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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_325/2023  
 
 
Urteil vom 27. Juni 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Cornelio Zgraggen und Rechtsanwältin Céline Bussmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Baugenossenschaft B.________, 
2. Baugenossenschaft C.________, 
3. Baugenossenschaft D.________, 
4. Baugenossenschaft E.________, 
5. Baugenossenschaft F.________, 
6. Baugenossenschaft G.________, 
7. Baugenossenschaft H.________, 
8. Baugenossenschaft I.________, 
9. Baugenossenschaft J.________, 
10. Baugenossenschaft K.________, 
11. Baugenossenschaft L.________, 
12. Baugenossenschaft M.________, 
13. Baugenossenschaft N.________, 
14. Baugenossenschaft O.________, 
15. Baugenossenschaft P.________, 
16. Baugenossenschaft Q.________, 
17. Baugenossenschaft R.________, 
18. Baugenossenschaft S.________, 
19. T.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Meili, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Genossenschaftsrecht, Prozessvoraussetzungen, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Mai 2023 (HG230070-O). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Eingabe vom 8. März 2021 reichte A.________ (Klägerin, Beschwerdeführerin) beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen 18 Genossenschaften (Beklagte, Beschwerdegegnerinnen 1-18) ein mit dem Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die Beschlüsse der Vorstandssitzungen der beklagten Genossenschaften vom 15. November 2018 betreffend die Einräumung der Einzelzeichnungsberechtigung an T.________ (Nebenintervenient, Beschwerdegegner 19) nichtig sind (Antrags-Ziffer 1). Zudem seien die Handelsregisterämter der Kantone Zürich, Bern, Aargau, Luzern und Schwyz gerichtlich anzuweisen, die Zeichnungsberechtigung im jeweiligen Handelsregister zu löschen (Antrags-Ziffer 2).  
 
1.2. Mit Eingabe vom 14. Juni 2021 stellte T.________, der für die beklagten Genossenschaften jeweils eine Organfunktion ausübt, ein Gesuch um Zulassung als (unabhängiger) Nebenintervenient zugunsten der beklagten Genossenschaften und erstattete in eigenem Namen die Klageantwort. Mit Verfügung vom 12. August 2021 wies das Handelsgericht das Gesuch ab.  
Mit Urteil 4A_485/2021 vom 11. Januar 2022 hiess das Bundesgericht eine von T.________ gegen die handelsgerichtliche Verfügung vom 12. August 2021 erhobene Beschwerde teilweise gut, es hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurück. 
Mit Verfügung vom 15. Februar 2022 hiess das Handelsgericht das Gesuch von T.________ um Zulassung als unabhängiger Nebenintervenient zugunsten der Beschwerdegegnerinnen 1-18 gut (Dispositiv-Ziffer 1), es entschied, die Klageantwort des Nebenintervenienten vom 14. Juni 2021 werde berücksichtigt (Dispositiv-Ziffer 2) und setzte der Klägerin eine einmalige Frist an, um zu den prozessualen Fragen (Partei- und Prozessfähigkeit, Litispendenz, Rechtsschutzinteresse der Klägerin) Stellung zu nehmen. 
Mit Urteil 4A_119/2022 vom 18. März 2022 trat das Bundesgericht auf eine von der Klägerin gegen die handelsgerichtliche Verfügung vom 15. Februar 2022 erhobene Beschwerde nicht ein. 
 
1.3. Mit Beschluss vom 18. Juli 2022 trat das Handelsgericht auf die Klage nicht ein.  
Mit Urteil 4A_405/2022 vom 26. Januar 2023 hiess das Bundesgericht eine von der Klägerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts vom 18. Juli 2022 erhobene Beschwerde teilweise gut, es hob den angefochtenen Beschluss auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. 
 
1.4. Am 10. Mai 2023 erging der folgende Beschluss des Handelsgerichts:  
 
"1. Das Verfahren wird unter der Geschäfts-Nr. HG230070-O fortgeführt. 
2. Der im Verfahren mit der Geschäfts-Nr. HG210050-O geleistete Kostenvorschuss wird auf das vorliegende Verfahren übertragen. 
3. Der Antrag des Nebenintervenienten, es sei auf die Klage mangels eines Feststellungsinteresses nicht einzutreten, wird abgewiesen. 
4. Der Klägerin wird eine einmalige Frist bis 11. Juli 2023angesetzt, um mit Bezug auf die Beklagten 1-18 je ein Organisationsmängelverfahren einzuleiten und dem Gericht davon Mitteilung zu machen.  
Bei Säumnis wird auf die Klage nicht eingetreten. 
5. Das Verfahren wird bis zum rechtskräftigen Abschluss sämtlicher Organisationsmängelverfahren bzw. bis zum unbenützten Ablauf der Frist gemäss Dispositiv-Ziffer 4 sistiert. 
Der Klägerin wird aufgegeben, dem Gericht den Abschluss der rechtskräftigen Organisationsmängelverfahren mitzuteilen. 
[...]" 
Das Handelsgericht erwog insbesondere, die Beklagten 1-18 seien im vorliegenden Verfahren infolge einer Pattsituation in der Verwaltung (derzeit) nicht prozessfähig. 
 
1.5. Mit Beschwerde vom 19. Juni 2023 beantragt die Klägerin dem Bundesgericht, es seien die Dispositiv-Ziffern 4 und 5 des Beschlusses des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Mai 2023 in Bezug auf die Anordnung der Einleitung eines "Organisationsmängelverfahrens" und die Sistierung aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, auf die Klage vom 8. März 2021 einzutreten; eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts bzw. zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
Mit Eingabe vom 22. Juni 2023 beantragte die Beschwerdeführerin zudem, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
2.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 121 E. 1; 143 III 140 E. 1; 141 III 395 E. 2.1). 
 
2.1. Gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide, mit denen weder über die Zuständigkeit noch über Ausstandsbegehren entschieden wurde (vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss ein Nachteil rechtlicher Natur sein, der auch durch einen späteren günstigen Endentscheid nicht oder nicht gänzlich beseitigt werden kann, wogegen rein tatsächliche Nachteile wie die Verfahrensverlängerung oder -verteuerung nicht ausreichen (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden bildet aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben (BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2). Dabei obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anfechtbarkeit eines Zwischenentscheids erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 138 III 46 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; 133 III 629 E. 2.3.1). 
 
2.2. Der angefochtene Beschluss vom 10. Mai 2023 schliesst das handelsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache nicht ab. Daran vermag weder der in der Beschwerde erwähnte Umstand, dass für den Fall der Säumnis das Nichteintreten auf die Klage angedroht wurde, etwas zu ändern, noch das Vorbringen, die geforderten Organisationsmängelverfahren seien bereits vor dem Bezirksgericht Luzern rechtshängig gemacht worden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich beim angefochtenen Beschluss offensichtlich nicht um einen Endentscheid (Art. 90 BGG), sondern um einen Zwischenentscheid (vgl. Art. 92 f. BGG).  
 
Auch die Eventualbegründung der Beschwerdeführerin, wonach der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken könne, ist offensichtlich nicht stichhaltig: 
So zeigt sie keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil auf, indem sie den angefochtenen Beschluss inhaltlich kritisiert und der Vorinstanz vorwirft, sie habe übersehen, dass die Beschwerdeführerin bereits in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Luzern die gerichtliche Bestellung eines Sachwalters verlangt habe. Ebenso wenig trifft zu, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder behebbaren Verlust des Rechtsschutzes herbeiführen würde, sollte die Vorinstanz androhungsgemäss auf die Klage nicht eintreten, steht gegen einen solchen Endentscheid (Art. 90 BGG) doch die Beschwerde in Zivilsachen offen. Abgesehen davon, dass sie in dem von ihr ins Feld geführten Verfahren vor dem Bezirksgericht Luzern die Einsetzung eines Sachwalters lediglich als vorsorgliche Massnahme beantragt hat, was gegen die angeblich bereits bestehende Rechtshängigkeit der Organisationsmängelverfahren spricht, begründen ihre verfahrensrechtlichen Einwände gegen die Organisationsmängelverfahren von vornherein keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, verlangt der angefochtene Beschluss doch einzig die Einleitung entsprechender Verfahren sowie die entsprechende Mitteilung an die Vorinstanz. Der in der Beschwerde erwähnte Vergleich mit der Anfechtung einer Kostenvorschussverfügung überzeugt offensichtlich nicht.  
Ebenso wenig vermag die Beschwerdeführerin darzutun, dass die angeordnete Sistierung des Verfahrens zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) führen würde (dazu BGE 143 III 416 E. 1.4; 143 IV 175 E. 2.3; 138 III 190 E. 6). Es liegt auf der Hand, dass die im angefochtenen Beschluss festgestellte (derzeitig) fehlende Prozessfähigkeit der Beschwerdegegnerinnen 1-18 weitere verfahrensrechtliche Schritte erfordert; inwiefern eine entsprechende Klärung nicht innert angemessener Frist herbeigeführt werden könnte, ist nicht ersichtlich. 
Die Voraussetzungen für die Anfechtung eines Zwischenentscheids nach Art. 93 Abs. 1 BGG sind offensichtlich nicht erfüllt. Auf die Beschwerde ist daher im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten. 
 
3.  
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
Die Beschwerdeführerin wird bei diesem Verfahrensausgang kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdegegnern steht keine Parteientschädigung zu, da ihnen aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Juni 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann