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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_124/2009 
 
Urteil vom 18. Juni 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Raselli, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Tobler, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, 
Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich. 
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 5. Mai 2009 
des Bezirksgerichts Bülach, Haftrichterin. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich hat gegen X.________ eine Strafuntersuchung geführt. Am 21. Oktober 2008 wurde gegen den Angeschuldigten Untersuchungshaft angeordnet. Diese wurde mehrmals verlängert (letztmals mit haftrichterlicher Verfügung vom 22. April 2009). 
 
B. 
Am 24. April 2009 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Bülach wegen mehrfachen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verstössen gegen die Waffengesetzgebung. Mit Verfügung vom 5. Mai 2009 ordnete die Haftrichterin des Bezirksgerichts Bülach von Amtes wegen an, dass der Angeklagte in Sicherheitshaft verbleibe. Bei diesem Entscheid stützte sich die Haftrichterin auf die haftrichterliche Verfügung vom 22. April 2009 und die Anklageschrift vom 24. April 2009. 
 
C. 
Gegen den haftrichterlichen Entscheid vom 5. Mai 2009 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 18. Mai 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Haftsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
 
Die kantonale Haftrichterin beantragt (sinngemäss) die Abweisung der Beschwerde, während von der Staatsanwaltschaft innert angesetzter Frist (27. Mai 2009) keine Stellungnahme eingegangen ist. Der Beschwerdeführer replizierte am 12. Juni 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid betreffend Fortdauer der strafprozessualen Haft (in Form von Sicherheitshaft). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Haftrichterin habe über die Fortdauer der strafprozessualen Haft entschieden, ohne ihn zuvor angehört bzw. zur Vernehmlassung eingeladen zu haben. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör im Haftprüfungsverfahren verletzt worden. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 BV sowie Art. 5 Ziff. 4 EMRK
 
3. 
Die Haftrichterin bestätigt in ihrer Vernehmlassung, dass sie den Beschwerdeführer vor Erlass der angefochtenen Verfügung nicht angehört hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege jedoch ihrer Ansicht nach nicht vor. Der Beschwerdeführer habe aus der Anklageschrift vom 24. April 2009 erfahren, dass die Staatsanwaltschaft die Fortdauer der strafprozessualen Haft in Form von Sicherheitshaft beantrage. Ausserdem sei der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr nicht erstmals im angefochtenen Entscheid bejaht worden, sondern schon bereits in früheren Verfügungen betreffend Fortsetzung der Untersuchungshaft. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall auch von jenem, der im Bundesgerichtsurteil 1B_6/2009 vom 4. Februar 2009 beurteilt wurde. 
 
4. 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Haftanordnungs- und Haftprüfungsverfahren ist im zürcherischen Strafprozessrecht wie folgt geregelt: Hat der Untersuchungsbeamte beim Haftrichter Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft gestellt, gibt der Haftrichter dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern. Er gewährt ihnen Einsicht in die vom Untersuchungsbeamten unterbreiteten Akten. Der Angeschuldigte ist auf sein Verlangen vom Haftrichter persönlich anzuhören (§ 61 Abs. 1 StPO/ZH). Der Haftrichter kann eine mündliche Verhandlung anordnen und den Untersuchungsbeamten zum persönlichen Erscheinen verpflichten. Es findet kein Beweisverfahren statt (§ 61 Abs. 2 StPO/ZH). Der Haftrichter befindet aufgrund der vorgelegten Akten und der Vorbringen der Parteien über Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft (§ 62 Abs. 1 StPO/ZH). Stellt der Angeschuldigte (nach § 64 StPO/ZH) ein Gesuch um Aufhebung der Untersuchungshaft oder erfolgt (gestützt auf § 65 StPO/ZH) von Amtes wegen eine richterliche Haftprüfung, sind betreffend rechtliches Gehör die genannten Bestimmungen (von §§ 61-62 StPO/ZH) anwendbar (§ 65 Abs. 2 StPO/ZH; vgl. Andreas Donatsch, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996 ff., § 64 N. 29 f.). Ist Anklage erhoben worden, so befindet über die Sicherheitshaft in Sachen des Bezirksgerichts dessen Haftrichter (§ 67 Abs. 1 Ziff. 2 StPO/ZH). Befand sich der Angeklagte bis zur Anklageerhebung in Untersuchungshaft, so wird er nicht einvernommen, und es werden keine Beweise abgenommen (§ 67 Abs. 2 StPO/ZH). Allerdings ist das rechtliche Gehör des Inhaftierten auch bei der Anordnung von Sicherheitshaft zu wahren (vgl. Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, Zürich, 4. Aufl. 2004, Rz. 716). Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Entlassung aus der Sicherheitshaft und will der Ankläger dem Gesuch nicht entsprechen, sind wiederum die §§ 61-62 StPO/ZH anwendbar (§ 68 StPO/ZH), weshalb der Angeklagte sogar einen Anspruch hat auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (§ 61 Abs. 1 StPO/ZH; vgl. Donatsch, a.a.O., § 68 N. 14-15; Schmid, a.a.O., Rz. 716a). 
 
