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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.251/2004 /pai 
 
Urteil vom 3. Juni 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Erdös, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Pia Dennler-Hager, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Nötigung (Art. 181 StGB), Drohung (Art. 180 StGB), falsche Anschuldigung (Art. 303 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 10. Mai 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ unterhielt mit Y.________ seit 1997 eine Beziehung, die sehr bewegt verlief. Am 29. Juni 2001 kam es zwischen den beiden um ca. 19.45 Uhr zu einer tätlichen Auseinandersetzung vor bzw. in der Wohnung von Y.________. X.________ verlangte von dieser zunächst, dass sie ihre Wohnung aufschliesse. Als sie dies ablehnte, entriss er ihr den Schlüssel und drängte sie gegen ihren Willen in ihre eigene Wohnung. Nach Tätlichkeiten untersagte er ihr, die Hände zu waschen und das klingelnde Telefon abzunehmen. Aus Angst gehorchte Y.________. Zudem drohte X.________, ihr nahestehende Personen umzubringen, wodurch sie in Angst und Schrecken versetzt wurde. Schliesslich behauptete er in der untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 20. August 2001 wider besseres Wissen, Y.________ habe ihn mit der Hand von hinten geschlagen, um eine Strafverfolgung gegen sie herbeizuführen. 
 
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 10. Mai 2004 im Berufungsverfahren wegen dieser Vorfälle der Drohung, der mehrfachen Nötigung, des vollendeten Nötigungsversuchs und der falschen Anschuldigung schuldig und bestrafte ihn mit zwei Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Es verpflichtete ihn ferner, der Geschädigten Y.________ eine Genugtuung von Fr. 500.-- zu bezahlen. Im Mehrbetrag verwies es die Genugtuungsforderung der Geschädigten sowie die ebenfalls erhobenen Schadenersatzbegehren auf den Zivilweg. 
 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 17. Februar 2005 eine gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
B. 
X.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt die Aufhebung der meisten Dispositivziffern des Urteils des Obergerichts, daneben insbesondere seinen Freispruch in allen Anklagepunkten und die Abweisung des Genugtuungsbegehrens der Geschädigten. 
 
Das Obergericht äussert sich zu einzelnen Punkten der Beschwerde, ohne einen Antrag zu stellen. Vernehmlassungen der Beschwerdegegnerin und der Oberstaatsanwaltschaft wurden nicht eingeholt. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist im Schuld- und Strafpunkt rein kassatorischer Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten. 
 
Die Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde muss in der beim Bundesgericht eingereichten Rechtsschrift selber enthalten sein. Verweise auf die Ausführungen in früheren Rechtsschriften sind unzulässig (BGE 123 IV 42 E. 3a S. 46). Auf die Darlegungen in den Plädoyers vom 24. Oktober 2003 und vom 10. Mai 2004, die der Beschwerdeführer zum integralen Bestandteil seines beim Bundesgericht erhobenen Rechtsmittels erklärt, ist daher nicht einzugehen. 
 
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde kann die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden. Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist jedoch - soweit nicht eine mittelbare Verfassungsverletzung geltend gemacht wird - mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen (Art. 269 Abs. 2 BStP). Auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzungen der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV) sowie von Parteirechten (Art. 29 Abs. 2 und 3 sowie Art. 32 Abs. 2 BV) und auf die Rüge der willkürlichen bzw. aktenwidrigen Tatsachenfeststellung sowie der willkürlichen Beweiswürdigung (Art. 9 BV) ist daher nicht einzutreten. Diese Rügen sind im Übrigen vom Zürcher Kassationsgericht geprüft und für unbegründet befunden worden. Dem Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit offen gestanden, sich gegen diesen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Wehr zu setzen. 
 
Im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde sind Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheids richten, und das Vorbringen neuer Tatsachen unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Bei den Rügen, die der Beschwerdeführer gegenüber der Anwendung des eidgenössischen Rechts erhebt, weicht er verschiedentlich vom vorinstanzlich verbindlich festgestellten Sachverhalt ab. In diesem - nachstehend im Einzelnen aufgezeigten - Umfang ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde ebenfalls nicht einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen seine Verurteilung wegen Nötigung bzw. Nötigungsversuchs. 
2.1 Eine strafbare Nötigung gemäss Art. 181 StGB begeht, wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden. Schutzobjekt von Art. 181 StGB ist die Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung des Einzelnen (BGE 129 IV 6 E. 2.1). Die Strafnorm setzt voraus, dass das Opfer durch die Anwendung der genannten Zwangsmittel in seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigt und auf diese Weise - gegen seinen Willen - zu einem bestimmten Verhalten veranlasst wird (vgl. dazu BGE 104 IV 170 E. 2). Misslingt die Bestimmung von Willensbildung oder Willensbetätigung, bleibt es beim Versuch (BGE 106 IV 125 E. 1b). Eine nötigende Handlung ist nur unrechtmässig, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt sind oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 122 IV 322 E. 2a). Ob die Beschränkung der Handlungsfreiheit einer Person eine rechtswidrige Nötigung bildet, hängt somit vom Mass der Beeinträchtigung, von den dazu verwendeten Mitteln bzw. den damit verfolgten Zwecken ab (BGE 108 IV 165 E. 3). 
2.2 Nach Ansicht des Beschwerdeführers stellen die ihm unter Ziff. 2 der Anklage vorgeworfenen Taten lediglich straflose Vortaten zu dem von ihm begangenen Hausfriedensbruch dar. Da für diesen der erforderliche Strafantrag fehle, sei er von diesen Vortaten freizusprechen. Diese Auffassung verkennt, dass das Herausverlangen des Wohnungsschlüssels und insbesondere das Hineindrängen der Beschwerdegegnerin in die Wohnung keineswegs vom Unrechtsgehalt des Tatbestands des Hausfriedensbruchs mitumfasst werden. Der weitere Einwand, die Beschwerdegegnerin habe die Wohnung betreten wollen und könne deshalb nicht genötigt worden sein, weicht vom verbindlich festgestellten Sachverhalt ab, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Die Beschwerdegegnerin wollte wohl zunächst in ihre Wohnung gehen, änderte dann aber ihren Willen, als der Beschwerdeführer auftauchte. Nicht einzutreten ist auch auf die Rüge, der Beschwerdeführer habe nicht wissentlich und willentlich gehandelt. 
2.3 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es sei nicht genügend dargetan, dass sich die Beschwerdegegnerin gegen sein Verbot, die Hände zu waschen und das klingelnde Telefon abzunehmen, nicht hätte zur Wehr setzen können. Er wendet sich dabei indessen hauptsächlich gegen die Tatsachenfeststellungen, worauf nicht einzutreten ist. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Rüge, er sei der Beschwerdegegnerin kräftemässig gar nicht überlegen gewesen. Wie die Vorinstanz zu Recht erkennt, erreichten die ausgesprochenen Verbote eine Intensität, die der Anwendung physischer Gewalt ähnlich ist, zumal die Beschwerdegegnerin bei Widerstand mit weiteren Schlägen hat rechnen müssen. Damit beeinträchtigte der Beschwerdeführer deren Handlungsfreiheit in unzulässiger Weise. Im Übrigen ist eine Bundesrechtsverletzung in diesem Punkt nicht ersichtlich. 
3. 
Bundesrechtswidrig ist nach Auffassung des Beschwerdeführers auch seine Verurteilung wegen Drohung. 
3.1 Gemäss Art. 180 StGB wird auf Antrag mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt. Die Bedrohung ist ein Angriff auf die Freiheit der Willensbildung oder -betätigung durch Ankündigung eines erheblichen Übels, dessen Verwirklichung vom Willen des Täters abhängt (BGE 81 IV 101 E. 3; 106 IV 125 E. 2a). Der vom Täter in Aussicht gestellte Nachteil muss geeignet sein, das Opfer in Angst oder Schrecken zu versetzen. Die Anforderungen sind in dieser Hinsicht höher als beim Tatbestand der Nötigung gemäss Art. 181 StGB, der lediglich die Androhung ernstlicher Nachteile verlangt (BGE 81 IV 101 E. 3). Dabei reicht aus, dass die Drohung als ernst gemeint erscheint (Günther Stratenwerth/Guido Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 5 N 8; Jörg Rehberg/Niklaus Schmid/Andreas Donatsch, Strafrecht III, 8. Aufl., Zürich 2003, S. 361). Ob der Nachteil schwer ist, beurteilt sich nach objektiven Massstäben, nicht nach der individuellen Empfindlichkeit des Betroffenen, wobei nicht nur auf die angewendeten Mittel, sondern auch auf die gesamten Umstände abzustellen ist (BGE 99 IV 212 E. 1a). 
3.2 Die in der Beschwerde erhobene Kritik beschränkt sich auch in diesem Punkt weitgehend auf unzulässige Rügen an den Sachverhaltsfeststellungen. Im Übrigen erklärt die Vorinstanz zu Recht, dass die ausgestossene Drohung des Beschwerdeführers, er werde die Beschwerdegegnerin und ihr nahestehende Personen umbringen, massiv und daher geeignet sei, auch eine besonnene Person in Angst und Schrecken zu versetzen. 
4. 
Der Schuldspruch wegen falscher Anschuldigung wird vom Be-schwerdeführer ebenfalls als bundesrechtswidrig kritisiert. 
4.1 Nach Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde einer Übertretung beschuldigt, in der Absicht eine Strafverfolgung gegen diesen herbeizuführen. Wie der genannten Strafnorm zu entnehmen ist, muss sich die Anschuldigung gegen einen Nichtschuldigen richten. Entscheidend ist die inhaltlich fehlende Schuld bezüglich einer strafbaren Handlung. Das kann sich darauf beziehen, dass eine solche Straftat überhaupt nicht begangen worden ist oder dass diese zwar begangen wurde, jedoch von einer anderen Person. Als nicht schuldig gilt ferner, wer freigesprochen wurde sowie derjenige, gegen den ein Strafverfahren eingestellt worden ist. Kontrovers ist dabei, ob im Verfahren gegen den mutmasslichen falschen Anschuldiger ein solcher Einstellungsentscheid oder Freispruch überprüft werden darf (Vera Delnon/Bernhard Rüdy, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art. 303 N. 10f.; vgl. auch BGE 111 IV 159 E. 2a; 102 IV 103 E. 3; 72 IV 74 E. 1). 
4.2 Die Vorinstanz verweist darauf, dass das Strafverfahren gegen die Beschwerdegegnerin wegen eines Schlages, den sie dem Beschwerdeführer am 30. Juni 2001 versetzt haben soll, eingestellt wurde und ein Rekurs gegen die Einstellungsverfügung erfolglos blieb. Weiter hält sie fest, dass gegen den Rekursentscheid noch eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hängig sei, diese aber als ausserordentliches Rechtsmittel am Eintritt der Rechtskraft der Einstellung nichts zu ändern vermöge. Diese Ansicht rügt der Beschwerdeführer als bundesrechtswidrig. Ob gestützt auf den genannten Rekursentscheid allein die Nichtschuld der Beschwerdegegnerin als erwiesen erschiene, mag zweifelhaft sein (vgl. Vera Delnon/Bernhard Rüdy, a.a.O, Art. 303 N. 11), kann hier aber offen bleiben. Denn die Vorinstanz stützt ihre Beurteilung, dass die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer den fraglichen Schlag nicht versetzte, nicht nur auf den erwähnten Rekursentscheid, sondern vor allem auch auf ihre eigene Beweiswürdigung. Damit ist der Rüge des Beschwerdeführers der Boden entzogen. 
 
Auf die weiteren Einwände, die im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen falscher Anschuldigung vorgetragen werden, ist nicht einzutreten, da sie sich gegen die Beweiswürdigung und darauf getroffene Tatsachenfeststellungen richten. 
5. 
Da sich die Beschwerde im Strafpunkt als unbegründet erweist, ist auf die ebenfalls angefochtene Zusprechung einer Genugtuung nicht einzutreten, denn die Berufungssumme ist nicht erreicht (Art. 277quater in Verbindung mit Art. 271 Abs. 2 BStP; vgl. auch BGE 127 IV 203 E. 8b und c S. 209). 
6. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Da die Beschwerde als aussichtslos zu bezeichnen ist, kann dem gestellten Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 152 OG). Als Folge seines Unterliegens ist die Gerichtsgebühr dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei deren Festsetzung sind seine finanziellen Verhältnisse zu berücksichtigen (Art. 153a Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. Juni 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: