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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1164/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. April 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokatin Dr. Helena Hess, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Departement Volkswirtschaft und Inneres,  
Amt für Justizvollzug, Bahnhofplatz 3c, 5001 Aarau,  
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verweigerung der bedingten Entlassung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 24. Oktober 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Bezirksgericht Brugg sprach X.________ am 20. Dezember 2011 u.a. wegen mehrfacher Nötigung, mehrfacher versuchter sexueller Nötigung und mehrfacher Vergewaltigung schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten unter Anrechnung der Untersuchungshaft vom 7. März 2011 bis 2. Oktober 2011. 
X.________ befindet sich seit dem 2. Oktober 2011 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg. Zwei Drittel der Strafe waren am 7. Juli 2013 erstanden. Das effektive Strafende fällt auf den 8. September 2014. 
 
B.   
Das Departement Volkswirtschaft und Inneres, Amt für Justizvollzug, des Kantons Aargau lehnte das Gesuch von X.________ um bedingte Entlassung auf den Zweidrittelstermin hin am 7. Juni 2013 und mit begründeter Verfügung am 19. Juni 2013 ab. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 24. Oktober 2013 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, es sei das verwaltungsgerichtliche Urteil vom 24. Oktober 2013 aufzuheben, und er sei unverzüglich bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen unter Auferlegung einer angemessenen Probezeit. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz beurteile seine Bewährungsaussicht willkürlich und in Verletzung von Art. 86 StGB. Sie berücksichtige den Bericht der JVA Lenzburg vom 16. April 2013 bei der Beurteilung seines Vollzugsverhaltens nicht und lasse auch seine Persönlichkeit nicht in die Gesamtwürdigung einfliessen. Die ungünstige Legalprognose begründe sie massgeblich mit seiner angeblich fehlenden Einsicht in das begangene Unrecht, welche er bei Vollverbüssung der Strafe möglicherweise noch entwickeln würde. Diese Argumentation sei unzulässig. Die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse bewerte die Vorinstanz zu Unrecht als negativ. Dass die von ihm ausgehende Rückfallgefahr für schwere Straftaten als "gering bis maximal mässig" eingestuft werde, sei positiv zu beurteilen, da Sexualstraftätern in der Regel nicht attestiert werde, nicht mehr rückfällig zu werden. Insgesamt seien keine Gründe für eine Verweigerung der bedingten Entlassung ersichtlich. Das vorinstanzliche Urteil sei stossend und beschneide sein Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV) in unzulässiger Weise.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann im Verfahren vor dem Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2).  
 
1.2.2. Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die bedingte Entlassung stellt die Regel und die Verweigerung die Ausnahme dar. In dieser letzten Stufe des Strafvollzugs soll der Entlassene den Umgang mit der Freiheit erlernen. Diesem spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind (BGE 133 IV 201 E. 2.3; 125 IV 113 E. 2a). Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt (BGE 133 IV 201 E. 2.3; 124 IV 193 E. 3). Beim Entscheid über die bedingte Entlassung steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn sie ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (BGE 133 IV 201 E. 2.3; 119 IV 5 E. 2).  
 
1.3. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Vorbringen auf die Beweislage zurückkommt, die der rechtskräftigen Beurteilung seiner Straftaten zugrunde liegt, die damalige tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachgerichts in Zweifel zieht und auf die Möglichkeit eines Fehlurteils hinweist. Er geht damit über den Streitgegenstand hinaus.  
 
1.4. Die zeitliche Voraussetzung für eine bedingte Entlassung nach Art. 86 Abs. 1 StGB ist erfüllt. Der Beschwerdeführer hat zwei Drittel seiner Strafe verbüsst. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich festgestellt und bei der Beurteilung der Legalprognose ihr Ermessen verletzt hat.  
 
1.5. Die Vorinstanz hält dem Beschwerdeführer das positive Vollzugsverhalten zugute. Sie stützt sich auf die inhaltlich gleichlautenden Berichte der JVA Lenzburg vom 28. März 2013 und 16. April 2013 (Entscheid, S. 8) und zieht damit sämtliche Berichte in ihre Beurteilung mit ein. Von Willkür kann keine Rede sein. Nicht ersichtlich ist, inwiefern die wöchentlichen Gefängnisbesuche der Ehefrau Aufschluss über die Fähigkeit des Beschwerdeführers geben könnten, anspruchsvolle Lebenssituationen in Freiheit zu meistern. Die Vorinstanz hatte vor diesem Hintergrund keinen Anlass, das Vollzugsverhalten stärker zu dessen Gunsten zu würdigen.  
 
