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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6A.61/2005 /rom 
 
Urteil vom 12. Januar 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Zünd, 
Gerichtsschreiber Weissenberger. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, Postfach 760, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Wiedererteilung des Führerausweises unter Auflagen, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 27. September 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________ lenkte am 8. März 2002 seinen Personenwagen in stark alkoholisiertem Zustand (Blutalkoholkonzentration minimal 2.57 und maximal 3.11). Aus diesem Grund verfügte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zug am 30. Juli 2002 einen Sicherungsentzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit, mindestens aber für die Dauer eines Jahres. Am 3. Juni 2003 erteilte die Behörde A.________ den Führerausweis wieder unter der Auflage, eine sechsmonatige ärztlich kontrollierte Alkoholabstinenz einzuhalten und nachzuweisen, regelmässig die Laborwerte (CDT, Gamma-GT, GOT, GPT und MCV) zu bestimmen und an Besprechungen bei einer Fachperson für Alkoholprobleme teilzunehmen und schliesslich anfangs Dezember 2003 einen ärztlichen Bericht über die Einhaltung der Alkoholabstinenz einzureichen. 
 
Das ärztliche Zeugnis vom 14. Dezember 2003 bescheinigte einen stabilen und erfreulichen Verlauf der Begleittherapie. Es hielt fest, dass die Laborwerte konstant im normalen Bereich lägen und keine Hinweise auf Rückfälle bestünden. Eventuell komme eine Aufhebung der Auflagen in Betracht. Die Sicherheitsdirektion liess darauf beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich abklären, ob die Auflagen weiterzuführen seien. Das Aktengutachten des Instituts vom 15. Januar 2004 hielt fest, dass eine Entlassung von A.________ aus der verkehrsmedizinischen Kontrolle verfrüht wäre und zuerst eine weitere Stabilisierung nachzuweisen sei. Gestützt auf dieses Gutachten verfügte die Sicherheitsdirektion am 24. Februar 2004 die Weiterführung der bei der Wiedererteilung des Führerausweises angeordneten Auflagen. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 22. Oktober 2004 ab. 
 
A.________ reichte gegen den zuletzt genannten Entscheid eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Das Bundesgericht hiess sie mit Urteil vom 3. März 2005 teilweise gut (Urteil 6A.77/2004). Es kam zum Schluss, dass angesichts des bisherigen positiven Behandlungsverlaufs keine Gründe für die strikte Fortführung der ursprünglich verfügten Auflagen bestünden, weshalb diese unverhältnismässig seien. 
Gestützt auf dieses Urteil verfügte die Sicherheitsdirektion des Kantons Zug am 15. April 2005, A.________ werde der Führerausweis unter folgenden Auflagen belassen: 
 
a) Regelmässige Gespräche bei einer Fachperson für Alkoholprobleme (Fachstelle für Suchtprobleme, Arzt, Psychiater oder Psychologe); 
b) alle drei Monate Bestimmung der Laborwerte (CDT, Gamma-GT, GOT, GPT und MCV), vorzugsweise bei Dr. med. Michael von Arx-Steiner, Baar; 
c) Einreichen eines ersten ärztlichen Schlussberichts bis Ende Dezember 2005, welcher sich über die Einhaltung der Auflagen sowie insbesondere zur Frage äussere, ob die Auflagen aufgehoben werden können. 
 
Angeführt wird zudem, dass das weitere Vorgehen im Wesentlichen aufgrund dieser Berichte bestimmt werde und sich im Übrigen nach dem Merkblatt "Führerausweis und Alkohol: Nachweis der Alkoholabstinenz" der Sicherheitsdirektion Zug und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich richte. 
 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, mit Urteil vom 27. September 2005 ab. 
B. 
A.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 27. September 2005 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei der Neubeurteilung seien infolge seiner positiven Entwicklung nach dem Schlussbericht des Arztes sämtliche Auflagen spätestens auf den ersten Januar 2006 aufzuheben. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen (ASTRA) stellt den Antrag auf teilweise Gutheissung der Beschwerde bezüglich der Auflagen a) und c) und Abweisung in Bezug auf die Auflage b). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Parlament verabschiedete am 14. Dezember 2001 die Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (vgl. BBl 1999 4462; AS 2002 2767 ff.). Die revidierten Bestimmungen zum Sicherungsentzug sind am 1. Januar 2005 in Kraft getreten (AS 2004 2849). Das Urteil des Verwaltungsgerichts erging unter der Herrschaft des neuen Rechts. Die Übergangsbestimmungen zur genannten Gesetzesrevision vom 14. Dezember 2001 sehen allerdings vor, dass die nach bisherigem Recht angeordneten Massnahmen nach bisherigem Recht berücksichtigt werden (AS 2002 2780). Der vorliegende Fall beurteilt sich daher noch nach altem Recht. 
 
Zur umstrittenen Frage, wie solche Auflagen auszugestalten und wie lange sie aufrechtzuerhalten sind, stellt das Gesetz weder in der alten noch in der neuen Fassung Regeln auf. 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, seit der Trunkenheitsfahrt vom 15. März 2002 alkoholabstinent zu leben, was durch die ärztlichen Berichte bestätigt werde. Seit über drei Jahren (Mofa) bzw. seit über zweieinhalb Jahren (Personenwagen) führe er täglich ein Motorfahrzeug und sei in dieser Zeit nie wegen eines Verstosses gegen die Verkehrsregeln aufgefallen. Die stabile, alkoholfreie Phase daure schon seit fast vier Jahren, die kontrollierte Alkoholabstinenz seit fast drei Jahren. Unter diesen Umständen sei es unverhältnismässig, von ihm weiterhin die Erfüllung von Auflagen zu verlangen, die pro Jahr über Fr. 2'000.-- kosteten. Als mit dem Existenzminimum lebender geschiedener Ehemann und Vater von drei unmündigen Kindern könne er sich die Bezahlung dieser Kosten nicht leisten. Mit der beschlossenen Weiterführung der Auflagen verletze das Verwaltungsgericht das ihm in diesem Bereich zustehende Ermessen. 
2.1 Gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG a.F. darf der Führerausweis nicht erteilt werden, wenn der Bewerber dem Trunke oder anderen die Fahrfähigkeit herabsetzenden Süchten ergeben ist. Wird nachträglich festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen, ist der Führerausweis zu entziehen; dieser kann entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden (Art. 16 Abs. 1 SVG). 
Der Sicherungsentzug wegen Trunksucht oder anderer Suchtkrankheiten wird gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 17 Abs. 1bis SVG a.F. auf unbestimmte Zeit angeordnet und mit einer Probezeit von mindestens einem Jahr verbunden. Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausweis bedingt und unter angemessenen Auflagen wieder erteilt werden, wenn angenommen werden darf, die Massnahme habe ihren Zweck erreicht (Art. 17 Abs. 3 SVG a.F.). Für die Wiedererteilung des Führerausweises wird in der Regel der Nachweis der Heilung durch eine mindestens einjährige kontrollierte Abstinenz verlangt (BGE 129 II 82 E. 2.2 mit Hinweisen). 
 
Die an die Wiedererteilung des Führerausweises regelmässig geknüpften Auflagen sind Nebenbestimmungen, die dazu dienen, Unsicherheiten beim Nachweis Rechnung zu tragen, dass die Alkoholabhängigkeit oder andere Süchte, welche die Fahreignung ausschliessen, tatsächlich behoben sind und die Fahrfähigkeit der betroffenen Person stabil ist. Auflagen müssen auf die konkreten Umstände angepasst und verhältnismässig sein (BGE 125 II 289 E. 2b S. 292). 
 
Ob die Alkoholsucht bzw. der verkehrsrelevante Alkoholmissbrauch dauerhaft erfolgreich überwunden wurden, bedarf nach der Wiedererteilung des Führerausweises in der Regel einer weiteren 4-5 Jahre dauernden Kontrolle der Einhaltung einer vollständigen Alkoholabstinenz und der therapeutischen Begleitung. Dazu sind regelmässige Laboruntersuchungen der alkoholrelevanten Blut- und Leberwerte erforderlich. Sie sollen grundsätzlich im Abstand von sechs bis acht Wochen erfolgen, mindestens jedoch alle drei Monate. Darüber hinaus muss eine Suchttherapie während mindestens zwei Jahren erfolgen. Die betroffene Person hat dazu regelmässig - mindestens monatlich - eine Beratungs- oder Therapiestelle (Suchtberatung, Psychologe, Psychiater, Hausarzt usw.) für Beratungsgespräche aufzusuchen. Sofern eine vollständige Alkoholabstinenz eingehalten wurde, die Laboruntersuchungen regelmässig erfolgten und die Suchttherapie erfolgreich verlief, kann nach frühestens zwei Jahren die Therapie sistiert werden, und es müssen dann nur noch die Laborkontrollen durchgeführt werden. Schliesslich hat der Führerausweisinhaber die Einhaltung der kontrollierten Alkoholtotalabstinenz mittels periodisch einzureichender Zeugnisse der zuständigen Betreuungsstelle (Hausarzt, Suchtberatungsstelle usw.) gegenüber der Zulassungsbehörde nachzuweisen (vgl. Rolf Seeger, Probleme der Verkehrsmedizin, Fahreignung und Alkohol, Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, 1999, S. 16 ff.; Rolf Seeger, Alkohol und Fahreignung, in: Handbuch der verkehrsmedizinischen Begutachtung, Zürich 2005, S. 28 f.; vgl. auch Bruno Liniger, Verkehrsmedizin: Fahreignungsbegutachtung und Auflagen, in: Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht 2004, St. Gallen 2005, S. 100 f.). Bei günstigstem Verlauf kann eine Entlassung aus den Auflagen bzw. aus der verkehrsmedizinischen Kontrolle frühestens drei Jahre nach Wiedererteilung des Führerausweises erfolgen (Bruno Liniger, a.a.O., S. 101 f.). Nach dem Merkblatt "Führerausweis und Alkohol: Nachweis der Alkoholabstinenz" der Sicherheitsdirektion Zug und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich bedarf es nach der Wiedererteilung des Führerausweises noch während mindestens dreier Jahre einer verkehrsmedizinisch kontrollierten gänzlichen Alkoholabstinenz. 
2.2 Beim Beschwerdeführer wurde nach dem Vorfall vom 8. März 2002 ein länger dauernder Alkoholmissbrauch festgestellt und deshalb ein Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit verfügt. Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die Wiedererteilung seines Führerausweises am 3. Juni 2003 an Auflagen geknüpft werden durfte. Er stellt sich jedoch auf den Standpunkt, er habe eine genügend lange kontrollierte Alkoholabstinenz nachgewiesen, weshalb die Vorinstanzen bei der neuen Beurteilung nach dem Entscheid des Bundesgerichts keine Auflagen hätten anordnen dürfen. Dieser Einwand ist unbegründet. 
2.2.1 Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids war der Beschwerdeführer seit zwei Jahren und vier Monaten wieder im Besitz des Führerausweises. Wie dargelegt, kann nach der Fachliteratur und dem Merkblatt "Führerausweis und Alkohol: Nachweis der Alkoholabstinenz" der Sicherheitsdirektion Zug und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich eine Entlassung aus den Auflagen bzw. aus der verkehrsmedizinischen Kontrolle frühestens drei Jahre nach Wiedererteilung des Führerausweises erfolgen. Laboruntersuchungen der Blut- und Leberwerte haben mindestens alle drei Monate zu erfolgen. Daraus ergibt sich, dass die Vorinstanz ohne Bundesrecht zu verletzen dem Beschwerdeführer den Führerausweis unter der Auflage belassen durfte, sich alle drei Monate Laboruntersuchungen der alkoholrelevanten Blut- und Leberwerte zu unterziehen. 
2.2.2 Seit der Wiedererteilung des Führerausweises (unter Auflagen) hat der Beschwerdeführer gemäss den Feststellungen der Vorinstanz nur während einem Jahr (3. Juni 2003 bis Dezember 2003 und Juli bis Dezember 2005) regelmässig Blutproben abgegeben. Das letzte Arztzeugnis (Hausarzt) über den Behandlungsverlauf stammt vom 14. Dezember 2004. Die letzte dokumentierte Bestimmung der Laborwerte wurde am 3. Dezember 2004 vorgenommen (angefochtener Entscheid, S. 9 f.). Aus dem angefochtenen Entscheid und den Akten sind keine Therapieberichte aus dem Jahre 2005 zu entnehmen. 
 
Die Auflagen regelmässiger Gespräche bei einer Fachperson für Alkoholprobleme über die minimalen zwei Jahre nach Wiederteilung des Führerausweises hinaus (vgl. oben E. 2.1) und der Einreichung eines ersten ärztlichen Schlussberichts bis Ende Dezember 2005 tragen der unvollständigen Einhaltung bzw. Dokumentierung der Auflagen Rechnung. Unter den gegebenen Umständen lag es im Ermessen der Vorinstanz, eine regelmässige Suchttherapie während mehr als zwei Jahren anzuordnen. 
 
Das Bundesamt für Strassen übersieht in seiner Stellungnahme, dass der ärztliche Schlussbericht im konkreten Fall nicht dazu dient, eine durch die Laborwerte belegte Abstinenz bloss (unnütz) zu bestätigen. Vielmehr bezweckt die entsprechende Verfügung insbesondere, die Laborwerte gegebenenfalls durch Untersuchungen und Ausführungen zum Umgang des Beschwerdeführers mit Alkohol bzw. mit Rückfälle fördernden Situationen in der Berichtsperiode, zu körperlichen Befunden, zum Verlauf und Erfolg der begleitenden Suchtbehandlung (therapeutische Gespräche) sowie zu allfälligen besonderen Rückfallrisiken zu ergänzen und für die Behörden gesamthaft zu würdigen. Dies ist umso bedeutsamer, als die Auflagen nicht durchwegs eingehalten wurden bzw. dokumentiert sind. Die Laborwerte bilden im zu beurteilenden Fall somit lediglich einen - wenn auch wesentlichen - Teil der Entscheidungsgrundlage der Behörden bei der Überprüfung der Auflagen. 
2.2.3 Mit dem Erfordernis eines ersten ärztlichen Schlussberichts bis Ende Dezember 2005, der sich insbesondere zur Frage äussert, ob die Auflagen aufgehoben werden können, haben die Vorinstanzen deren Überprüfung nach Vorlage des Berichts in Aussicht gestellt. Die Auflagen sind somit auch in zeitlicher Hinsicht verhältnismässig. 
3. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist wegen Aussichtslosigkeit des gestellten Rechtsbegehrens abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Seinen finanziellen Verhältnissen wird bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr angemessen Rechnung getragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, sowie der Sicherheitsdirektion des Kantons Zug und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Januar 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: