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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_56/2010 
 
Urteil vom 29. Juni 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Mathys, Bundesrichterin 
Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Näf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Y.________ AG, vertreten durch Fürsprecher Rolf Röthlisberger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
1. Eidgenössische Spielbankenkommission, Postfach, 3003 Bern, 
2. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Einziehung, Ersatzforderung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 27. Oktober 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die Eidgenössische Spielbankenkommission sprach X.________ mit Strafverfügung vom 6. Dezember 2007 der mehrfachen Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz (im Sinne von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG) in 14 Fällen in der Zeit von Ende Januar 2005 bis 21. März 2005 schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von 4000 Franken. X.________ wird zur Last gelegt, er habe als Geschäftsführer der Firma Y.________ AG in vier Restaurants im Kanton Aargau insgesamt 14 Spielautomaten des Typs "Super Cherry 600" aufstellen lassen, welche abweichend von der bewilligten Version dieses Typs mit einer sog. Starpot-Funktion versehen gewesen seien, die gleich einem "Jackpot" den Spielern einen zusätzlichen Spielanreiz geboten habe. 
 
Mit Verfügung vom gleichen Tag in Sachen Y.________ AG ordnete die Eidgenössische Spielbankenkommission gestützt auf Art. 70 StGB die Einziehung der beschlagnahmten Kasseninhalte aus den 14 Automaten im Gesamtbetrag von Fr. 69'551.-- an und verpflichtete sie die Y.________ AG gestützt auf Art. 71 StGB zur Zahlung einer Ersatzforderung im Umfang von Fr. 339'530.--. 
 
X.________ und die Y.________ AG verlangten die gerichtliche Beurteilung. 
A.b Das Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, sprach X.________ mit Urteil vom 27. Oktober 2009 der mehrfachen Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz im Sinne von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von 4000 Franken. 
 
Mit Entscheid vom gleichen Tag ordnete das Obergericht des Kantons Luzern gestützt auf Art. 70 StGB die Einziehung der beschlagnahmten Kasseninhalte aus den 14 Automaten im Gesamtbetrag von Fr. 69'551.-- an und verpflichtete es die Y.________ AG gestützt auf Art. 71 StGB zur Zahlung einer Ersatzforderung im Umfang von Fr. 339'530.--. Ferner wurden die beschlagnahmten 14 Starpot-Programmkarten (EPROMs) zwecks Vernichtung eingezogen. 
 
B. 
Die Y.________ AG führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 27. Oktober 2009 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei von der Einziehung und/oder Ersatzforderung abzusehen. 
 
C. 
Die Eidgenössische Spielbankenkommission und das Obergericht des Kantons Luzern beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es fehle an einer strafbaren Handlung. Einziehung und Ersatzforderung fielen daher schon mangels einer Anlasstat ausser Betracht. 
 
Der Einwand ist unbegründet. Durch den Betrieb der in Missachtung der massgebenden übergangsrechtlichen Bestimmungen veränderten Automaten hat der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, X.________, nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz im Sinne von Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG eventualvorsätzlich Glücksspiele ausserhalb konzessionierter Spielbanken organisiert oder gewerbsmässig betrieben und damit einen Straftatbestand objektiv und subjektiv erfüllt. Zur Begründung im Einzelnen kann auf die Erwägungen im Bundesgerichtsurteil 6B_44/2010 vom 29. Juni 2010 in Sachen X.________ verwiesen werden. 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdeführerin ficht die Einziehung und die Ersatzforderung beziehungsweise deren Umfang an. Die Vorinstanz habe die Ersatzforderung nach dem sog. Bruttoprinzip bemessen, was unter den gegebenen Umständen unverhältnismässig und damit bundesrechtswidrig sei. Vorliegend komme lediglich eine Einziehung und Ersatzforderung nach dem Nettoprinzip in Betracht. Die Beschwerdeführerin habe im (repräsentativen) Geschäftsjahr 2004 ein Betriebsergebnis von 10,2 % des Bruttoumsatzes aus ihrer gesamten Geschäftstätigkeit erwirtschaftet. Daher sei im vorliegenden Fall die Ersatzforderung entsprechend auf einen Betrag festzulegen, der 10,2 % des mit den 14 Automaten im massgebenden Zeitraum erzielten Umsatzes entspricht. 
 
2.2 Durch den Betrieb der 14 Glücksspielautomaten wurde im massgebenden Zeitraum unstreitig ein Umsatz (in Form von Bruttoeinnahmen) im Gesamtbetrag von Fr. 469'287.-- erzielt. Die Eidgenössische Spielbankenkommission legte ihrer Einziehungsverfügung vom 6. Dezember 2007 allerdings nicht diesen Bruttobetrag, sondern einen reduzierten Betrag von Fr. 409'081.-- zugrunde. Davon gingen auch die kantonalen Gerichtsinstanzen aus. Sie erkannten daher unter Berücksichtigung des beschlagnahmten Bargeldbetrags von Fr. 69'551.--, der gemäss Art. 70 StGB eingezogen wurde, gestützt auf Art. 71 StGB auf eine staatliche Ersatzforderung in der Höhe von Fr. 339'530.--. Damit gelangt gemäss den Ausführungen der Vorinstanz im Ergebnis ein gemässigtes Bruttoprinzip zur Anwendung. Die Vorinstanz erwägt, der gesamte Umsatz sei durch den Betrieb von unbewilligten und damit verbotenen Automaten erzielt worden, wobei rein kommerzielle Interessen im Vordergrund gestanden hätten. Zwar sei die Anlasstat formell eine blosse Übertretung, doch zeige die Höhe der angedrohten Strafe (Busse bis zu 500'000 Franken), dass gewichtige Interessen und hohe Spielbeträge auf dem Spiel stünden. Diese gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid ausserordentlichen Verhältnisse beim Betrieb eines illegalen Spielautomaten würden nach der Auffassung der Vorinstanz im konkreten Fall auch die Anwendung des reinen Bruttoprinzips als noch verhältnismässig erscheinen lassen. Weitere relevante Abzugsmöglichkeiten seien nicht ersichtlich, und eine Gefährdung der Resozialisierung bestehe bei der Beschwerdeführerin als juristische Person nicht (angefochtenes Urteil S. 18). 
 
3. 
3.1 Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs. 1 StGB, Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB). Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln, so kann das Gericht ihn schätzen (Art. 70 Abs. 5 StGB, Art. 59 Ziff. 4 aStGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe (Art. 71 Abs. 1 StGB, Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 aStGB). Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde (Art. 71 Abs. 2 StGB, Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 aStGB). Diese Bestimmungen finden mangels abweichender Vorschriften im Spezialgesetz auch Anwendung auf die Einziehung von Vermögenswerten, die durch Widerhandlungen gegen das Spielbankengesetz erlangt worden sind. 
 
3.2 Aus den Bestimmungen des StGB betreffend die Einziehung von Vermögenswerten und die Ersatzeinziehung durch Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung ergibt sich nicht, ob bei der Berechnung des einzuziehenden Vermögenswerts nach dem Bruttoprinzip oder nach dem Nettoprinzip zu verfahren ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts neigt zur Anwendung des Bruttoprinzips, verlangt aber die Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (BGE 124 I 6 E. 4b/bb mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat allerdings im zitierten Entscheid die Anwendung des Bruttoprinzips durch Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung im Umfang des erzielten Umsatzes im Falle von Widerhandlungen gegen eine kantonale Heilmittelverordnung durch unzulässige gewerbsmässige Abgabe von Medikamenten in Anbetracht des kantonalen Rechts, des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und der Natur der Widerhandlung als verfassungswidrig qualifiziert. In der Lehre wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei generell verbotenen Handlungen das Bruttoprinzip anzuwenden ist, während bei an sich rechtmässigem, nur in seiner konkreten Ausrichtung rechtswidrigem Verhalten das Nettoprinzip gelten soll. In einem Teil der Lehre wird von jeglichem Schematismus abgeraten und dafür eingetreten, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine Wertung vorzunehmen und zu prüfen, ob und inwieweit der gesamte Bruttoerlös der strafbaren Handlung zugerechnet werden kann und inwieweit die Abschöpfung in diesem Umfang vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip standhält (FLORIAN BAUMANN, Basler Kommentar I, 2. Aufl. 2007, Art. 70/71 StGB N 32 mit Hinweisen; zum Ganzen nicht publizierte E. 11 von BGE 133 IV 112; Urteil 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.2). 
 
3.3 Die inkriminierten Widerhandlungen gegen das Spielbankengesetz, durch welche die Beschwerdeführerin Vermögenswerte erlangte, sind lediglich Übertretungen, für welche das Gesetz allerdings Busse bis zu 500'000 Franken androht (Art. 56 Abs. 1 SBG, Art. 106 Abs. 1 und Art. 333 Abs. 3 StGB). Die inkriminierten Widerhandlungen bestehen darin, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eventualvorsätzlich 14 Automaten des Typs "Super Cherry 600" betrieb, die in Missachtung der massgebenden übergangsrechtlichen Bestimmungen durch Ausstattung mit einer Starpot-Funktion unzulässigerweise verändert worden waren. Der Betrieb der Automaten "Super Cherry 600" ohne Abänderung durch den Einbau der Starpot-Funktion wäre unstreitig zulässig gewesen. Daraus folgt, dass nur allfällige Mehreinnahmen eingezogen werden können, die gerade infolge der rechtswidrigen Abänderung der Automaten durch den Einbau der Starpot-Funktion erlangt wurden. Nur diese allfälligen Mehreinnahmen können der strafbaren Handlung, d.h. dem Betrieb der in unzulässiger Weise abgeänderten Automaten, zugerechnet werden. Die Vorinstanz hätte daher prüfen müssen, welche Bruttoeinnahmen im massgebenden Zeitraum durch den zulässigen Betrieb der unveränderten Automaten ohne Starpot-Funktion erzielt worden wären. Diesen Betrag hätte die Vorinstanz von den Bruttoeinnahmen aus dem Betrieb der durch den Einbau der Starpot-Funktion in unzulässiger Weise abgeänderten Automaten abziehen müssen. Nur der daraus resultierende Differenzbetrag wurde durch strafbare Handlung erlangt und unterliegt daher der Einziehung. Die Vorinstanz ist nicht nach diesem Prozedere verfahren und hat somit Bundesrecht verletzt. 
 
3.4 Allerdings lässt sich nicht ohne weiteres ermitteln, welche Bruttoeinnahmen die Beschwerdeführerin durch den zulässigen Betrieb der 14 Automaten "Super Cherry 600" ohne deren unzulässige Änderung durch den Einbau der Starpot-Funktion erlangt hätte und welche Mehreinnahmen somit die Beschwerdeführerin durch den Betrieb der Automaten mit der Starpot-Funktion erzielte. In einer solchen Konstellation, in welcher sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln lässt, kann das Gericht ihn schätzen (Art. 70 Abs. 5 StGB, Art. 59 Ziff. 4 aStGB). Dabei können auch allenfalls noch vorhandene Unterlagen der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden, aus welchen sich ergibt, welche monatlichen Umsätze mit den 14 Automaten vor deren Abänderung erzielt wurden. 
 
3.5 Vom dergestalt ermittelten beziehungsweise geschätzten Vermögenswert sind keine Abzüge vorzunehmen. Im Besonderen fällt auch ein Abzug der Kosten für die Anschaffung und den Einbau der Software betreffend die Starpot-Funktion ausser Betracht, da diese Software von der Beschwerdeführerin nur rechtswidrig verwendet werden konnte. Die Vorinstanz hat denn auch die 14 beschlagnahmten Starpot-Programmkarten (EPROMs) zwecks Vernichtung eingezogen, was die Beschwerdeführerin nicht anficht. 
 
3.6 Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Meinung, der Betrag des einzuziehenden Vermögenswerts sei auf 10,2 % des durch den Betrieb der 14 veränderten Automaten im massgebenden Zeitraum erzielten Umsatzes festzulegen, da sie beispielsweise im (repräsentativen) Geschäftsjahr 2004 im Rahmen ihrer gesamten Geschäftstätigkeit ein Betriebsergebnis von 10,2 % ihres Bruttoumsatzes erwirtschaftet habe. 
 
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie hätte die offensichtlich unhaltbare Konsequenz, dass selbst der innerhalb eines Unternehmens durch strafbare Handlungen erlangte Nettoerlös nicht eingezogen werden könnte, wenn das Unternehmen im Rahmen seiner gesamten Geschäftstätigkeit einen Verlust erlitten hätte, womit keinerlei Bezug mehr zwischen der Straftat und dem dadurch erlangten Vermögenswert bestünde. 
 
4. 
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 27. Oktober 2009 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten in einem stark reduzierten Umfang zu tragen und hat ihr der Kanton Luzern für das bundesgerichtliche Verfahren eine leicht reduzierte Parteientschädigung auszurichten. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 27. Oktober 2009 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Der Kanton Luzern hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu zahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 29. Juni 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Näf