1.6. Das Vorleben des Beschwerdeführers bewertet die Vorinstanz im Rahmen der Prognose als leicht negativ. Sie weist darauf hin, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach straffällig wurde. Soweit sie von "zunehmender Delinquenz" spricht (Entscheid, S. 7), kann ihr keine Willkür vorgeworfen werden. Sie bezieht sich nur auf die einschlägigen Delikte (einfache Körperverletzung, mehrfache Vergewaltigung, mehrfache versuchte sexuelle Nötigung) und stellt im Vergleich zu den früheren Verurteilungen eine Zunahme der Deliktschwere fest. Das ist nicht zu beanstanden.  
 
1.7. Die Vorinstanz stuft die Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seine unveränderte Einstellung zu seinen Taten prognostisch als deutlich negativ ein. Sie stellt bei ihrer Würdigung auf den Bericht des Anstaltspsychiaters der Psychiatrischen Dienste des Kantons Aargau vom 12. November 2012 ab (Entscheid, S. 9). Dagegen ist nichts einzuwenden. Dass kein gerichtlicher Behandlungsauftrag bestand, ist nicht relevant. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bestreitet und verharmlost der Beschwerdeführer die Straftaten nach wie vor. Eine Tataufarbeitung habe nicht stattgefunden. Seine Gewaltbereitschaft und sein Verhalten gegenüber Frauen bedürfe einer dringenden Korrektur, die bislang nicht habe erreicht werden können (Entscheid, S. 9 f.). Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Ohne Einsicht sind ein Problembewusstsein und eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten. Die Einsichtslosigkeit indiziert in dieser Konstellation eine gefährliche Grundhaltung (Urteil 6B_961/2009 vom 19. Januar 2010 E. 2.2.2). Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten gegenüber Frauen hinterfragt und bei ihm ein Umdenken eingesetzt hätte, bestehen nicht. Sein Einwand, es gehe von ihm lediglich eine geringe bis maximal mässige Rückfallgefahr aus (Beschwerde, S. 14), geht an der Sache vorbei. Massgebend ist, dass gemäss den Ausführungen der Vorinstanz aufgrund der unveränderten Einstellung des Beschwerdeführers zu seinen Taten neue - insbesondere gegen die sexuelle Integrität gerichtete - Rechtsbrüche zu befürchten sind (Entscheid, S. 9). Seine Beteuerungen, er habe die "Erlebnisse" zusammen mit seiner Ehefrau aufgearbeitet und sei auf ein Leben in Freiheit vorbereitet, stellen unbelegte Behauptungen dar.  
 
1.8. Die Vorinstanz erachtet die in der Schweiz zu erwartenden Lebensverhältnisse als unsicher. Sie liessen nicht auf eine günstige Prognose schliessen. Der Beschwerdeführer wolle nach seiner Entlassung bei seiner Ehefrau wohnen und eine Arbeit suchen. Vor der Inhaftierung habe er temporär bei verschiedenen Firmen gearbeitet. Auch die zum Tatzeitpunkt bereits bestehende Ehe habe keinen erkennbar positiven Einfluss auf sein Legalverhalten gehabt (Entscheid, S. 11). Die Vorinstanz stellt damit nicht fest, die Ehefrau habe einen schlechten Einfluss auf den Beschwerdeführer gehabt und ihn womöglich zu den Taten verleitet. Sie geht vielmehr davon aus, dass sich der Beschwerdeführer trotz langjähriger Ehe nicht von der Begehung von Straftaten zum Nachteil von seiner Ehefrau und Dritten abhalten liess. Diese Beurteilung ist weder willkürlich noch verletzt sie Bundesrecht.  
 
1.9. Im Sinne einer Differenzialprognose stellt die Vorinstanz die Vorzüge und Nachteile der Voll- bzw. Weiterverbüssung der Strafe denjenigen einer Aussetzung eines Strafrestes gegenüber (BGE 124 IV 193 E. 4a und 5b/bb). Sie gelangt zum Schluss, dass die Fortführung des Strafvollzugs die Möglichkeit biete, die Rückfallgefahr zu mindern. Gelinge dies nicht, so resultierten zwei eindeutig negative Prognosen, weshalb eine bedingte Entlassung nicht in Frage komme (Entscheid, S. 12). An dieser differenzialprognostischen Abwägung gibt es nichts auszusetzen. Die Kritik dagegen ist unbehelflich. Entscheidend ist jedoch, dass dem Beschwerdeführer nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen der Vorinstanz gegenwärtig eine ungünstige Prognose gestellt werden muss. Gefährdet sind hochwertige Rechtsgüter (insbesondere die sexuelle Integrität). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz den Beschwerdeführer nicht bedingt entlässt.  
 
1.10. Der angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht. Die Vorinstanz würdigt alle für die Frage der bedingten Entlassung wesentlichen Gesichtspunkte, ohne den ihr zustehenden Ermessensspielraum zu überschreiten, zu unterschreiten oder zu missbrauchen. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich und legt der Beschwerdeführer auch nicht hinreichend dar, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers gemäss Art. 10 Abs. 1 BV darstellen könnte.  
 
2.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit einer herabgesetzten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. April 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill