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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_281/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Januar 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stössel, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. C.D.________ und D. D.________, 
3. E.________, 
4. F.________, 
5. G.________, 
6. H.________, 
7. I.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Baukommission Inneres Land AI, Kronengarten 8, Postfach, 9050 Appenzell, 
Bezirksrat Schwende, Zidler 15, 9057 Weissbad, 
Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh., Marktgasse 2, 9050 Appenzell. 
 
Gegenstand 
BauG-Beschwerde, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. April 2016 
des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 21. Juni 2014 reichte die A.________ AG bei der Bauverwaltung Inneres Land AI ein Baugesuch für die Überbauung der Parzelle Nr. xxx im Gebiet Rohr in Schwende mit acht Mehrfamilienhäusern für insgesamt 46 Wohnungen ein. 
Das Bauprojekt wurde vom 8. bis zum 28. Juli 2014 öffentlich aufgelegt. Während der Auflage wurden zahlreiche Einsprachen erhoben, darunter diejenigen von B.________, C.D.________ und D.D.________, E.________, F.________, G.________, H.________ und I.________. 
Am 8. Januar 2015 hiess die Baukommission Inneres Land AI verschiedene Einsprachen teilweise gut und wies das Baugesuch der A.________ AG ab. Zur Begründung führte sie an, die Dachgestaltung entspreche nicht dem appenzellischen Baustil; störend seien besonders die nicht horizontal bzw. nicht parallel zu den Geschossböden verlaufenden Dachfirste. 
Am 30. Juni 2015 wies die Standeskommission Appenzell I.Rh. den Rekurs der A.________ AG gegen den Bauabschlag ab. 
Am 7. April 2016 wies das Kantonsgericht Appenzell die Beschwerde der A.________ AG gegen diesen Rekursentscheid ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die A.________ AG, diesen Entscheid des Kantonsgerichts aufzuheben. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt sie die Durchführung eines Augenscheins. 
 
C.   
Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen und verzichtet im Übrigen auf Vernehmlassung. Die Standeskommission und die Baukommission beantragen, die Beschwerde abzuweisen. B.________ verzichtet auf eine explizite Vernehmlassung und verweist auf seine im bisherigen Verfahren gemachten Ausführungen. D.D.________ sowie H.________, I.________, E.________, F.________ und G.________ beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
In ihrer Replik hält die A.________ AG an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der angefochtene Entscheid, welcher die Ablehnung des Baugesuchs der Beschwerdeführerin schützt, schliesst das Baubewilligungsverfahren ab; es handelt sich um einen Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG. Gerügt wird die Verletzung von Art. 33 RPG sowie eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1 BGG), mithin von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin des Bauabschlags befugt, Beschwerde zu erheben (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Nach Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG gewährleistet das kantonale Recht die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Die Beschwerdebefugnis setzt nach Art. 89 Abs. 1 BGG insbesondere voraus, dass der Beschwerdeführer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat. Nach Art. 82 Abs. 1 des kantonalen Baugesetzes ist dagegen jede im Kanton wohnhafte natürliche Person befugt, gegen bewilligungspflichtige Bauvorhaben Einsprache zu erheben und gegen den Bauentscheid Rechtsmittel zu ergreifen. Das kantonale Recht kennt somit in Bausachen die Popularbeschwerde, vorausgesetzt wird einzig ein innerkantonaler Wohnsitz. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG lege nicht nur die Mindestanforderungen an die Beschwerdebefugnis im kantonalen Verfahren fest, sondern schütze gleichzeitig auch den Bauwilligen, indem es den Kantonen untersage, die Beschwerdebefugnis weiter zu umschreiben. 
Der Einwand geht fehl. Wer zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich gemäss Art. 111 Abs. 1 BGG am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können. Wie das Bundesgericht bereits mehrfach festgehalten hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass die Beschwerdebefugnis im kantonalen Verfahren nicht enger gefasst sein kann als im Verfahren vor dem Bundesgericht. Die Kantone bleiben aber frei, diese weiter zu fassen (BGE 138 II 162 E. 2.1.1; BGE 135 II 145 E. 5 mit Hinweisen). Die im Kanton Appenzell-Innerrhoden geltende Popularbeschwerde in Bausachen erweist sich somit bundesrechtlich als zulässig. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht eine Gehörsverweigerung vor, weil es keinen Augenschein genommen habe. Die Rüge ist unbegründet. Einerseits ist davon auszugehen, dass dem Kantonsgericht die Örtlichkeit bestens bekannt ist. Vor allem aber war schlussendlich für das Gericht entscheidend, ob es geneigte Dachfirsten zulassen wolle oder nicht (unten E. 4). Dazu hätte ein Augenschein keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen können. Das Kantonsgericht konnte somit ohne Verfassungsverletzung auf einen Augenschein verzichten.  
 
3.2. Auch für das Bundesgericht ergibt sich der Sachverhalt mit hinreichender Klarheit aus den Akten, insbesondere den Quartierplan- und den Baugesuchsunterlagen. Das Gesuch um Durchführung eines Augenscheins ist abzuweisen.  
 
4.   
Hauptstreitpunkt in der Sache ist die Frage der Bewilligungsfähigkeit der Dachfirsten, die nach dem Bauprojekt nicht horizontal verlaufen, sondern geneigt sind. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass bereits im Quartierplan verbindlich festgelegt sei, dass die Bauten geneigte Firsten aufweisen müssten, und diese Bauweise erfülle die Anforderungen an eine gute Einordnung in die Landschaft. 
 
4.1. Das Kantonsgericht hat dazu im angefochtenen Entscheid erwogen (E. 2.2 ff. S. 11 ff.), der Quartierplan sei am 11. Februar 2014 von der Standeskommission bewilligt worden. Das Reglement und die im Quartierplan gemachten Feststellungen seien verbindlich, die Planhinweise und der Planungsbericht hätten erläuternden Charakter und das Überbauungskonzept sei richtungsweisend (Art. 1 Abs. 3 Quartierplanreglement, QPR). Enthalte der Quartierplan keine abweichende Regelung, gelte die Regelbauweise. Die Hauptbauten müssten nach Art. 7 Abs. 1 QPR innerhalb der festgelegten Baubereiche A1-A5 und    B1-B3 erstellt werden. Alle Bauten müssten nach Art. 9 Abs. 4 QPR Satteldächer mit einer Neigung zwischen 20 und 40 Grad und Dachvorsprüngen von mindestens 30 cm aufweisen.  
Der Quartierplan schreibe somit nicht vor, dass die Dachfirsten geneigt sein müssten, und dem ohnehin bloss richtungsweisenden Überbauungskonzept vom 18. Dezember 2012 könne nicht klar entnommen werden, dass die Dachfirste nicht horizontal verlaufen würden; diese seien vielmehr nach den auf den Seiten 16-18 sowie 20-26 gezeichneten Schnitten der Gebäude ausnahmslos horizontal dargestellt. Aus dem Planungsbericht zum Quartierplan Rohr ergäben sich keine Angaben zum Höhenverlauf der Dachfirste. 
Nach dem Quartierplan müssten die Bauten innerhalb der festgelegten trapezförmigen Baubereiche erstellt werden; es sei damit indessen nicht verbindlich vorgeschrieben, dass die Grundrisse und Baubereiche auch trapezförmig sein müssten. Überdies teilt das Kantonsgericht die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass bei einem trapezförmigen Grundriss ein Satteldach mit einem horizontalen First geometrisch unmöglich sei. 
 
4.2. Was das Kantonsgericht zur Verbindlichkeit der Quartierplanung ausführt, ist schlüssig und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht explizit als willkürlich bestritten. Entgegen ihrer Auffassung ist es für ein auf den Quartierplan gestütztes Bauprojekt sehr wohl von Bedeutung, ob planerische Inhalte oder Festlegungen verbindlich, von erläuterndem Charakter oder richtungsweisend sind. Offensichtlich zutreffend ist nach dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 QPR, dass die Bauten zwar innerhalb der ausgeschiedenen Baubereiche erstellt werden, nicht aber deren trapezförmige Grundrisse übernehmen müssen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, im Quartierplan seien trapezförmige Grundrisse vorgeschrieben und damit auch geneigte Dachfirsten, weil trapezförmige Grundrisse zwingend solche erforderten, geht daher schon im Ansatz fehl. Es mag zwar zutreffen, dass die Beschwerdeführerin schon bei der Quartierplanung davon ausging, trapezförmige Gebäude mit geneigten Firsten zu erstellen und die Baubehörden dies auch wussten oder hätten wissen müssen; auf dem 3D-Modell im Planungsbericht (S. 7) ist diese Gestaltung der Bauten entgegen der Darstellung des Kantonsgerichts jedenfalls bei einigen der Gebäudekörper erkennbar. Das ändert indessen nichts daran, dass damit weder die trapezförmigen Grundrisse noch die geneigten Dachfirste bereits im Quartierplan für das folgende Baubewilligungsverfahren verbindlich festgelegt worden wären. Die Baubehörden mussten sich unter diesen Umständen vor dem Baubewilligungsverfahren zur Frage der Bewilligungsfähigkeit der geneigten Dachfirste nicht äussern und sich schon gar nicht verbindlich festlegen. Aus dem Umstand, dass sie dies unterliessen, kann die Beschwerdeführerin daher nicht in guten Treuen ableiten, dass mit dem Quartierplan die grundsätzliche Bewilligungsfähigkeit geneigter Dachfirste im Sinne eines Vorentscheids bejaht worden wäre. Dies war erst im Baubewilligungsverfahren abschliessend zu klären.  
 
4.3. Nach Art. 65 Abs. 1 BauG haben Bauten im Landschafts-, Orts- und Strassenbild und für sich eine gute Gesamtwirkung zu erzielen. Dies gilt verstärkt ausserhalb der Bauzone, an Siedlungsrändern, bei Ortseingängen und in Ortskernen. Für die Beurteilung der Gesamtwirkung sind u.a. insbesondere die Gestaltung der Gebäudeproportionen und -höhen und der Dachformen von Bedeutung (Abs. 2 lit. d).  
Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen (E. 4.3 S. 14 f.), dass die ästhetische Qualität der umgebenden Landschaft relativ hoch sei: das Quartierplangebiet liege prominent am Siedlungsrand vor dem Eingang zum idyllischen Dorf Schwende, wo den Dachformen grössere Aufmerksamkeit zukomme als mitten in überbautem Gebiet. Unstrittig sei, dass es in der Umgebung keine geneigten Dachfirste gäbe; vielmehr seien im ganzen Kanton horizontale Giebel üblich. Der herrschende Baustil, welcher nach heutiger Auffassung gut in die Landschaft passe, verlange daher einen horizontalen First. Es sei folglich nicht zu beanstanden, dass die zuständigen Baubehörden auch für das vorliegende Projekt horizontale Firste verlangten. 
Es mag zwar durchaus sein, dass Überbauungen mit geneigten Firsten für sich allein betrachtet "spannungsvolle Architektur" und gestalterisch gute Lösungen ermöglichen. Unter Willkürgesichtspunkten ist es indessen nicht zu beanstanden, dass die kantonalen Behörden jedenfalls an dieser sensiblen Lage am Siedlungsrand auf der Verwendung ortstypischer Dachformen - Satteldächer mit horizontalem First - beharren und neuartige, im Kanton bisher nicht gebräuchliche Lösungen ausschliessen, auch wenn diese in andern Kantonen zulässig sein mögen, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Die Willkürrüge ist unbegründet. 
 
5.   
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner haben praxisgemäss keinen Anspruch auf Parteientschädigungen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baukommission Inneres Land AI, dem Bezirksrat Schwende, der Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Januar 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi