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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_261/2008/sst 
 
Urteil vom 19. August 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Thommen-Queloz. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller, 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 
5001 Aarau, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Überschreiten der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 26. Februar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, am 10. August 2006 als Lenker seines Mercedes auf der Industriestrasse in Spreitenbach die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h überschritten zu haben. 
 
B. 
In zweiter Instanz befand ihn das Obergericht des Kantons Aargau am 26. Februar 2008 der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 VRV für schuldig. Er wurde mit fünf Tagessätzen Geldstrafe à Fr. 90.-- sowie einer Busse von Fr. 300.-- bestraft. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils sowie einen Freispruch von Schuld und Strafe. 
 
D. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer wendet sich einzig gegen den Schuldpunkt. Seine Verurteilung verletze Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 und 2 VRV
 
1.1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen (Art. 32 Abs. 1 SVG). Diese Grundregel zur allgemeinen Höchstgeschwindigkeit wird in Art. 4a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) konkretisiert. Danach beträgt die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen 50 km/h in Ortschaften (Abs. 1 lit. a); 80 km/h ausserhalb von Ortschaften (Abs. 1 lit. b). Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt im ganzen dichtbebauten Gebiet der Ortschaft; sie beginnt beim Signal «Höchstgeschwindigkeit 50 generell» (2.30.1) und endet beim Signal «Ende der Höchstgeschwindigkeit 50 generell» (2.53.1). Für Fahrzeugführer, die aus unbedeutenden Nebenstrassen (wie Strassen, die nicht Ortschaften oder Ortsteile direkt verbinden, landwirtschaftliche Erschliessungsstrassen, Waldwege und dergleichen) in eine Ortschaft einfahren, gilt sie auch ohne Signalisation, sobald die dichte Überbauung beginnt (Abs. 2). 
 
1.2 Der Verurteilung liegt folgender unbestrittene Sachverhalt zu Grunde: Der Beschwerdeführer begann seine Fahrt in Wettingen. In Würenlos überquerte er die Limmatbrücke, fuhr am Bahnhof Killwangen-Spreitenbach vorbei und zweigte nach links ab. Sodann bog er nach links in die Industriestrasse ein. Auf dieser Strecke ist lediglich vor der Limmatbrücke das Signal "Höchstgeschwindigkeit 50 generell" angebracht. Ein Signal "Ende der Höchstgeschwindigkeit 50 generell" findet sich nirgends. Zur Signalisierung vor der Limmatbrücke führt die Vorinstanz folgendes aus: Sowohl links als auch rechts der Einfahrt zur Limmatbrücke (in Fahrtrichtung Killwangen) befinden sich Signalisationsstangen. An der linken Stange sind die Signale "Ende Tempo-30-Zone" sowie "Höchstgeschwindigkeit 50 generell" angebracht. An der rechten Stange sind die Signale "Vortritt vor dem Gegenverkehr", "Höchstgewicht 5 Tonnen" sowie "Höchsthöhe 2,5 Meter" angebracht. Ein viertes Verbotssignal ist durch Äste eines Baums verdeckt. 
 
1.3 Art. 27 Abs. 1 SVG schreibt vor, dass Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei befolgt werden müssen. Gemäss BGE 128 IV 184 gilt diese Pflicht zur Befolgung von Signalen und Markierungen grundsätzlich unabhängig von der Anfechtbarkeit und allenfalls erfolgten Anfechtung der zugrunde liegenden Verfügung. Signale und Markierungen richten sich an eine Vielzahl von Strassenbenutzern. Diese müssen sich auf die Verkehrszeichen verlassen können. Eine allfällige Rechtswidrigkeit eines solchen Zeichens ist meist nicht erkennbar. Auch nicht gesetzeskonforme Geschwindigkeitsbeschränkungen sind daher in der Regel zu beachten. Die Verbindlichkeit vertrauensbegründender Verkehrszeichen findet ihre Grenze bei nichtigen Anordnungen. Nichtigkeit wird angenommen bei Anordnungen, deren Mangelhaftigkeit besonders schwer wiegt und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist (BGE a.a.O E. 4; 113 IV 123 E. 2b). Nach der Rechtsprechung vermögen Signale Fahrzeuglenker nur zu verpflichten, wenn sie so aufgestellt sind, dass sie leicht und rechtzeitig erkannt werden können (BGE 106 IV 138 E. 4). Dabei ist als Massstab ein Fahrzeuglenker zu Grunde zu legen, der dem Strassenverkehr die notwendige und von ihm vernünftigerweise zu erwartende Aufmerksamkeit widmet. Fahrzeuglenker sind nicht gehalten, nach unzulässigerweise fernab von der Fahrbahn aufgestellten Signalen Ausschau zu halten (BGE 127 IV 229). 
1 Zur zitierten Rechtsprechung ist festzuhalten, dass es in BGE 128 IV 184 um eine (angeblich) unerlaubte Begrenzung der Geschwindigkeit ging. Entgegen der insoweit missverständlichen Regeste, wonach auch nicht rechtmässig aufgestellte Signale zu beachten sind, widersprach die Aufstellung des Höchstgeschwindigkeitssignals in BGE 128 IV 184 der Signalisationsverordnung nicht. Bestritten wurde lediglich, dass die Geschwindigkeit auf jenem Autobahnabschnitt hätte begrenzt werden dürfen. Die Signalisierung soll mit anderen Worten von den Behörden mangelhaft beschlossen worden sein. Im Gegensatz dazu ging es in BGE 127 IV 229 um Geschwindigkeitssignalisierungen, die in eindeutiger Verletzung der Signalisationsverordnung aufgestellt worden waren und deshalb vom Fahrzeuglenker weder erkannt werden konnten noch mussten. Unbestritten war hingegen, dass die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit beim Dorfeingang von Rudolfstetten an sich zulässig war. Zusammenfassend gilt daher nach der genannten Rechtsprechung, dass mangelhaft beschlossene, aber nach der Signalisationsverordnung korrekt aufgestellte Verkehrssignale grundsätzlich verbindlich sind. Weil die inhaltliche Mangelhaftigkeit nicht erkennbar ist, wird das Vertrauen der anderen Verkehrsteilnehmer in die Geltung des Verkehrszeichens geschützt (so BGE 128 IV 184). Andererseits entfalten Verkehrszeichen, deren Aufstellung nicht der Signalisationsverordnung entspricht und die daher von den Verkehrsteilnehmern gar nicht oder nur erschwert erkannt werden können, keine Bindungswirkung (so BGE 127 IV 229). 
 
1.4 Die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 4a Abs. 1 VRV) verstösst nicht gegen Bundesrecht. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, dass die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 50km/h als solche nach den örtlichen Verhältnissen unrechtmässig ist. Sie ist somit grundsätzlich gültig. Die Vorinstanz gelangt jedoch zum Schluss, dass deren Aufstellung der Signalistationsverordnung widerspreche. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben. Auch wenn der Vorinstanz insoweit zuzustimmen ist, dass das Signal optimalerweise über der Fahrbahn anzubringen gewesen wäre (Art. 103 Abs. 1 SSV), so war die bestehende linksseitige Signalisation jedenfalls leicht und rechtzeitig erkennbar. Im Gegensatz zu BGE 127 IV 229 kann vorliegend keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer nach fernab von der Fahrbahn aufgestellten Signalen Ausschau halten musste. Das linksseitige Verkehrszeichen war auch nicht wie in jenem Fall auf der anderen Seite einer zweispurigen breiten Strasse angebracht, vielmehr stand es linker Hand am Eingang einer schmalen und nur einspurig befahrbaren Brücke. In einem ähnlich gelagerten Fall wurde eine linksseitige Signalisation ebenfalls als "nicht ideal" eingestuft, angesichts der guten Erkennbarkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung aber im Ergebnis nicht beanstandet (Urteil 6P.9/2005 vom 3. Juni 2005, E. 2.3). Hinzu kommt, dass dem Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Obergerichts bekannt war, dass im befahrenen Bereich beim Bahnhof Kilwangen-Spreitenbach die Höchstgeschwindigkeit "50 generell" galt, und diese Beschränkung anschliessend nicht aufgehoben wurde. 
 
1.5 Vor diesem Hintergrund braucht die Eventualbegründung der Vorinstanz nicht mehr überprüft zu werden, wonach die Geschwindigkeit nicht i.S.v. Art. 32 Abs. 1 SVG den Verhältnissen angepasst war. Die Beschwerde ist abzuweisen. 
 
2. 
Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 19. August 2008 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Thommen-Queloz