Polizeiposten zu verbringen. Das war auch zur ärztlichen Untersuchung geboten, weil der Beschwerdeführer vor Ort geltend gemacht hatte, durch den polizeilichen Zugriff verletzt worden zu sein (wie er in der Beschwerde S. 6 bestätigt). Amtsmissbrauch oder Nötigung fallen ausser Betracht. 
 
2.4.3. Eine Verurteilung des Beschwerdegegners erweist sich bei einer Anklageerhebung als unwahrscheinlich. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.  
 
3.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 StGB). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Januar 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw