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[AZA 0] 
2A.243/2000/bol 
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG *********************************** 
 
 
30. Mai 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Hungerbühler, 
Bundesrichter Müller und Gerichtsschreiber Feller. 
 
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In Sachen 
 
1. A.B.________, geb. 1972, 
2. D.B.________, geb. 7. März 1993, 
3. E.B.________, geb. 3. Januar 1995, 
4. J.B.________, geb. 14. Januar 1997, 
5. R.B.________, geb. 18. November 1998, Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, Sempacherstrasse 6, Postfach 2070, Luzern, 
 
gegen 
Fremdenpolizei des Kantons Luzern, Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
 
betreffend 
Niederlassungsbewilligung, hat sich ergeben: 
 
A.-Die 1972 geborene, aus dem Kosovo stammende A.B.________ reiste 1990 im Familiennachzug zu ihren Eltern in die Schweiz ein und wurde in deren Niederlassungsbewilligung mit einbezogen. Am 5. Februar 1992 heiratete sie einen Landsmann, N.B.________, mit welchem zusammen sie die Tochter D.B.________ (geboren 7. März 1993) hat. Nach der Scheidung von N.B.________ heiratete A.B.________ am 3. März 1995 dessen Bruder V.B.________; mit diesem zusammen hat sie drei Kinder, nämlich E.B.________ (geboren 3. Januar 1995), J.B.________ (geboren 14. Januar 1997) und R.B.________ (geboren 18. November 1998). 
 
Im November 1996 reiste A.B.________ mit den damals bereits geborenen zwei Kindern D.B.________ und E.B.________ nach Pristina, wo die Tochter J.B.________ zur Welt kam. Sie kehrte im Oktober 1998 (kurz vor der Geburt des Sohnes R.B.________) in die Schweiz zurück und stellte das Gesuch um Erneuerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligungen für sich und die Kinder D.B.________ und E.B.________ sowie um Erteilung der Niederlassungsbewilligung für die im Ausland geborene J.B.________. Die Fremdenpolizei des Kantons Luzern lehnte die Begehren am 4. November 1998 ab; sie stellte fest, dass die Niederlassungsbewilligungen von A.B.________ und der beiden älteren Kinder erloschen seien. 
 
A.B.________ und ihre Kinder fochten die Verfügung der Fremdenpolizei beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern an. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 10. April 2000 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
 
B.-Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 23. Mai 2000 beantragen A.B.________ sowie die vier Kinder D.B.________, E.B.________, J.B.________ und R.B.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern sei aufzuheben und ihr Begehren um Erneuerung der Kontrollfrist und Niederlassungsbewilligung sei gutzuheissen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.-a) Die Beschwerdeführer rügen vorerst, dass keine öffentliche mündliche Gerichtsverhandlung durchgeführt worden sei; Art. 6 Ziff. 1 EMRK räume ihnen einen derartigen Anspruch ein. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass und warum die Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK in fremdenpolizeirechtlichen Verfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen. Dass gegen den Entscheid über das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht, ändert daran nichts. Der Umstand allein, dass in einem Verfahren über Rechtsfragen bzw. über rechtlich geschützte Ansprüche befunden wird und das Gemeinwesen seine Handlungsfreiheit durch die Schaffung von Rechtsregeln eingeschränkt hat, ist für die Frage, ob ein "civil right" im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorliege, für sich allein nicht ausschlaggebend; würde dies genügen, fiele praktisch jeder Rechtsstreit unter diese Konventionsnorm. Den Staaten bleibt indessen erlaubt, die entsprechenden Verfahrensgarantien für gewisse "Justizmaterien" (vgl. Ruth Herzog, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995, S. 284) überhaupt auszuschliessen. 
Dazu zählen insbesondere die Verfahren betreffend Asyl, fremdenpolizeiliche Bewilligungen, Ausweisung von Ausländern, Einreisesperren (Andreas Kley-Struller, Art. 6 EMRK als Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Zürich 1993, S. 45 N. 40, mit Hinweisen). Vom Anwendungsbereich ist mithin das Fremdenpolizeirecht insgesamt ausgeschlossen, selbst wenn diesbezügliche Entscheide Auswirkungen auch auf die Gestaltung des Erwerbslebens des Ausländers haben. Es kann auf E. 2 des angefochtenen Entscheids und die dort erwähnte Literatur verwiesen werden. 
 
b) Die Niederlassungsbewilligung erlischt durch Abmeldung oder wenn sich der Ausländer während sechs Monaten tatsächlich im Ausland aufhält; stellt er vor deren Ablauf das Begehren, so kann diese Frist bis auf zwei Jahre verlängert werden (Art. 9 Abs. 3 lit. c des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; SR 142. 20]). 
 
aa) Die Beschwerdeführer hielten sich fast zwei Jahre im Ausland auf und haben nicht um Verlängerung der sechsmonatigen Frist ersucht. Das Verwaltungsgericht nimmt an, dass mit dieser längeren tatsächlichen Abwesenheit die Voraussetzungen für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung erfüllt seien; ein Gesuch um Verlängerung der Frist über sechs Monate hinaus auf zwei Jahre sei nicht gestellt worden, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen sei. Die Beschwerdeführer ihrerseits machen vorerst geltend, dass von einem im Sinne von Art. 9 Abs. 3 lit. c ANAG massgeblichen tatsächlichen Aufenthalt im Ausland nur dann auszugehen wäre, wenn sie den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse ins Ausland verlegt hätten, was nicht der Fall sei. Ferner legen sie Gewicht darauf, dass sich der Aufenthalt in Pristina ohne ihren Willen, aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen verlängert habe. 
 
bb) Die Beschwerdeführer berufen sich auf Art. 10 Abs. 4 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV; SR 142. 201). Dieser lautet: 
 
"Der Ausländer hat seinen Aufenthalt tatsächlich 
aufgegeben (Art. 9 Abs. 1 Bst. c des Gesetzes), 
wenn er den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse 
ins Ausland verlegt hat.. " 
 
Aus dieser Bestimmung können die Beschwerdeführer nichts für sich ableiten. Vorerst nimmt Art. 10 Abs. 4 ANAV nur Bezug auf Art. 9 Abs. 1 lit. c ANAG, welcher das Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung regelt. Diese erlischt mit der Abmeldung oder "wenn der Aufenthalt tatsächlich aufgegeben ist". Aus der Formulierung von Art. 9 Abs. 3 lit. c ANAG, wonach für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung der blosse tatsächliche Aufenthalt im Ausland genügt, aber auch von Art. 9 Abs. 1 lit. c ANAG (tatsächliche Aufgabe des Aufenthalts) ergibt sich klar, dass der Gesetzgeber den Wohnsitzbegriff (mit all seinen Schwierigkeiten) meiden wollte und aus Praktikabilitätsgründen zwei möglichst eindeutige und formale Kriterien gewählt hat: einerseits die Abmeldung, andererseits den sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland (BGE 112 Ib 1 E. 2a S. 2). Der Wortlaut von Art. 10 Abs. 4 ANAV gibt jedenfalls den Willen des Gesetzgebers missverständlich wieder, und diese Verordnungsbestimmung kann selbst im Hinblick auf das Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung nicht so verstanden werden, wie die Beschwerdeführer dies tun (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Sadiku vom 18. August 1993 E. 2c). Für das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung kann es bei richtiger Auslegung sodann auf Ursachen und Motive des Auslandaufenthalts nicht ankommen (BGE 120 Ib 369 E. 2c S. 372). Ob der Ausländer allenfalls früher zurückkehren wollte und durch äussere Umstände daran gehindert wurde, ist denn auch nicht erheblich; massgeblicher Auslandaufenthalt liegt nach feststehender Rechtsprechung auch bei unfreiwilligem Verbleiben vor (zuletzt nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Mercado vom 10. Dezember 1999 E. 2). Diese strikte Auslegung erscheint auch darum angebracht, weil der Ausländer, wenn er mit einem Andauern des Auslandaufenthaltes über sechs Monate hinaus rechnet, ohne weiteres ein Gesuch um Verlängerung der Frist auf zwei Jahre stellen kann. 
 
 
Zusammenfassend lässt sich sagen: Kehrt der Ausländer nach sechs Monaten tatsächlichen Auslandaufenthalts nicht in die Schweiz zurück und hat er kein Gesuch um Verlängerung der Frist gestellt, liegt ein zwingender Untergangsgrund vor (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Berisha vom 6. Dezember 1996 E. 2a). 
 
Da die Beschwerdeführer weit mehr als sechs Monate in Pristina weilten und sie kein Gesuch um Verlängerung der Frist von sechs Monaten auf zwei Jahre gestellt hatten, ohne dass übrigens nach den verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG) Umstände vorlagen, die sie an der rechtzeitigen Stellung des Gesuchs gehindert hätten, sind ihre Niederlassungsbewilligungen erloschen. 
Es fehlt daher auch dem Gesuch um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an die zwei jüngsten Kinder die Grundlage. 
 
c) Das angefochtene Urteil verletzt somit Bundesrecht nicht, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet. Sie ist im vereinfachten Verfahren, ohne Schriftenwechsel oder andere Weiterungen (Beizug weiterer Akten), abzuweisen. 
 
Mit diesem Urteil wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
2.-Die Beschwerdeführer stellen das Gesuch, es sei ihnen für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Das Gesuch ist schon darum abzuweisen, weil sich die Rechtsbegehren als aussichtslos erweisen (vgl. Art. 152 OG). 
 
Demnach haben die Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 OG). Die Gerichtsgebühr (Art. 153 in Verbindung mit Art. 153a OG) wird der Beschwerdeführerin 1, der Mutter der vier minderjährigen Beschwerdeführer 2-5, auferlegt. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1.-Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin 1 auferlegt. 
 
4.-Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Fremdenpolizei und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt. 
 
_____________ 
Lausanne, 30. Mai 2000 
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: