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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.88/2005 /bnm 
 
Urteil vom 11. Juli 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
Parteien 
X.________, 
Beklagter und Berufungskläger, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Klägerin und Berufungsbeklagte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Schöbi, 
 
Gegenstand 
Notwegrecht, 
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts 
St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 25. Januar 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Jahr 1987 erwarb Z.________ das Grundstück Nr. 1 in A.________. Im gleichen Jahr teilte er das Grundstück und verkaufte die dadurch neu entstandene Parzelle Nr. 2 an die Y.________ AG. In Zusammenhang mit dem Verkauf schlossen Z.________ und die Y.________ AG zudem einen Grunddienstbarkeitsvertrag ab, wonach der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Nr. 1 dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Nr. 2 ein zeitlich unbeschränktes, unentgeltliches Fuss- und Fahrwegrecht einräumt. Im Juni 1993 verkaufte Z.________ die (Rest-)Parzelle Nr. 1 an X.________. 
B. 
Am 24. November 2000 erhob die Y.________ AG gegen X.________ Klage und beantragte die Einräumung eines über das bestehende Fuss- und Fahrwegrecht hinausgehenden Notwegrechts. 
 
Mit Entscheid vom 11. März 2003 anerkannte das Bezirksgericht Oberrheintal den Anspruch auf einen Notweg und wies das zuständige Grundbuchamt an, in Ergänzung des bereits bestehenden Wegrechts ein zeitlich unbegrenztes Notwegrecht/Fuss- und Fahrwegrecht (von 8,5 m2) zu Gunsten der Parzelle Nr. 2 und zu Lasten der Parzelle Nr. 1 einzutragen. Weiter verpflichtete das Bezirksgericht die Y.________ AG zur Bezahlung einer Entschädigung für das Notwegrecht von Fr. 6'000.-- an X.________. 
 
Eine gegen diesen Entscheid erhobene Berufung von X.________ wies das Kantonsgericht St. Gallen am 25. Januar 2005 ab. 
C. 
X.________ gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids und die Abweisung der Klage. Eventualiter verlangt er eine Einschränkung des Notweges, subeventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neufestsetzung der Entschädigung für das Notwegrecht. 
 
Die Y.______ AG beantragt in ihrer Antwort die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Gemäss Angaben des Kantonsgerichts liegt der Streitwert bei rund Fr. 20'000.--, so dass der erforderliche Streitwert für das Berufungsverfahren gegeben ist. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG). 
2. 
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, sofern sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zu Stande gekommen oder zu ergänzen sind (Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG). Blosse Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts kann mit Berufung nicht vorgetragen werden (BGE 115 II 484 E. 2a S. 485 f.; 127 III 248 E. 2c S. 252; 129 III 320 E. 6.3 S. 327). 
 
Damit erweisen sich die zahlreichen Vorbringen des Beklagten als unzulässig, welche sich gegen die Sachverhaltsfeststellungen des Kantonsgerichts richten oder diese ergänzen. Namentlich kann auf die in der Berufungsschrift unter dem Titel "Rügen zum Sachverhalt" geltend gemachten Beanstandungen nicht eingetreten werden. Auch unter dem Titel "Rügen zum Rechtlichen" bringt der Beklagte zahlreiche unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung des Kantonsgerichts vor. 
3. 
Nach Art. 694 Abs. 1 ZGB kann ein Grundeigentümer, der keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse hat, beanspruchen, dass ihm die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen (BGE 110 II 125 E. 4 S. 126; 120 II 185 E. 2a S. 186; 130 III 554 E. 3.3 S. 560). 
 
Der Beklagte bestreitet einerseits das Bestehen einer Wegenot und behauptet andererseits, die Klägerin habe eine solche leichtfertig verursacht. 
 
 
Die Klägerin betreibt auf ihrer Parzelle eine Schreinerei, wobei es sich unstrittig um eine bestimmungsgemässe Nutzung und Bewirtschaftung des Grundstücks handelt. Das Kantonsgericht hat erwogen, die rationelle Bewirtschaftung eines Schreinereibetriebes setze die Zufahrt zur Werkstatt zum Zwecke des Güterumschlages voraus und diesbezüglich sei eine Wegenot gegeben. Bereits das Bezirksgericht hat zudem festgestellt, das bestehende, 4 m breite Wegrecht sei für eine Zufahrt mit Lieferwagen nicht ausreichend. 
 
Dass eine Zufahrt mit Lieferwagen für die rationelle Bewirtschaftung der Schreinerei notwenig ist, bestreitet der Beklagte nicht substantiiert. Der Verweis des Beklagten auf das bestehende Wegrecht ist nicht zu hören, da dieses nach für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung (vgl. E. 2) eine Zufahrt mit Lieferwagen nicht gestattet. Auch die Ausführungen des Beklagten über mögliche bauliche Massnahmen an der Liegenschaft der Klägerin zur Behebung der Wegenot betreffen den Sachverhalt und sind daher unzulässig. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanzen das Notwegrecht nur für die Zufahrt von Lieferwagen zugesprochen und für grössere Fahrzeuge wie Lastwagen ausdrücklich keine Notwendigkeit anerkannt haben. 
 
Dem Sachverhalt lassen sich zudem keine Hinweise entnehmen, dass die Klägerin die Wegenot leichtfertig verursacht hätte. Nur weil im Rahmen der Parzellierung die Vereinbarung eines genügend ausgedehnten Wegrechts unterlassen worden ist, kann nicht bereits eine Leichtfertigkeit angenommen werden. Dementsprechend hat das Kantonsgericht kein Bundesrecht verletzt mit der Schlussfolgerung, die Klägerin habe zu Gunsten ihrer Parzelle Anspruch auf die Einräumung eines Notweges. 
4. 
Gemäss Art. 694 Abs. 2 ZGB richtet sich der Anspruch in erster Linie gegen den Nachbarn, dem die Gewährung des Notweges wegen den früheren Eigentums- und Wegeverhältnissen am ehesten zugemutet werden darf, und im weitern gegen denjenigen, für den der Notweg am wenigsten schädlich ist. 
 
Nach dieser Bestimmung ist also in erster Linie auf die früheren Eigentums- und Wegeverhältnisse abzustellen. Namentlich wenn die Wegenot eines Grundstücks durch Parzellierung entstanden ist, richtet sich der Anspruch zuerst gegen die übrigen aus der Teilung hervorgegangen Parzellen, soweit diese noch Zugang zur öffentlichen Strasse haben. Bei den früheren Wegeverhältnissen sind bereits bestehende Berechtigungen zu berücksichtigen, nicht aber bloss tatsächliche Benutzungen auf Zusehen hin (Urteil des Bundesgerichts 5C.246/2004 vom 2. März 2005, E. 2; Heinz Rey, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 694 ZGB; Karin Caroni-Rudolf, Der Notweg, Diss. Bern 1968, S. 95 f.; Arthur Meier-Hayoz, Berner Kommentar, N. 30 f. zu Art. 694 ZGB; Paul-Henri Steinauer, Les droits réels, Bd. II, 3. Aufl. 2002, § 49 N. 1865a). 
 
Im vorliegenden Fall ist das Grundstück der Klägerin erst durch die Abparzellierung vom Grundstück des Beklagten von der öffentlichen Strasse abgeschnitten worden. Bereits aus diesem Grund richtet sich der Anspruch auf ein Notwegrecht in erster Linie gegen letztere Parzelle. Zu Lasten des beklagtischen Grundstücks besteht zudem bereits ein Wegrecht, welches, um den Bedürfnissen gerecht zu werden, bloss um eine Fläche von 8,5 m2 vergrössert werden muss. Daraus ergibt sich für den Beklagten im Übrigen auch keine unverhältnismässige Belastung, da gemäss für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung des Kantonsgerichts (vgl. E. 2) durch den zugesprochenen Notweg kein Parkplatz verloren geht. 
5. 
Der Beklagte beantragt eventualiter eine Einschränkung des Notwegrechts im Sinne seiner vor Kantonsgericht gestellten Eventualbegehren. Indes hat das Kantonsgericht die Eventualbegehren als unzulässige Klageänderung angesehen und ist deswegen darauf nicht eingetreten. Dabei handelt es sich um eine Frage des kantonalen Prozessrechts, welches das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht prüfen kann (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 196 E. 3a S. 201; 127 III 248 E. 2c S. 252). Damit kann auf den vorliegenden Antrag nicht eingetreten werden. 
6. 
Schliesslich verlangt der Beklagte eine höhere Entschädigung für die Einräumung des Notwegrechts. Er führt zur Begründung aus, durch das Notwegrecht würden zwei Parkplätze verloren gehen. Indes betrifft diese Rüge den Sachverhalt und erweist sich daher als unzulässig (vgl. E. 2). Das Kantonsgericht hat in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgehalten, dass die Fläche, welche vom Notweg betroffen ist, eben gerade nicht als Parkplatz genutzt werde. Ebenfalls verbindlich ist die Feststellung bezüglich der hälftigen Beteiligung der Klägerin an den Baukosten der Vorplatzfläche. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik des Beklagten kann nicht gehört werden. 
7. 
Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beklagten auferlegt. 
3. 
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Juli 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: