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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_628/2010 
 
Urteil vom 7. Oktober 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Gemeinde Salouf, 7462 Salouf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verkehrsbusse, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 26. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der Gemeindevorstand Salouf erklärte X.________ am 15. Februar 2010 wegen Nichtingangsetzens der Parkuhr (Art. 48 Abs. 6 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979, SSV; SR 741.21) schuldig und bestrafte sie mit einer Busse von Fr. 40.-- (Anhang 1 Ziff. 203.3 der Ordnungsbussenverordnung vom 4. März 1996, OBV; SR 741.031). Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies die von X.________ gegen die Strafverfügung erhobene Beschwerde am 26. Mai 2010 ab. 
 
B. 
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2010 aufzuheben und sie von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventuell sei der Fall an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. 
 
C. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Nach Art. 48 Abs. 6 SSV dürfen Motorwagen auf den entsprechend gekennzeichneten Parkplätzen nur gegen Gebühr und gemäss den an der Parkuhr vermerkten Bestimmungen abgestellt werden. Das Nichtingangsetzen der Parkuhr gemäss Art. 48 Abs. 6 SSV wird mit einer Busse von Fr. 40.-- bestraft (Ziff. 203.3 OBV). 
 
1.2 Die Beschwerdeführerin ist Halterin eines Personenwagens, der am 26. Juli 2009 auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz "Plaz da Munter" der Gemeinde Salouf parkiert war. Sie bestreitet nicht, dass ihr Fahrzeug zur fraglichen Zeit auf dem betreffenden Parkfeld abgestellt war, und dass keine Parkgebühr entrichtet wurde. Sie machte in ihrem Schreiben vom 10. November 2009 an die Gemeinde Salouf und in der Beschwerde an die Vorinstanz vom 25. Februar 2010 geltend, für sie und ihr Ehemann sei nicht mehr nachvollziehbar, wer damals den Wagen gelenkt respektive parkiert habe. Sie würden sich beim Lenken ihres Fahrzeugs immer wieder und beliebig abwechseln. Die lenkende Person festzustellen, sei für die Durchführung eines Strafverfahrens und für die Verhängung einer Busse unerlässlich. 
 
1.3 Die Vorinstanz führt aus, massgebend sei vorliegend nicht die Person des Fahrzeuglenkers, sondern vielmehr, ob sich die Beschwerdeführerin als Halterin des Personenwagens am 26. Juli 2009 in Salouf befunden habe. Die Beschwerdeführerin bestreite nicht, dass ihr Personenwagen zur fraglichen Zeit auf dem besagten Parkplatz abgestellt gewesen sei. Es sei für sie hingegen nicht mehr nachvollziehbar, wer damals den Wagen gelenkt habe. Aus ihren Ausführungen sei zu schliessen, dass sie am 26. Juli 2009 zumindest mitgefahren sei und beim Stehenlassen ihres Fahrzeugs auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz zugegen war, was sie im Übrigen auch nicht bestreite. Ob die Beschwerdeführerin oder ihr Ehemann den Wagen auf den Parkplatz gelenkt habe, sei unter diesen Umständen irrelevant. Selbst wenn ihr Ehemann das Auto auf den Parkplatz gelenkt hätte, wäre die gleichzeitig anwesende Beschwerdeführerin als Halterin des Fahrzeugs zur Ingangsetzung der Parkuhr und zur Hinterlegung des Parkscheins verpflichtet gewesen (angefochtenes Urteil S. 6). 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung. Die Vorinstanz sei ohne irgendwelche Beweise davon ausgegangen, sowohl ihr Ehemann als auch sie hätten sich zum relevanten Zeitpunkt im Fahrzeug befunden. Aus ihren Ausführungen, wonach sie und ihr Ehemann sich beim Fahren oft abwechseln würden, könne nicht geschlossen werden, dass beide im Fahrzeug gewesen seien. "Nicht bestreiten" bedeute nicht, dass der Vorwurf anerkannt und bestätigt werde. Sie und ihre Familie würden sich regelmässig, d.h. einige Male pro Jahr, von Salouf hinauf zur Wallfahrtskirche in Ziteil begeben. Manchmal würde die ganze Familie hingehen, manchmal nur ihr Mann und sie, manchmal ihr Mann oder sie alleine. Es sei auch schon vorgekommen, dass entweder ihr Mann oder sie bereits noch weiter unten im Tal aus dem Auto gestiegen und in der Folge zur Wallfahrtskirche hoch gelaufen sei. Vor diesem Hintergrund sei es ihnen nicht mehr möglich, mit Sicherheit zu rekonstruieren, wie es am fraglichen Tag tatsächlich abgelaufen sei. Selbstverständlich würden sie und ihr Ehemann sich "wenn notwendig" auf das Zeugnisverweigerungsrecht zwischen Ehegatten berufen. 
 
2.2 Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbständige Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a; 124 IV 86 E. 2a; je mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerdeschrift anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2). 
 
2.3 Aus ihrer Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung und ihrer Fahrberechtigung ergeben sich für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen gewisse Obliegenheiten (Urteile 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.4; 6B_571/2009 vom 28. Dezember 2009 E. 3.2: je mit Hinweisen). Ein Schuldspruch darf nicht ausschliesslich oder im Wesentlichen darauf abgestützt werden, dass der Beschuldigte geschwiegen oder sich geweigert hat, Fragen zu beantworten oder Aussagen zu machen. Bei der Gewichtung belastender Elemente darf indessen das Schweigen in Situationen, die nach einer Erklärung rufen, mitberücksichtigt werden (Urteil 1P.641/2000 vom 24. April 2001, publ. in Pra 90/2001 Nr. 110, E. 3). Die Haltereigenschaft stellt bei Strassenverkehrsdelikten ein Indiz für die Täterschaft dar. Das Gericht kann im Rahmen der Beweiswürdigung ohne Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 32 Abs. 1 BV) zum Schluss gelangen, der Halter habe das Fahrzeug selber gelenkt, wenn dieser sich weigert, Angaben zum tatsächlichen Lenker zu machen (vgl. Urteil 1P.641/2000 vom 24. April 2001 E. 4). Sich auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen oder die Möglichkeit ins Spiel zu bringen, nicht gefahren zu sein, hindert das Gericht nicht daran, eine Täterschaft anzunehmen (Urteile 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.1; 6B_1053/2009 vom 29. März 2010 E. 2.4; je mit Hinweisen). 
 
2.4 Die vorinstanzliche Beweiswürdigung hält einer Willkürprüfung stand. Die Haltereigenschaft der Beschwerdeführerin am Tatfahrzeug darf nach der Rechtsprechung als Indiz für ihre Täterschaft gewertet werden. Hätte sie mit ihrem Einwand, sie und ihr Ehemann würden sich beim Lenken des Fahrzeugs oft abwechseln, tatsächlich zum Ausdruck bringen wollen, sie habe sich am 26. Juli 2009 nicht nach Salouf begeben, hätte sie kaum den Ausdruck "lenken", sondern etwa den allgemeineren Begriff "benutzen" verwendet, womit klar gewesen wäre, dass sie weder als Lenkerin noch als Mitfahrerin anwesend war. Die Beschwerdeführerin berief sich im kantonalen Verfahren weder auf ihr Aussageverweigerungsrecht noch auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund familienrechtlicher Beziehungen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, behauptet sie auch nicht, sie sei an jenem Tag nicht nach Salouf gefahren. Sie bringt vielmehr einzig vor, sie könne sich nicht mehr erinnern, was als Schutzbehauptung gewertet werden muss. Auch wenn sich die Beschwerdeführerin gemäss ihren Angaben regelmässig zur Wallfahrtskirche in Ziteil begibt, so erscheint es wenig glaubhaft, dass sie angeblich nicht mehr wissen will, ob sie selber (mit ihrem Ehemann zusammen oder alleine) ihr Fahrzeug an der betreffenden Stelle parkierte und bei der Rückkehr kurze Zeit später den Bussenzettel (Beschwerde Beilage 1) auf der Windschutzscheibe ihres Fahrzeugs vorfand, oder ob ihr dieser von ihrem Ehemann, welcher die Wallfahrtskirche an jenem Tag alleine besuchte, später übergeben wurde. Die Beschwerdeführerin legt auch nicht dar, sie leide an einem besonders schwachen Erinnerungsvermögen. Die Vorinstanz durfte daher ohne Willkür davon ausgehen, sie habe ihr Fahrzeug selbst auf dem betreffenden Parkplatz abgestellt oder sei zumindest anwesend gewesen, als ihr Ehemann das Fahrzeug auf den Parkplatz gelenkt habe und es darum gegangen sei, die Parkuhr in Gang zu setzen. Der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin angeblich nicht erinnern kann, hindert das Gericht nicht, eine Täterschaft anzunehmen, wie auch ein blosses Schweigen des Fahrzeughalters nicht zwingend zum Freispruch führen muss. 
 
2.5 Der Grundsatz in dubio pro reo als Beweislastregel ist verletzt, wenn der Strafrichter einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Ebenso ist die Maxime verletzt, wenn sich aus der Urteilsbegründung ergibt, dass der Strafrichter von der falschen Meinung ausging, der Angeklagte habe seine Unschuld zu beweisen, und dass er ihn verurteilte, weil ihm dieser Beweis misslang (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweis). Anders als beispielsweise im dem Urteil des Bundesgerichts 6B_748/2009 vom 2. November 2009 zugrunde liegenden Entscheid verurteilte die kantonale Behörde die Beschwerdeführerin nicht einzig mit der Begründung, sie habe sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und geweigert, den Benutzer des Fahrzeugs bekannt zu geben. Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit darin sinngemäss geltend gemacht wird, die Vorinstanz habe den Grundsatz in dubio pro reo als Beweislastregel verletzt. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet, sie sei davon ausgegangen, es werde ein ordentliches Verfahren durchgeführt, damit sie die vorliegend gemachten Ausführungen klar und deutlich erklären könne. Ein solches Verfahren sehe aber anders aus. Fraglich sei, ob sich die ausgesprochene Busse auf Art. 90 Ziff. 1 SVG abstützte, nachdem diese Bestimmung im erstinstanzlichen Entscheid nur in den Erwägungen erscheine, nicht hingegen im Dispositiv. 
 
3.2 Nach Art. 90 Ziff. 1 SVG macht sich strafbar, wer die Verkehrsregeln des dritten Titels des SVG oder die dazu ergangenen Vollziehungsvorschriften des Bundesrates, wozu auch die Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 gehört, verletzt (vgl. BGE 94 IV 28 E. 5; Urteil 6B_448/2007 vom 7. Dezember 2007 E. 4). Die einfache Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Ziff. 1 SVG wird als Übertretung bestraft. Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften des Bundes können in einem vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen geahndet werden (Art. 1 Abs. 1 des Ordnungsbussengesetzes vom 24. Juni 1970, OBG; SR 741.03). Lehnt der Täter das Verfahren ab, so gelangen das ordentliche Strafrecht und die kantonalen Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften für Übertretungen zur Anwendung (Art. 10 Abs. 2 OBG). Eine Ordnungsbusse kann auch im ordentlichen Strafverfahren ausgefällt werden (Art. 11 Abs. 1 OBG). 
 
3.3 Das Bundesgericht überprüft kantonales Gesetzesrecht nur auf Willkür (Art. 95 BGG). Es gelten die erhöhten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz die kantonalen Verfahrensbestimmungen willkürlich angewendet haben soll oder ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt haben könnte. Auf ihre Rüge ist insoweit mangels einer rechtsgenüglichen Begründung nicht einzutreten. Aus dem Dispositiv des Entscheids des Gemeindevorstands von Salouf ergibt sich ohne Weiteres, für welche Tat und gestützt auf welche Bestimmungen die Beschwerdeführerin bestraft wurde. Dass Art. 90 Ziff. 1 SVG darin nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist nicht zu beanstanden. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Oktober 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Unseld