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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 729/02 
 
Urteil vom 29. Januar 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Parteien 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin, 
 
betreffend P.________, 1940, 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 2. Oktober 2002) 
 
Sachverhalt: 
Die Invalidenversicherung übernahm die Staroperation vom 3. September 2001 am linken Auge des 1940 geborenen, als Kirchensigrist und Hauswart berufstätigen P.________ als medizinische Eingliederungsmassnahme (Verfügung vom 21. September 2001) und lehnte in der Folge mit Verfügung vom 20. Dezember 2001 die Übernahme der Staroperation vom 12. November 2001 am rechten Auge mit der Begründung ab, der Versicherte sei zur Ausübung seiner Erwerbstätigkeit nicht auf Binokularsehen angewiesen. 
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde des P.________ hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 2. Oktober 2002 gut und bejahte die Voraussetzungen für die Übernahme der Kataraktoperation vom 12. November 2001 durch die Invalidenversicherung. 
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt sinngemäss die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Wiederherstellung der Verfügung vom 20. Dezember 2001. 
 
Während die IV-Stelle des Kantons Bern (nachfolgend: IV-Stelle) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet der Versicherte auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1 IVG) und den Anspruch auf medizinische Massnahmen im Besonderen (Art. 12 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen dazu, dass die Übernahme der Staroperation als medizinische Eingliederungsmassnahme im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG grundsätzlich in Frage kommen kann (AHI 2000 S. 299 Erw. 2a mit Hinweisen), dass aber eine Kataraktoperation an einem Auge bei erhaltener Sehfähigkeit des anderen Auges nur dann von der Invalidenversicherung übernommen werden kann, wenn der Defekt die versicherte Person dermassen in der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit behindert, dass die Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wäre (AHI 2000 S. 296 f. Erw. 4b). Darauf wird verwiesen. 
1.2 Anzufügen bleibt, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (vom 20. Dezember 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Invalidenversicherung die am 12. November 2001 durchgeführte rechtsseitige Kataraktoperation am rechten Auge als medizinische Eingliederungsmassnahme zu übernehmen hat. 
3. 
3.1 Entscheidend ist in jedem Fall, dass eine operative Behandlung des grauen Stars (Katarakt) nur dann als medizinische Eingliederungsmassnahme durch die Invalidenversicherung übernommen werden kann, wenn keine erhebliche krankhafte Nebenbefunde vorhanden sind, die ihrerseits geeignet sind, die Aktivitätserwartung des Versicherten trotz der Operationen gegenüber dem statistischen Durchschnitt wesentlich herabzusetzen, wobei die Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit des Eingliederungserfolgs aus medizinisch-prognostischer Sicht beurteilt werden müssen (AHI 2000 S 299 Erw. 2b mit Hinweisen). 
3.2 Die Vorinstanz stellte auf den ergänzenden Bericht des behandelnden Augenarztes Dr. med. S.________, vom 21. März 2002 ab und vertrat im angefochtenen Entscheid die Auffassung, als Folge der ersten Operation am linken Auge sei durch die grosse Differenz der Sehstärke zwischen dem linken und rechten Auge ein Doppelsehen aufgetreten, welches zu Arbeitsunfähigkeit geführt habe und - wegen schlechter Verträglichkeit von Kontaktlinsen - einzig durch Vornahme der Kataraktoperation am rechten Auge habe beseitigt werden können. Dr. med. S.________ äusserte sich in seinem Bericht vom 21. März 2002 nicht zur medizinisch-prognostischen Beurteilung der Dauerhaftigkeit des am 12. November 2001 durchgeführten Eingriffs und das kantonale Gericht verzichtete im angefochtenen Entscheid auf Ausführungen zu dieser Voraussetzung für die Übernahme der rechtsseitigen Kataraktoperation als medizinischen Eingliederungsmassnahme. 
3.3 Im Rahmen der Prüfung des ersten Leistungsgesuchs des Versicherten hinsichtlich der von der Invalidenversicherung gemäss Verfügung vom 21. September 2001 übernommenen Kataraktoperation am linken Auge holte die IV−Stelle des Kantons Bern bei Dr. med. S.________ einen Bericht ein, womit dieser am 20. August 2001 abschliessend eine "Cataracta praesenilis links [sowie] hohe Myopie beidseits [und einen] Status nach Amotio retinae o.d. 1980" diagnostizierte. Zur Anamnese führte er aus, 1980 habe der Versicherte rechts eine Amotio retinae erlitten, welche in der Klinik behandelt worden sei. Es sei eine leichte Fibroplasie am Hinterpol entstanden und der beste Visus seither auf 0,6 reduziert geblieben. Links habe der korrigierte Visus früher 1,0 betragen. Weiter wies Dr. med. S.________ darauf hin, dass die Myopie am linken Auge wegen Kernsklerose innerhalb eines Jahres von 11 auf 17 Dioptrien zugenommen habe. Es handle sich bei der Myopie jedoch nicht um eine maligne. Schliesslich hielt er unter dem Titel "therapeutische Massnahmen / Prognose" ausdrücklich fest: "Nur das linke Auge hat eine gute Visusprognose, und die Cataract-Operation ist zur Restitution und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit indiziert." Damit brachte der behandelnde Augenarzt schon vor der ersten Kataraktoperation vom 3. September 2001 am linken Auge in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass er am rechten Auge - angesichts der 1980 durchgemachten Netzhautablösung, der sodann entstandenen leichten Fibroplasie am Hinterpol und der hohen Myopie von 14 Dioptrien - keine gute Visusprognose stellen konnte, so dass es von Vornherein an der Voraussetzung der Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolgs der hier streitigen, am 12. November 2001 durchgeführten rechtsseitigen Kataraktoperation fehlte, weshalb die IV-Stelle eine Übernahme dieses Eingriffs als medizinische Eingliederungsmassnahme mit Verfügung vom 20. Dezember 2001 im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2. Oktober 2002 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zugestellt. 
 
Luzern, 29. Januar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: