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[AZA] 
I 115/99 Hm 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Keel 
 
Urteil vom 22. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
G.________, 1958, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
    A.- Die 1958 geborene G.________ lebte im Land 
X.________, bevor sie 1990 in die Schweiz einreiste. Vom 
1. November 1990 bis 31. Mai 1995 arbeitete sie in der 
Firma Y.________, zuerst als Spetterin (bis am 12. Septem- 
ber 1994) und danach im Postbüro. Am 30. November 1994 mel- 
dete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungs- 
bezug (Berufsberatung, Umschulung, Rente) an, wobei sie auf 
ein seit 27. Dezember 1993 bestehendes Lumbovertebralsyn- 
drom mit pseudoradikulären Symptomen hinwies. Zur Abklärung 
der medizinischen und erwerblichen Verhältnisse holte die 
damals zuständige Ausgleichskasse des Kantons Zürich, 
IV-Sekretariat, verschiedene Arztberichte und eine Auskunft 
der Arbeitgeberfirma vom 21. Dezember 1994 ein. Im Weitern 
liess sie die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten prü- 
fen (Bericht vom 28. Juni 1995). Nach Durchführung des Vor- 
bescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich 
mit Verfügung vom 4. März 1996 das Leistungsbegehren ab. 
Dabei verneinte sie den Anspruch auf eine Rente der Inva- 
lidenversicherung mangels Vorliegens eines anspruchsrele- 
vanten Invaliditätsgrades und hielt zum Anspruch auf beruf- 
liche Massnahmen fest, dass eine Umschulung aus invalidi- 
tätsfremden Gründen nicht angezeigt sei und die Versicherte 
angegeben hatte, sie wolle sich selber um eine entsprechen- 
de Erwerbstätigkeit bemühen. 
 
    B.- Die von G.________ hiegegen erhobene Beschwerde 
mit dem Antrag auf Einholung eines ärztlichen Obergutach- 
tens wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich 
mit Entscheid vom 12. Januar 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt 
G.________, in Aufhebung des kantonalen Entscheides und der 
Verwaltungsverfügung sei ihr eine halbe, eventuell eine 
Viertelsrente seit wann rechtens zuzusprechen; eventualiter 
sei die Sache zu näherer Abklärung an die Verwaltung zu- 
rückzuweisen. 
    Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für 
Sozialversicherung nicht vernehmen. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Im angefochtenen Entscheid werden die vorliegend 
massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über den Begriff der 
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Renten- 
anspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG) und die Er- 
mittlung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensver- 
gleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend wiedergege- 
ben. Richtig ist auch die Darstellung der Rechtsprechung 
zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invalidi- 
tätsbemessung (BGE 115 V 134 Erw. 2 in fine mit Hinweisen, 
114 V 314 Erw. 3c) sowie zum zeitlich massgebenden Sach- 
verhalt (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). Darauf kann 
verwiesen werden. 
 
    2.- In medizinischer Hinsicht steht fest, dass die 
Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage ist, ihren frühe- 
ren Beruf als Spetterin auszuüben. Streitig ist dagegen, in 
welchem Ausmass die Leistungsfähigkeit infolge ihrer Leiden 
eingeschränkt ist. 
    Gestützt auf die ärztlichen Berichte des Dr. med. 
K.________ vom 12. Dezember 1994 und 20. Juli 1995, und die 
Krankengeschichte der Rehabilitationsklinik F.________ vom 
11. August/8. September 1994 sowie das Gutachten von Dr. 
med. A.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 
15. Dezember 1995 gelangten Vorinstanz und Verwaltung über- 
einstimmend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin bei 
einer körperlich angepassten Tätigkeit, d.h. bei abwechs- 
lungsweise sitzend, gehend und stehend zu verrichtenden 
Aufgaben mit wenig Heben, wie von ihr im Postbüro der Firma 
Y.________ ausgeübt, zu 80 % arbeitsfähig ist. 
    Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen vor- 
gebracht wird, ist, soweit erheblich, nicht stichhaltig. 
Insbesondere vermag die Beschwerdeführerin aus dem Schrei- 
ben von Dr. med. K.________ vom 27. Februar 1996, in wel- 
chem ihr eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit attestiert wird, 
nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Denn wie bereits die 
Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, fehlt jeglicher Hin- 
weis, auf welche Tätigkeiten sich diese Einschätzung be- 
zieht. Zudem erwähnte Dr. med. K.________ mit keinem Wort, 
seine ursprüngliche Prognose einer Arbeitsfähigkeit von 
80 % bei leichter Arbeit mit gewissem sozialen Kontakt, 
wenig Heben und Wechsel Sitzen-Stehen (Bericht vom 12. De- 
zember 1994) habe sich im Nachhinein als unzutreffend er- 
wiesen. Anders als die Beschwerdeführerin anzunehmen 
scheint, führt auch die Einschätzung des Dr. med. 
A.________ vom 15. Dezember 1995 nicht zu einem höheren 
Grad der Arbeitsunfähigkeit. Denn indem dieser Gutachter 
festhielt, dass er, mangels Vorliegen eines schwerwiegenden 
psychischen Leidens, "keine Einschränkung der Arbeitsfähig- 
keit aus psychiatrischer Sicht postulieren" könne und eine 
mögliche psychische Überlagerung "nicht zu einer Einschrän- 
kung der Arbeitsfähigkeit um mehr als 20 %" führe, machte 
er deutlich, dass sich vorliegend die somatischen und all- 
fällige psychopathologische Beschwerdebilder überschneiden, 
weshalb gesamthaft nicht von einer weniger als 80 % betra- 
genden Arbeitsfähigkeit auszugehen ist (vgl. hiezu auch BGE 
123 V 50 Erw. I/3b, 98 V 171 Erw. 4a mit Hinweisen). 
 
    3.- a) Bei der Beurteilung der erwerblichen Auswirkun- 
gen der gesundheitlichen Beeinträchtigung ging die IV-Stel- 
le von einem Valideneinkommen von Fr. 44'820.- und einem 
Invalideneinkommen von Fr. 41'000.- aus und ermittelte so 
einen Invaliditätsgrad von 9 %. Demgegenüber erhöhte die 
Vorinstanz das Valideneinkommen, abstellend auf das um die 
Nominallohnsteigerung der Jahre 1995 und 1996 (1,9 % und 
0,7 %; recte: je 1,3 %, vgl. Die Volkswirtschaft 12/99, 
Anhang, Tabelle B10.2) aufgewertete Einkommen als Spetterin 
(Fr. 48'555.-), auf Fr. 49'824.- und reduzierte das Inva- 
lideneinkommen auf Fr. 31'616.-, woraus ein Invaliditäts- 
grad von 37 % resultierte. 
    b) Während das der Invaliditätsbemessung zu Grunde 
gelegte, auf der Arbeitgeberauskunft vom 21. Dezember 1994 
basierende Valideneinkommen von Fr. 49'824.- im Jahre 1996 
zu Recht nicht bestritten wird, ist die Höhe des Invaliden- 
einkommens, welches nach Auffassung der Beschwerdeführerin 
auf weniger als Fr. 29'366.- zu reduzieren ist, streitig 
und zu prüfen. 
 
    aa) Für die Ermittlung des Invalideneinkommens können 
nach der Rechtsprechung so genannte Tabellenlöhne beigezo- 
gen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die versi- 
cherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine 
oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbs- 
tätigkeit aufgenommen hat (BGE 124 V 322 Erw. 3b/aa mit 
Hinweisen; Meyer-Blaser, Rechtsprechung des Bundesgerichts 
zum IVG, Zürich 1997, S. 209). 
 
    bb) Mit der Vorinstanz kann vorliegend von Tabelle 
A 3.3.1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 1994 
des Bundesamtes für Statistik ausgegangen werden. Danach 
verdienten mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten be- 
schäftigte Frauen bei Herstellung und Bearbeitung von Pro- 
dukten (Kategorie 10) und dem Verkauf von Konsumgütern 
(Kategorie 27) im Jahre 1994 bei einer wöchentlichen Ar- 
beitszeit von 40 Stunden ein monatliches Einkommen von 
Fr. 3'207.- bzw. Fr. 3'188.- (Medianwert). Aufgerechnet auf 
die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 
41,9 Stunden (LSE S. 42) und unter Berücksichtigung der 
seither eingetretenen Nominallohnerhöhung (1995 und 1996: 
je 1,3 %; Die Volkswirtschaft 12/99, Anhang, Tabelle 
B10.2), ergibt sich ein Einkommen von Fr. 41'367.- bzw. 
Fr. 41'122.- im Jahre 1996. Bei einer Einschränkung der 
Arbeitsfähigkeit um maximal 20 % resultiert ein Einkommen 
von mindestens Fr. 32'898.- (0,8 x Fr. 41'122.-). 
    Zu beachten ist jedoch, dass die für die Ermittlung 
des Invalideneinkommens vorab von Versicherten, welche bis- 
her schwere körperliche Arbeiten verrichtet haben und wegen 
ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung bloss noch leichte 
Hilfstätigkeiten ausüben können, herangezogenen Tabellen- 
löhne praxisgemäss gekürzt werden können, um dem Umstand 
Rechnung zu tragen, dass diese Versicherten in der Regel 
das durchschnittliche Lohnniveau der entsprechenden gesun- 
den Hilfsarbeiter nicht erreichen. Dabei ist anhand der 
gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen, ob 
und in welchem Ausmass das hypothetische Einkommen als 
Invalider zusätzlich reduziert werden muss (vgl. dazu BGE 
124 V 323 Erw. 3b/bb; AHI 1998 S. 177 Erw. 3a; RKUV 1998 
Nr. U 304 S. 373). Im vorliegenden Fall erscheint die An- 
nahme eines um 10 % verminderten Tabellenlohnes als ange- 
messen, da die Beschwerdeführerin auch in den noch zumut- 
baren Verweisungstätigkeiten durch ihre gesundheitliche 
Situation leicht eingeschränkt ist. 
    Nach der Rechtsprechung darf im Weitern, wie die Be- 
schwerdeführerin zutreffend geltend macht, bei der Invali- 
ditätsbemessung anhand von Tabellenlöhnen nicht ausser Acht 
gelassen werden, dass Teilzeitbeschäftigte in der Regel 
überproportional weniger verdienen als Vollzeitangestellte 
(AHI 1998 S. 175). Bei einfachen und repetitiven Tätigkei- 
ten beläuft sich die Lohnbenachteiligung zwischen voll- und 
teilzeitlicher Beschäftigung gemäss Tabelle 13* der LSE 
1994 (S. 30) auf 8 % (Lohn von Fr. 3951.- bei Beschäfti- 
gungsgrad über 90 % gegenüber Fr. 3633.- bei Beschäfti- 
gungsgrad zwischen 90 % und mehr als 75 %). 
    Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin dem- 
gegenüber, soweit sie unter Hinweis auf das tiefere Lohn- 
niveau von Ausländern gemäss Tabelle 4.4.1 bzw. 4.4.2 der 
LSE einen weiteren Abzug geltend macht. Denn dass die Be- 
schwerdeführerin im Land X.________ aufgewachsen ist und 
erst 1990 in die Schweiz eingereist ist, ändert nichts an 
ihrer Schweizer Staatsangehörigkeit. 
    Unter Berücksichtigung der überproportionalen Ver- 
diensteinbusse zufolge Teilzeitarbeit (Abzug von 8 %) und 
der verminderten Einsetzbarkeit auch für leichte Hilfs- 
arbeiten (Abzug von 10 %) resultiert ein Invalideneinkommen 
von mindestens Fr. 26'976.- (0.82 x Fr. 32'898.-). 
    c) Stellt man das so ermittelte Invalideneinkommen dem 
auf das Jahr 1996 hochgerechneten Valideneinkommen von 
Fr. 49'824.- gegenüber, ergibt sich ein Invaliditätsgrad 
von aufgerundet 46 %, welcher Anspruch auf eine Viertels- 
rente verleiht. 
 
    4.- Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 %, 
aber weniger als 50 % hat die Verwaltung von Amtes wegen zu 
prüfen, ob ein Härtefall gemäss Art. 28 Abs. 1bis IVG in 
Verbindung mit Art. 28bis IVV gegeben ist. Sie darf den 
Anspruch auf eine Härtefallrente nicht von einem spezifi- 
schen Antrag des Versicherten abhängig machen. Auf eine 
nähere Abklärung darf sie nur verzichten, wenn die wirt- 
schaftlichen Voraussetzungen des Härtefalles offensichtlich 
fehlen (BGE 116 V 23; ZAK 1991 S. 317 Erw. 4). 
    Im vorliegenden Fall hatte die Verwaltung bisher kei- 
nen Anlass, das Vorliegen eines Härtefalles zu prüfen. Da 
ein wirtschaftlicher Härtefall nicht zum Vornherein ver- 
neint werden kann, ist die Sache an die IV-Stelle zurück- 
zuweisen, damit sie die entsprechenden Abklärungen treffe 
und hernach über den Rentenanspruch neu verfüge. 
 
    5.- Gemäss Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht der Rentenan- 
spruch in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte mindestens 
zu 40 % bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) oder 
während eines Jahres mindestens zu 40 % arbeitsunfähig 
gewesen war (lit. b). Bleibende Erwerbsunfähigkeit (Art. 29 
Abs. 1 lit. a IVG) ist dann anzunehmen, wenn ein weitgehend 
stabilisierter, im Wesentlichen irreversibler Gesundheits- 
schaden vorliegt, welcher die Erwerbsfähigkeit des Versi- 
cherten voraussichtlich dauernd in rentenbegründendem Masse 
beeinträchtigen wird (Art. 29 IVV). Da der invalidisierende 
Gesundheitsschaden der Beschwerdeführerin nicht als in die- 
sem Sinne weitgehend stabilisiert, im Wesentlichen irre- 
versibel qualifiziert werden kann, findet für die Entste- 
hung des Rentenanspruches Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG Anwen- 
dung. Wie sich den medizinischen Unterlagen entnehmen 
lässt, ist die Beschwerdeführerin seit Dezember 1993 für 
schwere körperliche Tätigkeiten ohne wesentlichen Unter- 
bruch durchschnittlich zu mindestens 40 % arbeitsunfähig, 
weshalb ihr Rentenanspruch am 1. Dezember 1994 entstand. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne  
    gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversiche- 
    rungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Januar 1999 
    und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 
    4. März 1996 aufgehoben werden und die Sache mit der 
    Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ab 1. Dezem- 
    ber 1994 bei einem Invaliditätsgrad von 46 % Anspruch 
    auf eine Rente der Invalidenversicherung hat, zur Prü- 
    fung des Härtefalles und zu neuer Verfügung an die 
    IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-  
    rungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse 
    des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialver- 
    sicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 22. Februar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: