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[AZA 7] 
I 231/01 Gi 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; 
Gerichtsschreiberin Polla 
 
Urteil vom 25. Februar 2002 
 
in Sachen 
M.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, Bahnhofplatz 9, 8910 Affoltern am Albis, 
 
gegen 
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6304 Zug, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug 
 
A.- Mit Verfügung vom 9. Mai 2000 setzte die IV-Stelle des Kantons Zug die dem 1955 geborenen M.________ im Rahmen beruflicher Massnahmen vom 3. April bis 26. April 2000 zustehenden Taggelder auf der Grundlage eines durchschnittlichen Tageseinkommens von Fr. 191.- fest, wobei sie die Haushaltungsentschädigung einschliesslich einer Kinderzulage auf Fr. 163. 30 bemass. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 23. Februar 2001 ab. 
 
C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und in Abänderung der Verfügung vom 9. Mai 2000 sei von einem durchschnittlichen Tageseinkommen von Fr. 224.- auszugehen. Dementsprechend sei die Haushaltungsentschädigung einschliesslich einer Kinderzulage auf Fr. 173. 50 festzusetzen. 
Die IV-Stelle des Kantons Zug beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
D.- Nach Abschluss des Schriftenwechsels reicht die Rechtsvertreterin von M.________ einen Abschreibungsbeschluss des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 28. Mai 2001 ein, worin der Stundenlohn von M.________ vergleichsweise auf Fr. 34.50 seit 1. Oktober 1997 festgehalten ist. 
Der IV-Stelle wurde Gelegenheit eingeräumt, zur nachträglichen Eingabe von M.________ Stellung zu nehmen, worauf sie mit Schreiben vom 11. Februar 2002 verzichtete. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Nach bisheriger Rechtsprechung berücksichtigte das Eidgenössische Versicherungsgericht im Verfahren gemäss Art. 132 OG die nach Ablauf der Beschwerdefrist unaufgefordert eingereichten Schriftstücke und Beweismittel, soweit sie für die Beurteilung der Streitsache erheblich schienen (vgl. AHI 2000 S. 303 ff., lit. c und Erw. 2b; ZAK 1986 S. 
190 Erw. 3b, 1980 S. 439 Erw. 2). Im noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteil L. vom 15. Oktober 2001 (U/147/99) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht einlässlich begründet, weshalb an dieser Praxis nicht länger festzuhalten ist. Im Sinne einer Angleichung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtes entschied es, dass es - selbst in Verfahren, in denen das letztinstanzliche Gericht nicht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist (Art. 132 lit. b OG) - im Lichte von Art. 108 Abs. 2 OG grundsätzlich unzulässig ist, nach Ablauf der Beschwerdefrist neue Beweismittel beizubringen, es sei denn, dass ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel (Art. 110 Abs. 4 OG) angeordnet wurde (a.a.O., Erw. 3b und 4a). Namentlich ist es nicht zulässig, dass eine Person in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ihre Absicht kundtut, nach Ablauf der Beschwerdefrist ein künftiges Beweismittel einzureichen, oder dass sie zu diesem Zweck die Sistierung des Verfahrens beantragt (a.a.O., Erw. 3b in fine). Zu berücksichtigen sind in der Regel nur solche Eingaben, welche dem Gericht innert der gesetzlichen Frist (Art. 106 Abs. 1 OG) vorliegen. 
Anders verhält es sich lediglich dann, wenn die nach Ablauf der Beschwerdefrist oder nach Abschluss eines zweiten Schriftenwechsels unaufgefordert eingereichten Schriftstücke neue erhebliche Tatsachen oder schlüssige Beweismittel enthalten, welche eine Revision im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu rechtfertigen vermöchten (a.a.O., Erw. 4b). 
 
b) Nach Art. 137 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG ist die Revision eines Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts u.a. zulässig, wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch der um Revision ersuchenden Person trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. 
Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil der gesuchstellenden Person unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat die Person auch darzutun, dass sie die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Entscheidend ist ein Beweismittel, wenn angenommen werden muss, es hätte zu einem andern Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren hievon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient. (BGE 110 V 141 Erw. 2, 108 V 171 Erw. 1; vgl. auch BGE 118 II 205). 
 
c) Zu prüfen ist, ob der im vorliegenden Verfahren nach Abschluss des Schriftenwechsels eingereichte gerichtliche Vergleich (Abschreibungsbeschluss des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 28. Mai 2001) der Entscheidfindung zu Grunde zu legen ist. 
In diesem kantonalen Beschluss wird festgestellt, dass sich der Stundenlohn des Versicherten seit 1. Oktober 1997 auf Fr. 34.50 belief. Als Begründung wird unter anderem angegeben, dass der Vergleich (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht) deshalb abgeschlossen worden sei, weil sich an der Parteibefragung vom 25. April 2001 gemäss Auffassung des Gerichts konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass dem Kläger nicht sämtliche ihm zustehenden Lohnerhöhungen entrichtet worden seien. 
Damit enthält der Abschreibungsbeschluss vom 28. Mai 2001 zweifelsohne neue erhebliche Tatsachen, welche zu einer Revision nach Art. 137 lit. b OG Anlass geben könnten, da der mit Fr. 34.50 festgesetzte Stundenlohn des Versicherten die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Entscheids verändert und wie nachfolgend dargelegt, auch zu einer anderen Entscheidung führt. Der kantonale Abschreibungsbeschluss erging nach dem vorinstanzlichen Entscheid, sodass der Beschwerdeführer diesen auch nicht früher beibringen konnte. Die Eingabe vom 28. Mai 2001 ist somit ausnahmsweise zu berücksichtigen. 
 
2.- a) Nach Art. 22 Abs. 1 IVG hat der Versicherte während der Eingliederung Anspruch auf ein Taggeld, wenn er an wenigstens drei aufeinanderfolgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig ist (Satz 1). Die Taggelder werden gemäss Art. 23 Abs. 1 IVG u.a. als Haushaltungsentschädigungen und Kinderzulagen ausgerichtet. 
 
b) Gemäss Art. 24 Abs. 1 IVG gelten für Taggelder die gleichen Ansätze, Bemessungsregeln und Höchstgrenzen wie für die entsprechenden Entschädigungen und Zulagen gemäss Bundesgesetz vom 25. September 1952 über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee und Zivilschutz (EOG). 
Bemessungsgrundlage der Taggelder für Erwerbstätige bildet nach Art. 24 Abs. 2 IVG jedoch das Erwerbseinkommen, das der Versicherte durch die zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit erzielt hat. Art. 24 Abs. 3 IVG räumt dem Bundesrat die Befugnis zum Erlass ergänzender Vorschriften über die Bemessung der Taggelder ein (1. Halbsatz). 
 
c) Gestützt auf Art. 24 Abs. 3 IVG hat der Bundesrat in Art. 21 Abs. 1 IVV vorgesehen, dass für die Bemessung der Taggelder unter Vorbehalt u.a. von Art. 24 Abs. 2 IVG die Bestimmungen der Verordnung vom 24. Dezember 1959 zur Erwerbsersatzordnung (EOV) sinngemäss anwendbar sind. In Ergänzung zu Art. 24 Abs. 2 IVG hat er zudem in Art. 21 Abs. 2 IVV festgehalten, dass bei Versicherten, deren zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit mehr als zwei Jahre zurückliegt, auf das Erwerbseinkommen abzustellen ist, das der Versicherte, wenn er nicht invalid geworden wäre, durch die gleiche Tätigkeit unmittelbar vor der Eingliederung erzielt hätte. 
 
3.- Streitig und zu prüfen ist, welche Lohnhöhe aus dem letzten Arbeitsverhältnis mit R.________, Akkordunternehmung, bei welchem der Versicherte seit 1987 als Bauarbeiter tätig war, der Taggeldbemessung zu Grunde zu legen ist. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob die ausbezahlten Spesen als verdeckter Lohnbestandteil in die Berechnung einzubeziehen sind. 
 
a) Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass Spesen sowohl anhand konkreter Aufwendungen als auch aufgrund eines Pauschalansatzes vergütet werden können, sofern sie den effektiven Unkosten zumindest insgesamt entsprechen, was mit dem vorliegenden Spesenansatz von Fr. 5.- pro Stunde im Jahre 1998 zu bejahen ist. Ebenso richtig ist die Feststellung, dass Einkommensbestandteile - wie Spesen -, die nicht zum AHV-pflichtigen Erwerbseinkommen gehören (AHI 1996 S. 
248 Erw. 3a mit Hinweisen), nicht als Bemessungsgrundlage für das IV-Taggeld herangezogen werden. 
Wenn dass kantonale Gericht daraus den Schluss zieht, dass die Fr. 5.- pro Stunde als Spesen und nicht als Lohnbestandteil zu qualifizieren sind, lässt sich dies zum Entscheidzeitpunkt nicht beanstanden. Dies gilt insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Beschwerdeführer während der ganzen Dauer seines Arbeitsverhältnisses die von seinem Arbeitgeber praktizierte AHV-rechtliche Abrechnung nicht gerügt und sich somit jahrelang mit dieser Praxis einverstanden erklärt hat. 
 
b) Mit gerichtlichem Vergleich einigen sich die Parteien - hier im Rahmen eines Zivilprozesses - über den Streitgegenstand. Als Innominatkontrakt untersteht er dem Obligationenrecht. Das Gericht hat vom Vergleichsabschluss grundsätzlich nur Kenntnis zu nehmen und die Prozesserledigung festzustellen, nicht aber die Angemessenheit des Vereinbarten zu überprüfen, ausser dieses hält vor dem Recht nicht stand (BGE 124 II 12 Erw. 3b mit Hinweisen). Demgemäss hat ein im arbeitsgerichtlichen Verfahren oder im ordentlichen Zivilprozess geschlossener Vergleich die Vermutung für sich, dass er im Wesentlichen der tatsächlichen Rechts- und Sachlage entspricht (RKUV 1995 Nr. U 226 S. 
187; nicht veröffentlichtes Urteil T. vom 7. Juli 1988, C 63/87, Erw. 2d). 
Anhand der Aktenlage bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der damalige Arbeitgeber ohne hinreichenden Grund in einen der Rechts- und Sachlage nicht entsprechenden Vergleich eingewilligt hätte, zumal sich Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite damit auch zur Nachzahlung der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge verpflichtet haben. 
Damit ist das Taggeld auf der Basis eines Stundenlohnes von Fr. 34.50 neu zu bemessen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons 
Zug vom 23. Februar 2001 und die Verfügung der IV- Stelle des Kantons Zug vom 9. Mai 2000 aufgehoben, und 
es wird die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zug zurückgewiesen, 
 
damit diese im Sinne der Erwägungen über 
den Taggeldanspruch des Beschwerdeführers neu verfüge. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Zug hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- 
 
 
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses 
 
 
zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Zug, der Ausgleichskasse Zug und dem 
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 25. Februar 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
i.V. 
 
Die Gerichtsschreiberin: