Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
[AZA 7] 
B 31/00 
B 37/00 Ge 
 
III. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin 
Widmer; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Urteil vom 11. Dezember 2001 
 
in Sachen 
Patria Stiftung zur Förderung der Personalversicherung, St. Alban-Anlage 26, 4052 Basel, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
S.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Markus Schmid, Steinenschanze 6, 4051 Basel, 
 
und 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Markus Schmid, Steinenschanze 6, 4051 Basel, 
 
gegen 
Patria Stiftung zur Förderung der Personalversicherung, St. Alban-Anlage 26, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Basel 
A.- Der 1950 geborene S.________ war seit 1990 als Servicemonteur bei der Firma X.________ tätig und bei der Patria-Stiftung zur Förderung der Personalversicherung (im Folgenden: Patria-Stiftung) berufsvorsorgeversichert. Am 24. Mai 1996 erlitt er einen Unfall, für dessen Folgen ihm die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher er obligatorisch gegen Unfälle versichert war, mit Verfügung vom 7. Dezember 1998 ab 1. Dezember 1998 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 15 % zusprach. Der Versicherte führte hiegegen Einsprache. Der Einspracheentscheid der SUVA steht noch aus. Die Invalidenversicherung gewährte S.________ gemäss Verfügung der IV-Stelle Basel-Landschaft vom 8. April 1999 mit Wirkung ab 1. Mai 1997 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente. Mit Schreiben vom 9. April 1999 beschied die Patria-Stiftung dem Versicherten, dass sie vor dem Entscheid über die Leistungspflicht der SUVA keine Leistungen aus der beruflichen Vorsorge erbringe, da sie nicht vorleistungspflichtig sei. 
 
 
B.- Am 15. Juni 1999 liess S.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Klage einreichen mit dem Hauptantrag, die Patria-Stiftung sei zu verpflichten, ihm mit Wirkung ab 1. Dezember 1998 eine Invalidenrente in der Höhe von jährlich Fr. 9684.- auszurichten. 
Diesem Begehren gab das Gericht statt, verhielt die Patria-Stiftung überdies zur Bezahlung eines Verzugszinses von 5 % ab 15. Juni 1999 und verpflichtete andererseits den Versicherten, der Patria-Stiftung den Betrag zurückzuerstatten, welcher bei Addition der rechtskräftig festgesetzten Leistungen der Invalidenversicherung, der SUVA und der Patria-Stiftung 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigt (Entscheid vom 28. März 2000). 
C.- Die Patria-Stiftung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben mit der Feststellung, dass sie keine Vorleistungspflicht treffe und die Leistungen aus der beruflichen Vorsorge erst zu berechnen und auszurichten seien, wenn über die Leistungspflicht der SUVA rechtskräftig entschieden sei. 
Während S.________ die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen lässt, äussert sich die als Mitbeteiligte zur Vernehmlassung eingeladene SUVA zur Sache, ohne einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
D.- S.________ erhebt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der kantonale Entscheid sei insoweit aufzuheben, als die Überversicherungsgrenze gemäss Abs. 2 des Dispositivs auf 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes festgelegt wurde. 
Während die Patria-Stiftung sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von S.________ schliesst, äussert sich die als Mitinteressierte beigeladene SUVA, ohne einen Antrag zu stellen. Das BSV verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 123 V 215 Erw. 1, 120 V 466 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 127 V 33 Erw. 1, 157 Erw. 1, 126 V 285 Erw. 1; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. 1, S. 343 unten f.). 
2.- a) Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 122 V 323 Erw. 2, 120 V 18 Erw. 1a, je mit Hinweisen). 
 
b) In zeitlicher Hinsicht sind für das Eidgenössische Versicherungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse massgebend, wie sie sich bis zum Erlass des kantonalen Gerichtsentscheides entwickelt haben (SZS 1999 S. 149 Erw. 3). 
 
3.- Anspruch auf Invalidenleistungen haben gemäss Art. 23 BVG Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren. Nach Art. 26 Abs. 1 BVG gelten für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (Art. 29 IVG). Laut Art. 34 Abs. 2 BVG erlässt der Bundesrat Vorschriften zur Verhinderung ungerechtfertigter Vorteile des Versicherten oder seiner Hinterlassenen beim Zusammentreffen mehrerer Leistungen. 
Treffen Leistungen nach diesem Gesetz mit solchen nach dem Unfallversicherungsgesetz oder nach dem Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung zusammen, so gehen grundsätzlich die Leistungen der Unfallversicherung oder der Militärversicherung vor. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat der Bundesrat die Art. 24 ff. BVV2 erlassen. 
Nach Art. 24 Abs. 1 BVV2 kann die Vorsorgeeinrichtung die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen. Als anrechenbare Einkünfte gelten nach Art. 24 Abs. 2 BVV2 Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung, die der anspruchsberechtigten Person auf Grund des schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden, wie Renten oder Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in- und ausländischer Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen, mit Ausnahme von Hilflosenentschädigungen, Abfindungen und ähnlichen Leistungen. 
 
Gemäss Art. 25 Abs. 1 BVV2 kann die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen nach Art. 24 kürzen, wenn die Unfallversicherung oder die Militärversicherung für den gleichen Versicherungsfall leistungspflichtig ist. 
 
4.- Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte gestützt auf Art. 23 und Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ab 1. Mai 1997 gegenüber der Patria-Stiftung grundsätzlich Anspruch auf Invalidenleistungen hat. Streitig und zu prüfen ist hingegen, ob die Patria-Stiftung die nach BVG geschuldeten Leistungen bereits ab diesem Datum zu erbringen hat, obwohl über die Verpflichtung der SUVA zur Ausrichtung einer Invalidenrente nach UVG (noch) nicht rechtskräftig entschieden ist. 
 
5.- a) In einem neuesten, zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil S. vom 27. November 2001, B 14/00, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht diese Frage mit folgender Begründung bejaht: Soweit Vorinstanz und Verfahrensbeteiligte (wie auch im hier zu beurteilenden Fall) die eingangs gestellte Rechtsfrage unter dem Blickwinkel der Vorleistungspflicht des einen Sozialversicherers zu beantworten suchen, übersehen sie einen wesentlichen Unterschied in der Koordination verschiedener Sozialversicherungsleistungen. 
Bei den Sachleistungen, beispielsweise in der Krankenversicherung, wo die Vorleistungspflicht des Krankenversicherers im Verhältnis zur Unfallversicherung oder zur Militärversicherung geregelt ist (Art. 78 Abs. 1 lit. a KVG und Art. 112 Abs. 1 KVV), gilt die Prioritätenordnung in dem Sinne, dass eine Sozialversicherung leistungspflichtig ist, so für die Heilbehandlung in erster Linie die Militärversicherung, in zweiter Linie die Unfallversicherung und anschliessend die Krankenversicherung. Ist die Leistungspflicht zweifelhaft, ist der Krankenversicherer vorleistungspflichtig. Bei den Geldleistungen hingegen, insbesondere den Renten, besteht eine Kumulation kongruenter Leistungen unter Vorbehalt der Kürzung bei Überentschädigung (Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 
2. Aufl. , Bern 1997, S. 298 f.; vgl. auch Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 532; Frésard, Questions de coordination en matière de prévoyance professionnelle, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise [RJN] 2000, S. 27 ff.). Im Falle der Kumulation kann nicht von einer Vorleistungspflicht des einen Sozialversicherers gesprochen werden. Aus dem Fehlen von entsprechenden Bestimmungen im Bereich der beruflichen Vorsorge, wie sie für die Krankenversicherung vorhanden sind (Art. 78 Abs. 1 lit. a KVG und Art. 112 KVV), kann daher nicht auf eine Gesetzeslücke geschlossen werden. Das Prinzip der Kumulation bedeutet, dass die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung zu erbringen hat, sobald die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Ob und gegebenenfalls in Anwendung welcher Bestimmungen der Leistungserbringer im Falle späterer Kürzung zufolge Überentschädigung zu viel erbrachte Leistungen zurückfordern kann, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 115 V 115 offen gelassen. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Aber selbst wenn die Vorsorgeeinrichtung keine Rückforderungsmöglichkeit hätte, wäre ein solches Risiko dem Kumulationsprinzip inhärent. Es würde ungleich weniger schwer wiegen als das Bedürfnis der versicherten Person, mit der Rente der Invalidenversicherung und derjenigen der beruflichen Vorsorge zusammen ihren fortlaufenden Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistungen zurückbehalten könnte, bis allfällige Rentenleistungen der Unfallversicherung feststehen, was regelmässig mehrere Jahre dauert (vgl. Frésard, a.a.O., S. 28, Fn 58). 
b) Auf Grund der Verfügung der IV-Stelle vom 8. April 1999, mit welcher dem Versicherten rückwirkend ab 1. Mai 1997 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente zugesprochen wurde, sind die Voraussetzungen für die Leistungspflicht der Patria-Stiftung ab dem nämlichen Zeitpunkt erfüllt. Der angefochtene Entscheid ist in diesem Punkt im Ergebnis nicht zu beanstanden. 
 
c) Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist einzig über die Leistungspflicht der Patria-Stiftung, nicht aber eine allfällige Rückerstattungspflicht des Versicherten und erst recht nicht den Umfang einer solchen Verpflichtung zu entscheiden. 
Absatz 2 des Dispositivs des vorinstanzlichen Entscheides ist daher aufzuheben. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Patria-Stiftung 
wird abgewiesen. 
 
II. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des S.________ wird in dem Sinne gutgeheissen, dass Absatz 2 des Dispositivs des Entscheides des Versicherungsgerichts des 
 
 
Kantons Basel-Stadt vom 28. März 2000 aufgehoben wird. 
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
IV. Die Patria-Stiftung hat dem Versicherten für die Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 4000.- (einschliesslich 
 
 
Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons Basel-Stadt, dem Bundesamt für 
Sozialversicherung und der SUVA zugestellt. 
Luzern, 11. Dezember 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
Der Gerichtsschreiber: