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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_272/2018  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin N. Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Weissberg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden, 
Ottostrasse 24, 7000 Chur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Hilfsmittel), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden 
vom 9. Oktober 2017 (S 17 56). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ leidet an einer Syringomyelie C7 bis Th10. Wegen dieser Erkrankung ist er auf einen Rollstuhl mit Zuggerät angewiesen, weshalb die IV-Stelle des Kantons Graubünden ihm diese Hilfsmittel abgab (Verfügungen vom 16. April 2003 und 22. September 2011). Nachdem das Zuggerät defekt geworden war, erstattete die B.________ AG am 28. Oktober 2016 ein Angebot für ein Ersatzgerät (Swiss-Trac) über Fr. 13'352.05. In der Folge liess die IV-Stelle diese Offerte von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (SAHB) überprüfen (Berichte vom 9. Dezember 2016 und 23. Februar 2017). Gestützt darauf sprach die Verwaltung A.________ nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens einen Kostenbeitrag an ein neues Rollstuhlzuggerät Swiss-Trac von Fr. 11'517.10 zu. Sie lehnte jedoch die Kostenübernahme einer Deichsel mit Fahrhilfe, von Auffahrschienen, einer Transporttasche, eines Motor-Ventilators sowie einer Verliersicherung ab und reduzierte die Montagepauschale auf Fr. 98.- (Verfügung vom 8. März 2017). 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 9. Oktober 2017 insoweit teilweise gut, als es die IV-Stelle verpflichtete, die gesamten Kosten für die Montage- und Einstellarbeiten von Fr. 195.- zu übernehmen. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, die IV-Stelle habe neben den Kosten für das neue Rollstuhlzuggerät von Fr. 11'517.10 auch jene für eine neue Deichsel mit Fahrhilfe, Auffahrschienen und einen Motor-Ventilator zu übernehmen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97   Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf (BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (Urteil 9C_570/2007 vom 5. März 2008 E. 4.2 mit Hinweisen). Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_629/2015 vom 24. November 2015 E. 1.2 mit diversen Hinweisen).  
 
2.   
Es ist letztinstanzlich unbestritten, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Kostenbeitrag an das leihweise abgegebene neue Rollstuhlzuggerät (Swiss-Trac) inkl. der gesamten Kosten für die Montage- und Einstellarbeiten hat. Vor Bundesgericht fordert der Versicherte keine Kostenübernahme mehr für eine Transporttasche und eine Verliersicherung. 
 
Strittig und zu prüfen ist jedoch, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie - wie die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom   8. März 2017 - einen Kostenbeitrag für eine neue Deichsel mit Fahrhilfe, Auffahrschienen und einen Motor-Ventilator verneinte. 
 
3.   
 
3.1. Nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid haben Versicherte, die infolge ihrer Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspielige Geräte brauchen, im Rahmen der vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel (Art. 21 Abs. 2 IVG). In Art. 14 IVV hat der Bundesrat dem Eidg. Departement des Innern die Aufgabe übertragen, die Liste der in Art. 21 IVG vorgesehenen Hilfsmittel zu erstellen. Gemäss Art. 2 der Verordnung vom 29. November 1976 über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI; SR 831.232.51) besteht im Rahmen der im Anhang angeführten Liste Anspruch auf Hilfsmittel, soweit diese für die Fortbewegung, die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge notwendig sind (Abs. 1). Dieser Anspruch ist auf die Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung beschränkt (Abs. 4 Satz 1). Mit den Hilfsmitteln für Versicherte, die infolge ihrer Invalidität für die Fortbewegung kostspieliger Geräte bedürfen, befasst sich Ziff. 9 HVI-Anhang (Rollstühle).  
 
3.2. Nach der Rechtsprechung unterliegt die Hilfsmittelversorgung den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 IVG (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Eingliederungswirksamkeit; BGE 122 V 212 E. 2c S. 214). Leistungen, die im Anhang zur HVI aufgeführt sind, werden nicht ohne weiteres, sondern nur soweit erforderlich und lediglich in einfacher und zweckmässiger Ausführung erbracht (Art. 21 Abs. 2 IVG; Art. 2 Abs. 4 HVI). Die Invalidenversicherung ist auch im Bereich der Hilfsmittel keine umfassende Versicherung, welche sämtliche durch die Invalidität verursachten Kosten abdecken will; das Gesetz will die Eingliederung lediglich soweit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist und zudem der voraussichtliche Erfolg der Eingliederungsmassnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht (Art. 8 Abs. 1 IVG; BGE 134 V 105 E. 3 S. 107 f. mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung bezieht sich die Notwendigkeit des Hilfsmittels auf die konkrete Situation, in welcher die versicherte Person lebt (vgl. BGE 135 I 161 E. 5.1 S. 165 f.).  
 
4.   
 
4.1. Die Vorinstanz erwog basierend auf den Einschätzungen der SAHB vom 9. Dezember 2016 und 23. Februar 2017, ein Sicherheitsrisiko sei beim Einbau der bisher durch den Beschwerdeführer benutzten Deichsel mit Fahrhilfe an das neue Rollstuhlzuggerät (Swiss-Trac) nicht ersichtlich. Mit der Weiterverwendung der bisherigen Bauteile sei der Beschwerdeführer in einfacher und zweckmässiger Weise versorgt. Zum Anspruch auf einen Kostenbeitrag an klappbare Auffahrschienen hielt das kantonale Gericht fest, der Beschwerdeführer verwende bereits seit 2015 eine abgegebene Rampe, und diese sei vor der Anschaffung des neuen Rollstuhlzuggerätes vom Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt bemängelt worden. Es gebe somit keine Hinweise, dass die bisherige Hilfsmittelversorgung nicht genügend gewesen sei und neue kompatiblere Auffahrschienen notwendig wären. Auch sei ein Motor-Ventilator am neuen Rollstuhlzuggerät nicht erforderlich. Zwar sei das Zuggerät nicht geeignet, täglich lange Gefällstrecken auf dem Arbeitsweg zu bewältigen. Diesen könne der Beschwerdeführer jedoch mit dem 2015 von der Invalidenversicherung finanzierten umgebauten Personenwagen zurücklegen. Die Anschaffung eines Motor-Ventilators sei unter diesen Umständen nicht mehr als einfache Versorgung anzusehen.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es sei auf die Beurteilung der Hilfsmittellieferantin B._______ AG abzustellen, da diese Firma im Vergleich zur SAHB spezialisierter und praxisnaher sei. Weiter bringt er vor, die bisher verwendete Deichsel sei seit 2004 im Einsatz und habe damit bereits eine überdurchschnittliche Lebensdauer hinter sich. Nachvollziehbarerweise habe die B.________ AG sich geweigert, diese in den neuen Rollstuhl einzubauen. Wenn der Lieferant für einen solchen Umbau die Haftung ausschliesse, sei es ihm nicht zumutbar, das Risiko eines plötzlichen Deichselbruchs allein zu tragen. Sein Wohnort in einer Gemeinde mit erheblichem Gefälle erfordere zudem einen Motor-Ventilator am Zuggerät. Er müsse das Rollstuhlzuggerät bei Verlassen des Hauses stets verwenden; daher sei ein Motor-Ventilator zweckmässig. Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, die abgegebenen Auffahrschienen eigneten sich nicht für das neu angeschaffte Rollstuhlzuggerät. Die Rollstuhlversorgung sei in dieser Hinsicht mangelhaft und beinhalte ein potenzielles Unfallrisiko.  
 
 
5.   
 
5.1. Die SAHB ist gemäss ihren Angaben auf der Homepage eine unabhängige Fachstelle für hindernisfreies und selbstständiges Leben, welche u.a. rehatechnische Hilfsmittelversorgungen, Autoanpassungen und bauliche Massnahmen prüft sowie das Hilfsmitteldepot der Invalidenversicherung bewirtschaftet. Es handelt sich somit bei der SAHB, gleich wie bei einem Hilfsmittellieferanten, um eine spezialisierte und praxisnahe Anlaufstelle für die Hilfsmittelberatung. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Beurteilung seiner Hilfsmittellieferantin beruhe auf fundierteren Fachkenntnissen und diese sei praxisnaher, verfängt nicht. Im Übrigen erstattet die SAHB unabhängige Beurteilungen, sie selber verkauft keine Hilfsmittel. Demgegenüber hat ein Hilfsmittellieferant ein gewisses finanzielles Eigeninteresse.  
 
5.2. Gemäss den Ausführungen der SAHB vom 9. Dezember 2016 und 23. Februar 2017 ist die bisher vom Beschwerdeführer benutzte Kuppelung (Deichsel) für das Rollstuhlzuggerät nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet, seit 2004 im Einsatz, sondern erst seit dem Jahr 2015. Dies stimmt mit den Akten überein: Am 12. September 2014 offerierte die C.________ AG eine Ankuppelungsvorrichtung Swiss-Trac, deren leihweise Abgabe die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer am 8. Januar 2015 zusprach. Weshalb bei dieser Deichsel, die erst wenige Jahre alt ist, ein erhöhtes Risiko eines Deichselbruchs bestehen sollte, leuchtet nicht ein. Mit Einbau der bereits vorhandenen Ankuppelungsvorrichtung besteht somit eine einfache und zweckmässige Hilfsmittelversorgung. Die entsprechende vorinstanzliche Schlussfolgerung ist nicht willkürlich. Soweit der Beschwerdeführer bei weiterer Verwendung der alten Deichsel auf einen Haftungsauschluss der B.________ AG hinweist, hätte ihm offengestanden, einen anderen Hilfsmittellieferanten zu berücksichtigen, wird dieses Produkt in der Schweiz doch von verschiedenen Händlern angeboten.  
 
5.3. Es ist ferner unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer bereits ein Jahr vor der Offerierung eines neuen Zuggerätes mit Auffahrschienen durch die B.________ AG vom 28. Oktober 2016 eine Rampe für den Verlad eines solchen Gerätes abgegeben hatte (Bericht der SAHB vom 27. Oktober 2015, Mitteilung der Beschwerdegegnerin vom 7. Dezember 2015). Der Einsatz dieser Rampe wurde damals praktisch erprobt und als geeignet erachtet. Wie die Vorinstanz zutreffend darlegte, hat der Beschwerdeführer dieses Hilfsmittel somit über einen längeren Zeitraum verwendet, ohne dass es offenbar Anlass zu Beanstandungen gab. Das neue Zuggerät ist nicht anders beschaffen als das vorherige, benutzt der Beschwerdeführer doch seit dem Jahr 2011 ein Rollstuhlzuggerät Swiss-Trac Modell SWT-1. Er vermag zudem nicht konkret aufzuzeigen, inwiefern die bisher verwendete Rampe bei sachgemässem und sorgfältigem Gebrauch zu einer erhöhten Unfallgefahr führte oder je geführt hätte.  
Die vorinstanzliche Feststellung, der Beschwerdeführer benötige keine besser angepassten Auffahrschienen, ist somit nicht offensichtlich unrichtig. 
 
5.4. Das kantonale Gericht erachtete schliesslich die Anschaffung eines Motor-Ventilators als nicht erforderlich. Es begründete dies zum einen damit, der Beschwerdeführer habe nicht Anspruch, sich in jedem Gelände fortzubewegen; zum anderen könne er den Arbeitsweg, der ein erhebliches Gefälle aufweise, mit dem umgebauten Personenwagen zurücklegen.  
In der Beschwerde wird gegen das zuletzt genannte Argument nichts eingewendet. Es erübrigen sich somit weitere Ausführungen zum Arbeitsweg. Zudem macht der Versicherte nicht substanziiert geltend, das Rollstuhlzuggerät ohne Motor-Ventilator sei zur Fortbewegung in der näheren Umgebung an seinem Wohnort ungeeignet. Vielmehr geht aus dem Bericht der SAHB vom 9. Dezember 2016 hervor, dieses sei für den entsprechenden Gebrauch sinnvoll und zweckmässig. Damit ist der Beschwerdeführer entgegen seiner Betrachtungsweise hilfsmitteltechnisch einfach und zweckmässig versorgt. 
 
6.   
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde unbegründet. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Juni 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Möckli