5. 
Beim Entscheid der Haftprüfungsinstanz, die bisherige Untersuchungshaft sei (nach erfolgter Anklageerhebung) als Sicherheitshaft weiterzuführen, handelt es sich nicht um eine erstmalige Haftanordnung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Die betreffenden Garantien sind hier klarerweise nicht anwendbar. Dies gilt namentlich für den grundrechtlichen Anspruch von in Untersuchungshaft versetzten Angeschuldigten auf persönliche Anhörung durch den Haftanordnungsrichter (vgl. BGE 126 I 172 E. 3b S. 175 mit Hinweisen). 
 
Im vorliegenden Fall sind hingegen Art. 31 Abs. 4 BV bzw. Art. 5 Ziff. 4 EMRK massgeblich. Diese Verfahrensgarantien beschränken sich nicht ausschliesslich auf Haftbeschwerdeverfahren, die durch ein Haftentlassungsgesuch des Inhaftierten eingeleitet wurden. Die Behörden haben die grundrechtlichen Minimalansprüche von Art. 31 Abs. 4 BV vielmehr auch dann zu beachten, wenn das Prozessgesetz eine richterliche Haftprüfung von Amtes wegen vorsieht (BGE 115 Ia 293 E. 4-6 S. 299-308 mit Hinweisen; Urteile 1B_6/2009 vom 4. Februar 2009 E. 5; 1B_48/2007 vom 16. April 2007 E. 2.5 = EuGRZ 2007 S. 722; 1B_145/2007 vom 19. September 2007 E. 3.2). Zu diesen Minimalansprüchen gehört insbesondere das (durch Art. 31 Abs. 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 2 BV geschützte) Recht des Inhaftierten, sich vor einem strafprozessualen Haftfortsetzungsentscheid zu Anträgen der Untersuchungs- oder Anklagebehörde schriftlich vernehmen zu lassen (BGE 133 I 270 E. 3.1 S. 277; 126 I 172 E. 3c S. 175 f.; 116 Ia 295 E. 4a S. 300a; 115 Ia 293 E. 4b S. 301; 114 Ia 84 E. 3 S. 88, je mit Hinweisen). Gemäss § 67 Abs. 2 StPO/ZH (und in Übereinstimmung mit Art. 31 Abs. 4 BV) entfällt hier lediglich der Anspruch auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (Urteil 1B_6/2009 vom 4. Februar 2009 E. 5; vgl. auch Schmid, a.a.O., Rz. 716). 
 
6. 
Das rechtliche Gehör ist dem Beschwerdeführer auch im vorliegenden Haftprüfungsverfahren zu gewähren. Zwar macht die Haftrichterin geltend, der Beschwerdeführer habe der Anklageschrift vom 24. April 2009 entnehmen können, dass ihm die Fortdauer der strafprozessualen Haft in Form von Sicherheitshaft drohe; ausserdem sei der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr schon bei früheren Haftprüfungen während des Untersuchungsverfahrens bestätigt worden. Dies entbindet die Haftrichterin jedoch nicht davon, den Beschwerdeführer vor ihrem Entscheid zur Vernehmlassung einzuladen. Wie auch im Urteil 1B_6/2009 vom 4. Februar 2009 (E. 5) bestätigt wurde, hat der Inhaftierte das verfassungsmässige Recht, zu den von Amtes wegen zu prüfenden Haftgründen im aktuellen Verfahrensstadium Stellung zu nehmen. 
 
7. 
Das Grundrecht des Inhaftierten auf rechtliches Gehör wurde im hier zu beurteilenden Haftprüfungsverfahren verletzt. Dieser Verfahrensfehler kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht nicht "geheilt" werden, weshalb die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Die kantonale Haftrichterin (oder der Haftrichter) wird den Angeklagten im hängigen Haftprüfungsverfahren unverzüglich zur Vernehmlassung einzuladen haben, bevor sie (in Nachachtung der Verfahrensgarantien von Art. 31 Abs. 4 BV) neu über die allfällige Fortsetzung der strafprozessualen Haft (in Form von Sicherheitshaft) entscheidet. 
 
8. 
Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist hingegen eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung vom 5. Mai 2009 des Bezirksgerichts Bülach, Haftrichterin, wird aufgehoben, und die Haftsache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Der Kanton Zürich (Kasse des Bezirksgerichts Bülach) hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu entrichten. 
 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Bülach, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. Juni 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster