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[AZA] 
C 312/99 Ge 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Urteil vom 27. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
H.________, 1965, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt des Kantons Aargau, 
Rain 53, Aarau, Beschwerdegegner, 
 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
    A.- Die 1965 geborene H.________, Mutter zweier Kinder 
(geb. 1994 und 1996), lebte seit dem 1. Oktober 1997 von 
ihrem Ehemann getrennt. Vom 11. August 1997 bis 13. Februar 
1998 war sie in der Firma Y.________ als Montagearbeiterin 
tätig. Mit Schreiben vom 14. Februar 1998 kündigte sie 
diese Stelle auf den 22. Februar 1998, da die Tagesmutter 
für die Kinder nicht mehr zumutbar sei; sie müsse daher 
eine Tätigkeit suchen, bei der sie die Kinder mitnehmen 
könne. 
    Am 16. Februar 1998 meldete sich H.________ zur 
Arbeitsvermittlung für eine Vollzeitstelle an, und mit An- 
trag vom 25. Februar 1998 beanspruchte sie Arbeitslosenent- 
schädigung. Auf die Aufforderung der Arbeitslosenkasse vom 
25. Februar 1998 hin, eine Obhutserklärung einzureichen, 
teilte sie dieser am 5. März 1998 unter anderem mit, sie 
wolle die Kinder nicht in fremde Hände geben, was im Übri- 
gen auch von psychiatrischer Seite befürwortet werde. Mit 
Schreiben vom 16. März 1998 wies das Industrie-, Gewerbe- 
und Arbeitsamt des Kantons Aargau (KIGA) H.________ darauf 
hin, dass sie nur dann Anspruch auf Arbeitslosenent- 
schädigung habe, wenn sie bereit sei, jede zumutbare Arbeit 
anzunehmen und die Obhut der Kinder zu regeln. Ohne dieses 
Schreiben zu beantworten, teilte H.________ dem Regionalen 
Arbeitsvermittlungszentrum am 16. März 1998 unter anderem 
mit, sie könne nicht dafür haftbar gemacht werden, dass 
keine Kinderkrippe frei sei und überall lange Wartezeiten 
bestünden. Zudem habe sie inzwischen eine 60%-Stelle gefun- 
den. Mit Verfügung vom 2. April 1998 verneinte das KIGA die 
Anspruchsberechtigung ab 16. Februar 1998 wegen fehlender 
Vermittlungsfähigkeit, da die Versicherte aus familiären 
Gründen nicht bereit und in der Lage sei, die Obhut der 
Kinder zu regeln. 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versi- 
cherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 
25. Mai 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt 
H.________ die Zusprechung von Taggeldern der Arbeitslosen- 
versicherung für die Zeit von Mitte Februar bis 1. April 
1998. 
    Während das KIGA auf eine Vernehmlassung verzichtet, 
hat sich das Staatssekretariat für Wirtschaft nicht verneh- 
men lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Angefochten ist der Entscheid des Versicherungsge- 
richts des Kantons Aargau vom 25. Mai 1999. Dieser wurde 
gemäss Poststempel auf der Gerichtsurkunde am 12. Juni 1999 
an die von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Ver- 
fahren genannte Adresse in X.________ gesandt, von wo die 
Sendung mit dem Vermerk "Abgereist ohne Adressangabe" an 
das kantonale Gericht zurückgelangte. Dieses nahm am 2. Au- 
gust 1999 nochmals eine Zustellung vor, welche zur Aushän- 
digung des Urteils am 5. August 1999 führte. 
    Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versiche- 
rungsgerichts ist in Fällen, in welchen eine eingeschrie- 
bene Postsendung nicht innert der Abholfrist von sieben 
Tagen abgeholt und die Sendung als am letzten Tag dieser 
Frist als zugestellt gilt, ein allfälliger zweiter Versand 
und die spätere Entgegennahme der Sendung durch den Betrof- 
fenen für die Frage, ob die Beschwerdefrist eingehalten 
worden ist, grundsätzlich nicht erheblich (BGE 118 V 190 
Erw. 3a, 111 V 101 Erw. 2b; ZAK 1978 S. 97). In BGE 115 Ia 
20 Erw. 5c hat das Bundesgericht ausgeführt, dass sich die 
Rechtsmittelfrist gestützt auf den verfassungsmässigen An- 
spruch auf Vertrauensschutz dann verlängern kann, wenn noch 
vor ihrem Ende eine entsprechende vertrauensbegründende 
Auskunft erteilt wird. Eine solche Auskunft kann darin be- 
stehen, dass der mit Rechtsmittelbelehrung versehene Ent- 
scheid dem Betroffenen noch vor Ablauf der Beschwerdefrist 
erneut zugestellt wird. Diese Rechtsprechung ist durch 
BGE 117 II 511 Erw. 2 und 118 V 190 Erw. 3a insoweit präzi- 
siert und klargestellt worden, dass eine nach Ablauf der 
ordentlichen Rechtsmittelfrist erfolgte zweite Zustellung 
eines mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheids auch 
unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine neue 
Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen vermag. 
    Im vorliegenden Fall gilt die erste eingeschriebene 
Sendung als am letzten Tag der Frist von sieben Tagen ab 
Eingang bei der Poststelle am Ort des Empfängers zugestellt 
(vgl. BGE 123 III 494). Gemäss Poststempel ging die Sendung 
am 14. Juni 1999 bei der Poststelle X.________ ein. Die 
siebentägige Frist endete somit am 20. Juni 1999 und am 
21. Juni 1999 begann die Frist von 30 Tagen für die Einrei- 
chung der Beschwerde an das Eidgenössische Versicherungsge- 
richt zu laufen. Damit fiel der Fristablauf in den vom 
15. Juni bis 15. August 1999 dauernden Fristenstillstand 
(Art. 34 Abs. 1 lit. b OG) und verlängerte sich somit dem- 
entsprechend. Die zweite Zustellung vom 5. August 1999 er- 
folgte somit während der noch laufenden Rechtsmittelfrist. 
Sie enthält die Rechtsmittelbelehrung mit der Möglichkeit 
zur Beschwerdeerhebung innert 30 Tagen seit der Zustellung, 
ohne dass irgendeine Einschränkung gemacht wird. Auf die am 
26. August 1999 der Post übergebene Verwaltungsgerichts- 
beschwerde ist daher einzutreten. 
 
    2.- Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestim- 
mungen über die für den Anspruch auf Taggelder der Arbeits- 
losenversicherung unter anderem vorausgesetzte Vermitt- 
lungsfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit 
Art. 15 Abs. 1 AVIG) und die dazu ergangene Rechtsprechung 
(BGE 125 V 58 Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3; ARV 1993/94 Nr. 31 
S. 225 Erw. 3a betreffend Versicherte mit betreuungsbedürf- 
tigen Kindern) richtig dargelegt. Darauf kann verwiesen 
werden. 
 
    3.- Zu prüfen ist, ob die Verwaltung die Vermittlungs- 
fähigkeit mit dem Argument der nicht nachweislich gewähr- 
leisteten Kinderbetreuung verneinen durfte. 
    a) Gemäss den zutreffenden Feststellungen der Vorin- 
stanz hat die Beschwerdeführerin wiederholt zum Ausdruck 
gebracht, dass eine Fremdbetreuung ihrer beiden Kinder auf 
Grund der bisher gemachten Erfahrungen mit der Tagesmutter 
nicht möglich sei und daher nur eine Tätigkeit in Frage 
komme, bei der sie diese mitnehmen könne. Im Antrag auf 
Arbeitslosenentschädigung gab sie an, wegen der Betreuungs- 
pflicht gegenüber ihren Kindern könne sie nur Haushaltstel- 
len annehmen. Damit war sie mit Bezug auf die Arbeitsplatz- 
wahl und die tatsächliche Verfügbarkeit (vgl. Gerhards, 
Kommentar zum AVIG, Bd. I, N 38 ff. zu Art. 15) derart ein- 
geschränkt, dass das Finden einer zumutbaren Erwerbstätig- 
keit äusserst ungewiss erschien. Dass die Beschwerdeführe- 
rin auf den 1. April 1998 tatsächlich in einem Bauernhaus- 
halt eine mit Fr. 800.- monatlich entlöhnte Stelle fand, 
bei der sie ihre Kinder mitnehmen kann, vermag daran nichts 
zu ändern. Mit dem kantonalen Gericht ist daher die Ver- 
mittlungsfähigkeit für den zur Diskussion stehenden Zeit- 
raum vom 16. Februar bis 1. April 1998 zu verneinen. 
 
    b) Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorge- 
bracht wird, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. 
Insbesondere wird von keiner Seite in Zweifel gezogen, dass 
die Kinder nicht mehr länger der Tagesmutter anvertraut 
werden konnten. Indem die Beschwerdeführerin indessen die 
Betreuung der beiden kleinen Kinder erklärtermassen selber 
übernehmen wollte, hat sie ihre Verfügbarkeit auf dem all- 
gemeinen Arbeitsmarkt massiv eingeschränkt. Wie von den 
übrigen Arbeitslosen muss jedoch auch von allein erziehen- 
den Müttern verlangt werden, ihr Umfeld so zu organisieren, 
dass sie in der Lage und fähig sind, eine ihnen angebotene 
oder vermittelte Arbeit zu den üblichen Bedingungen anzu- 
nehmen. Da auf dem Arbeitsmarkt kaum Stellen zu finden 
sind, bei denen sich persönliche Kinderbetreuung und Er- 
werbstätigkeit verbinden lassen, wird die Vermittlungsfä- 
higkeit von Versicherten mit betreuungsbedürftigen Kindern 
denn auch vom Nachweis der Sicherstellung der Obhut abhän- 
gig gemacht (ARV 1993/94 Nr. 31 S. 225 Erw. 3a), welcher 
hier nicht erbracht ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.  
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-  
    richt des Kantons Aargau, der Arbeitslosenkasse des 
    Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirt- 
    schaft zugestellt. 
 
 
Luzern, 27. Januar 2000 
 
Im Namen des 
          Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.