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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 52/02 
 
Urteil vom 27. Mai 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Krähenbühl 
 
Parteien 
S.________, 1960, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 20. November 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem ein erstes Rentenbegehren mit unangefochten gebliebener Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 14. November 1997 abgelehnt worden war, meldete sich die 1960 geborene S.________ am 11. Mai 1998 erneut wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die Ergebnisse der in der Folge veranlassten Abklärungen medizinischer und erwerblicher Art gelangte die IV-Stelle zum Schluss, dass ein Rentenanspruch nach wie vor nicht gegeben sei, was sie der Versicherten nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren mit Verfügung vom 30. Januar 2001 eröffnete. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. November 2001 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ die Zusprechung einer ganzen, eventuell einer halben Invalidenrente beantragen. Zudem ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die IV-Stelle enthält sich unter Hinweis auf den kantonalen Entscheid einer Stellungnahme. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und dessen Umfang (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Richtig sind auch die Ausführungen über die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), bei Nichterwerbstätigen nach der spezifischen Methode (Betätigungsvergleich; Art. 27 Abs. 1 IVV) und bei teilerwerbstätigen Versicherten mit zusätzlichem Aufgabenbereich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG, namentlich bei teilerwerbstätigen Hausfrauen, nach der so genannten gemischten Methode (Art. 27bis Abs. 1 IVV; vgl. BGE 125 V 146). Dasselbe gilt hinsichtlich der Bedeutung ärztlicher Arbeitsfähigkeitsschätzungen für die Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) und der bei der Würdigung medizinischer Berichte zu beachtenden Grundsätze (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis). 
1.2 Beizufügen ist, dass, wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, eine neue Anmeldung nach Art. 87 Abs. 4 IVV nur geprüft wird, wenn die Voraussetzungen gemäss Abs. 3 erfüllt sind. Danach ist im Gesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Mit Art. 87 Abs. 4 IVV soll verhindert werden, dass sich die Verwaltung nach vorangegangener rechtskräftiger Leistungsverweigerung immer wieder mit gleich lautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Gesuchen befassen muss (BGE 125 V 412 Erw. 2b, 117 V 200 Erw. 4b mit Hinweisen). War eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert worden und ist die Verwaltung auf eine Neuanmeldung eingetreten (Art. 87 Abs. 4 IVV), so ist im Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob im Sinne von Art. 41 IVG eine für den Rentenanspruch relevante Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist (BGE 117 V 198 Erw. 3a mit Hinweis). 
1.3 Zu ergänzen bleibt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 30. Januar 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen). 
2. 
Unbestrittenermassen hat die Invaliditätsbemessung im vorliegenden Fall nach der gemischten Methode im Sinne von Art. 27bis IVV zu erfolgen, wobei der Anteil der Erwerbstätigkeit 80 % und derjenige der Betätigung im Haushalt 20 % beträgt. Unbeanstandet geblieben ist auch der für die Haushaltstätigkeit ermittelte Invaliditätsgrad von 28 %. Streitig und zu prüfen sind hingegen die Leistungsfähigkeit im erwerblichen Bereich einerseits und die Höhe der dem Einkommensvergleich zu Grunde zu legenden beiden Einkommen andererseits. Nicht ohne weiteres ersichtlich ist des Weitern, inwiefern sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der erstmaligen Leistungsverweigerung vom 14. November 1997 geändert haben (vgl. Erw. 1.2 hievor). 
2.1 Bezüglich der trotz der vorhandenen Gesundheitsschädigung noch zumutbaren Arbeitsleistung haben Vorinstanz und Verwaltung zu Recht auf das Gutachten der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ vom 10. Mai 2000 abgestellt. Gestützt darauf und die nachträglich noch eingeholte Bestätigung des Dr. med. T.________ und der Frau Dr. med. F.________ vom 20. Dezember 2000 ist davon auszugehen, dass die Arbeitsfähigkeit als Serviceangestellte bei 50 % liegt. 
 
Davon abzuweichen besteht auch auf Grund der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Veranlassung. Dass ein anlässlich eines Verkehrsunfalles am 10. Oktober 1997 erlittenes Schädel-Hirntrauma als erstellt gelten könne, wurde vom Eidgenössischen Versicherungsgericht bereits in dem ebenfalls die Beschwerdeführerin betreffenden Urteil vom 4. August 2000 (U 188/00) verneint, weshalb sich die diesbezüglich beantragten Aktenergänzungen erübrigen. Auch lässt sich die Ansicht der Vorinstanz, wonach die im Gutachten der Rheuma- und Rehabilitationsklinik X.________ empfohlene neuropsychologische und augenärztliche Abklärung für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Beschwerdeführerin im Servicebereich nicht von Bedeutung sei, nicht beanstanden. Die Aussage im Urteil H. vom 26. September 2001 (U 5/00), wonach die in einzelnen Fachgebieten festgestellten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit in ihrer Gesamtheit durchaus relevant sein können, auch wenn sie für sich allein nicht ins Gewicht fallen (in BGE 127 V 491 nicht publizierte Erw. 3a in fine), schliesst eine abweichende Erkenntnis in einem konkreten Einzelfall nicht zum Vornherein aus, weshalb die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten kann. Die ärztlicherseits attestierte vollständige Arbeitsunfähigkeit im erlernten Beruf als Coiffeuse oder aber als Kassiererin schliesslich erlaubt schon wegen der unterschiedlichen körperlichen Belastungssituationen keine Schlüsse auf das Leistungsvermögen in einer Servicetätigkeit. 
2.2 Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin indessen den vorinstanzlich bestätigten Einkommensvergleich. Der diesem zu Grunde gelegte Verdienst, den die Versicherte ohne Gesundheitsschaden erreichen könnte (Validenlohn), basiert auf dem tatsächlich erzielten Einkommen als Service-Aushilfe im Hotel Y.________ in Z.________. Massgebend ist jedoch das Einkommen, das die Beschwerdeführerin als Gesunde erzielen könnte. Wenn in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, ohne Gesundheitsschaden stünden der Versicherten "eine grössere Palette von Arbeitsmöglichkeiten mit besseren Einkünften zur Verfügung", so ist dies nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Tatsächlich arbeitete die Beschwerdeführerin, welche über eine Ausbildung als Coiffeuse verfügt, bereits im Jahre 1997 als teilzeitangestellte Kassiererin mit einem Stundenlohn von Fr. 19.26. Die Verwaltung, an welche die Sache zu diesem Zweck zurückzuweisen ist, wird deshalb hinsichtlich der im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses ohne Gesundheitsschädigung realistischerweise in Betracht fallenden Verdienstmöglichkeiten ergänzende Abklärungen zu treffen haben. Gestützt auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse wird sie den Einkommensvergleich neu durchführen. 
 
Was das trotz Gesundheitsschaden zumutbarerweise erzielbare Einkommen (Invalidenlohn) anbelangt, bleibt, entgegen der Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, kein Raum für einen so genannten "Leidensabzug", solange von dem als Service-Aushilfe im Hotel Y.________ trotz Gesundheitsschädigung effektiv erzielten Stundenlohn ausgegangen wird. Ein solcher leidensbedingter Abzug ist, als Korrektiv, einzig einzusetzen, wenn auf Durchschnittswerten, namentlich auf statistischen Erhebungen (Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik [LSE]) beruhende Lohnansätze, welche ein Versicherter wegen seiner gesundheitlichen Schädigung allenfalls nicht ohne weiteres zu erzielen in der Lage ist, als Grundlage des für die Invaliditätsbemessung vorzunehmenden Einkommensvergleichs herangezogen werden müssen (BGE 126 V 75). Dies trifft vorliegend nicht zu. Auch kann gestützt auf den am 25. April 2000 ausgefüllten Arbeitgeberfragebogen ausgeschlossen werden, dass der im Hotel Y.________ realisierte Verdienst eine Soziallohnkomponente enthält, welche nicht als Invalidenlohn angerechnet werden dürfte. 
3. 
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung, erweist sich damit als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. November 2001 und die Verwaltungsverfügung vom 30. Januar 2001 aufgehoben werden, und es wird die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Aargau hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 27. Mai 2003 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: