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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.71/2005 /blb 
 
Urteil vom 26. April 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Parteien 
X.________, 
Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Pia Dennler-Hager, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, 
Postfach, 8023 Zürich. 
 
Gegenstand 
fürsorgerische Freiheitsentziehung bei Unmündigen, 
 
Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 31. Januar 2005. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________, Jahrgang 1972, ist die Mutter von A.________, geboren am xxxx 1993. Auf Antrag ihres Vormunds wurde A.________ vom Oktober 1997 bis Juli 1999 im Kinderheim K.________ in S.________ untergebracht. Von August 1999 bis Juli 2000 hielt sich A.________ in der Kinderstation L.________ in T.________ auf zwecks gründlicher Abklärung ihrer Bedürfnisse und künftiger Betreuungslösungen, namentlich der Möglichkeit, die Erziehungsverantwortung wieder der Kindsmutter zu übertragen. Anschliessend lebte A.________ bis April 2002 im Kinderheim M.________ in U.________ und wurde alsdann nach Hause zu ihrer Mutter entlassen. Die Vormundschaft wurde aufgehoben und seit November 2002 ist A.________ verbeiständet. Am 12. Februar 2004 beantragte die Beiständin den Obhutsentzug und die Unterbringung von A.________ in einer Pflegefamilie. Die Vormundschaftsbehörde stellte den Antrag zurück, um weitere Abklärungen zu treffen. Nach Anhörung der Kindsmutter ordnete sie eine sozialpädagogische Familienbetreuung an. Es wurde ferner eine ambulante Therapie beim KJPD U.________ eingeleitet. 
 
B. 
Auf Antrag der Beiständin vom 18. August 2004 hob die Vormundschaftsbehörde V.________ die Obhut von X.________ über ihre Tochter A.________ auf und wies A.________ auf unbestimmte Zeit in das Kinderheim N.________ ein (Beschluss vom 25. August 2004). Das Gesuch von X.________ um gerichtliche Beurteilung und Aufhebung der Kindesschutzmassnahmen wies der Einzelrichter am Bezirksgericht Pfäffikon ab (Urteil vom 13. September 2004). Die dagegen eingelegte Berufung vor Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, blieb erfolglos (Beschluss vom 31. Januar 2005). 
 
C. 
Mit eidgenössischer Berufung erneuert X.________ vor Bundesgericht ihre Anträge, es sei A.________ mit sofortiger Wirkung aus dem Kinderheim N.________ zu entlassen und ihr die Obhut zurückzugeben. Für das Berufungsverfahren ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der obergerichtliche Beschluss ist von der Rechtsvertreterin der Berufungsklägerin am 1. Februar 2005 in Empfang genommen worden. Die Berufungsfrist hat damit am 2. Februar zu laufen begonnen und am 3. März geendet (Art. 54 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OG). Der Briefumschlag mit der Berufungsschrift trägt auf der Vorderseite den Poststempel vom 4. März, ist aber auf der Rückseite mit dem Hinweis versehen, dass die zwei namentlich mit Angabe der Adresse aufgeführten Personen den Einwurf bei der Hauptpost am 3. März bestätigen könnten. Unter diesen Umständen ist von der rechtzeitigen Einreichung der Berufung auszugehen. In einem Begleitschreiben an das Obergericht hat die Berufungsklägerin beantragt, ihr zur Behebung von Mängeln eine Nachfrist anzusetzen. Abgesehen davon, dass der Antrag dem Bundesgericht zu stellen ist, darf eine Nachfrist nicht dazu dienen, Versäumtes nachzuholen (BGE 92 II 303 Nr. 45; 116 II 745 E. 2b S. 748). In diesem Sinne kann gemäss Art. 55 Abs. 2 OG eine Berufungsschrift unter Ansetzung einer kurzen Frist zur Verbesserung einer vorhandenen Begründung zurückgewiesen werden, aber nicht zur Ergänzung einer fehlenden Begründung (Urteil 4C.38/1995 vom 20. Oktober 1995, E. 3 Abs. 2, unter Hinweis auf Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bern 1990, I, N. 3.2 zu Art. 30, und II, N. 2 zu Art. 55 OG; vgl. BGE 126 III 30 E. 1b S. 31 f.). Die Berufungsklägerin will innert anzusetzender Frist fehlende Aktenzitate nachtragen. Da Versehens- und andere Sachverhaltsrügen (Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG) mit genauen Aktenhinweisen zu belegen sind (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 119 II 353 E. 5c/aa S. 357), geht es ihr nicht um die Verbesserung, sondern um eine unzulässige Ergänzung der Berufungsbegründung. Die Ansetzung einer Nachfrist fällt damit ausser Betracht. 
 
2. 
Gemäss Art. 310 Abs. 1 ZGB hat die Vormundschaftsbehörde das Kind den Eltern wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen, wenn seiner Gefährdung nicht anders begegnet werden kann. Das Verfahren wird - gesetzliche Ausnahmen vorbehalten - durch das kantonale Recht geregelt (Art. 314 ZGB). Im Falle der Unterbringung des Kindes in einer Anstalt gelten die Vorschriften über die gerichtliche Beurteilung und das Verfahren bei fürsorgerischer Freiheitsentziehung gegenüber mündigen oder entmündigten Personen sinngemäss (Art. 314a Abs. 1 ZGB). 
 
Das Obergericht hat den Inhalt der beigezogenen Akten und namentlich die bisher getroffenen vormundschaftlichen Massnahmen und die eingeholten Berichte über das Kind A.________ ausführlich wiedergegeben (E. 3-6 S. 6 ff.; kurz zusammengefasst unter Bst. A hiervor). In Würdigung der Akten und nach Anhörung des Kindes hat das Obergericht die Voraussetzungen für die Aufhebung der elterlichen Obhut als erfüllt betrachtet (E. 2a-e S. 13 ff.) und die Unterbringung von A.________ im Kinderheim N.________ gutgeheissen (E. 2f S. 17). Eine vorgängige gerichtliche Begutachtung des Kindes und der Kindsmutter hat es dabei für unnötig gehalten (E. 2g S. 17 f.). 
 
Die Berufungsklägerin ficht den obergerichtlichen Beschluss in allen Punkten an. Sie schildert einleitend einen Sachverhalt (S. 6 ff. der Berufungsschrift), der die verbindlichen Feststellungen des Obergerichts abändert und ergänzt, ohne dass ausnahmsweise zulässige Sachverhaltsrügen erhoben und begründet würden. Insoweit ist auf die Berufung nicht einzutreten (BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 und 136 E. 1.4 S. 140). Den Beweisofferten der Berufungsklägerin kann nicht entsprochen werden, da das Bundesgericht als Berufungsinstanz - ausser zur Feststellung der formellen Voraussetzungen (z.B. Art. 36 Abs. 2 OG) und in Patentprozessen (Art. 67 OG) - keine Beweismassnahmen treffen darf (Poudret/Sandoz-Monod, N. 4.1 zu Art. 63 OG, S. 529). Einzutreten ist hingegen auf die Einwände in der Sache betreffend Gefährdung des Kindes und Verhältnismässigkeit der Kindesschutzmassnahmen (E. 3) sowie auf die Rügen gegen die Eignung der Anstalt und das Verfahren vor den kantonalen Instanzen (E. 4 hiernach). 
 
3. 
Die Berufungsklägerin bestreitet, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung ihrer Obhut über A.________ erfüllt gewesen seien. Weder sei A.________ gefährdet (S. 14 ff. Ziff. 1) noch die Aufhebung der elterlichen Obhut verhältnismässig (S. 34 ff. Ziff. 5 der Berufungsschrift). 
 
3.1 Die Gefährdung des Kindes, die Anlass zur Wegnahme von den es betreuenden Eltern und im Besonderen zu seiner Unterbringung in einer Anstalt gibt, muss darin liegen, dass das Kind in der elterlichen Obhut nicht so geschützt und gefördert wird, wie es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung nötig wäre. Unerheblich ist, auf welche Ursachen die Gefährdung zurückzuführen ist: Sie können in den Anlagen oder in einem Fehlverhalten des Kindes, der Eltern oder der weiteren Umgebung liegen (Urteile 5C.34/2002 vom 3. April 2002, E. 2a, in: FamPra.ch 2002 S. 625, und 5C.112/2001 vom 30. August 2001, E. 2a). Desgleichen spielt es keine Rolle, ob die Eltern ein Verschulden an der Gefährdung trifft. Massgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entziehung. An die Würdigung der Umstände ist ein strenger Massstab zu legen. Die Entziehung ist nur zulässig, wenn andere Massnahmen ohne Erfolg geblieben sind oder von vornherein als ungenügend erscheinen (Urteile 5C.27/2002 vom 21. Februar 2002, E. 2, und 5C.117/2002 vom 1. Juli 2002, E. 3.1, in: FamPra.ch 2002 S. 855). 
 
3.2 Für das Bundesgericht steht in tatsächlicher Hinsicht verbindlich fest, dass es bei A.________ seit Herbst 2003 gehäuft zu Verhaltensauffälligkeiten gekommen ist (namentlich Lügen, Diebstähle und Aggressivitäten). Es liegt ein Rückfall in Verhaltensweisen vor, die A.________ auch schon vor der ersten Heimeinweisung an den Tag gelegt hat und die im Verlaufe der Heimaufenthalte weitgehend unter Kontrolle gebracht bzw. entschärft werden konnten (E. 2a-b S. 13 f.). Anders als für den Einzelrichter ist für das Obergericht nicht allein die Überforderung der Berufungsklägerin mit der Erziehung des Kindes im Vordergrund gestanden. Es hat zwar ebenfalls angenommen, dass die Berufungsklägerin mit der Erziehung von A.________ überfordert sei, was durch die (teilweise auch schon früheren) Einschätzungen der mit der Sache befassten Fachleute bestätigt und zusätzlich dadurch belegt werde, dass A.________ seit ihrer Heimentlassung im April 2002 wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen sei und dass die eingeleitete sozialpädagogische Familienbegleitung und die ambulante Therapie keinen Erfolg gehabt hätten. Entscheidend ist für das Obergericht jedoch gewesen, dass die Entfaltung von A.________ unter den bisherigen Umständen als gefährdet erscheine und dass die bisher getroffenen Massnahmen den gewünschten Erfolg nicht gebracht hätten, während demgegenüber - auf Grund der überzeugenden Einschätzungen der mit der Sache befassten Fachpersonen sowie den bisherigen Erfahrungen - von einer Fremdplatzierung eine für A.________ positive Entwicklung zu erwarten sei (E. 2d S. 16). 
 
3.3 Aus rechtlicher Sicht kann ein Obhutsentzug nicht beanstandet werden, wenn auf Seiten des Kindes Verhaltensauffälligkeiten bestehen, die sich in Lügen, Stehlen und Aggressivitäten äussern, und gleichzeitig auf Seiten der Kindsmutter eine Überforderung oder Unfähigkeit festgestellt ist, sich adäquat um dieses Kind mit seinen besonderen Bedürfnissen zu kümmern. Die Gefährdung liegt hier somit weder in den Verhaltensauffälligkeiten des Kindes noch in der Erziehungsunfähigkeit der Kindsmutter je für sich allein, sondern darin, dass sich A.________ im familiären Umfeld nicht kindgerecht entfalten und gedeihlich entwickeln kann. Die Aufhebung der elterlichen Obhut und die Fremdplatzierung ist - wie das Obergericht zutreffend dargelegt hat - deshalb angezeigt, weil die Kindsmutter auf Grund ihrer eigenen Probleme - finanzielle Sorgen, Beziehungskonflikte, gesundheitliche Schwierigkeiten, Neigung zu Alkoholkonsum u.ä. (vgl. E. 6 S. 11 f.) - nicht in der Lage ist, sich angemessen um ihr Kind zu kümmern, das in belastetem familiären Umfeld zu dissozialen Verhaltensweisen, Delinquenz und eingeschränkter Selbstkontrolle neigt (vgl. etwa Häfeli, Die Aufhebung der elterlichen Obhut nach Art. 310 ZGB, ZVW 56/2001 S. 111 ff., S. 115, mit einer Zusammenstellung verschiedener Fallgruppen, in denen ein Obhutsentzug angezeigt sein kann). 
 
Was die Berufungsklägerin dagegen einwendet, ist nicht stichhaltig. Sie stört sich vorab daran, dass das Obergericht die Ursachen der Gefährdung für unerheblich erklärt hat (vgl. E. 3.1 soeben). Offenbar verwechselt sie dabei die Ursachen der Gefährdung mit den Ursachen für die Verhaltensauffälligkeiten, die den Obhutsentzug für sich allein nicht begründen, sondern nur in Verbindung mit dem Schwächezustand auf Seiten der Kindsmutter. Entgegen ihrer Darstellung ist das Obergericht auf die Ursachen der bei A.________ festgestellten Verhaltensauffälligkeiten eingegangen. Es hat einerseits die vereinfachende Sicht der Berufungsklägerin zu Recht abgelehnt, es liesse sich - allenfalls durch Beizug von Fachpersonen - exakt feststellen, auf was die Verhaltensauffälligkeiten genau zurückzuführen seien. Andererseits ist das Obergericht zum Ergebnis gelangt, die von der Berufungsklägerin behaupteten Sachverhalte seien nicht ausschliesslich kausal für Verhaltensauffälligkeiten des Kindes (E. 2c S. 14 ff.). 
Im Einzelnen geht es um die Behauptung, G.________ habe A.________ aufgehetzt und angewiesen, sich der Berufungsklägerin gegenüber renitent zu verhalten. Wenn sich entsprechende Vorfälle und Beeinflussungsversuche erst Ende 2003 / anfangs 2004 ereignet haben sollen, wie die Berufungsklägerin berichtigend festhält (S. 18), so können sie für die Verhaltensauffälligkeiten nicht ausschliesslich kausal gewesen sein, zumal schon der Beistand, der von November 2002 bis Juli 2003 geamtet hat, bei A.________ eine Tendenz, fremde Sachen und Geldbeträge an sich zu nehmen, und die Neigung, unwahre Geschichten zu erzählen, feststellen musste (S. 7 und 8 der Berufungsschrift). Aus demselben Grund können auch die angeblichen sexuellen Übergriffe, die im Frühjahr 2004 stattgefunden haben sollen, nicht ausschliesslich kausal für die Verhaltensauffälligkeiten von A.________ gewesen sein, die zeitlich schon viel früher aufgetreten sind. Die Vorbringen der Berufungsklägerin lassen die obergerichtliche Beurteilung insgesamt nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. 
 
3.4 Entgegen der Darstellung der Berufungsklägerin hat sich das Obergericht mehrfach zur Verhältnismässigkeit geäussert und betont, dass die bisher getroffenen Massnahmen nicht den gewünschten Erfolg hätten bewirken können. Die Berufungsklägerin vermag dem nichts entgegenzusetzen. Sie genügt den formellen Anforderungen an die Berufungsschrift nicht, indem sie lediglich ihre Vorbringen im kantonalen Verfahren wiederholt und ihrer Hoffnung auf Erfolg anderer Kindesschutzmassnahmen Ausdruck gibt (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Gemäss den obergerichtlichen Feststellungen haben die ab November 2002 angeordneten Beistandschaften den Rückfall in die früheren Verhaltensmuster nicht zu verhindern vermocht (E. 3d S. 8), sind in der beim KJPD eingeleiteten Therapie die Ärzte zum Schluss gelangt, eine erneute Fremdplatzierung sei empfehlenswert und ein ambulantes Setting erscheine als nicht geeignet (E. 3h S. 9), und hat die begonnene sozialpädagogische Familienbegleitung keine nachhaltig positive Veränderung gebracht (E. 3i S. 9 f.). Bei dieser Sachlage durfte angenommen werden, dass der Gefährdung des Kindes nicht anders als durch die Aufhebung der elterlichen Obhut begegnet werden kann. Der als verletzt gerügte Grundsatz der Verhältnismässigkeit bedeutet nicht, dass die einschneidendsten Massnahmen erst nach Anwendung, Ausschöpfung und Misserfolg aller schwächeren Massnahmen angeordnet werden dürfen. Der angestrebte Zweck - hier vorab die Verschaffung von Konstanz in der Erziehung und im Umfeld (vgl. E. 3.3 soeben) - ist vielmehr ausschlaggebend und kann vorliegend offenkundig nur durch die Aufhebung der elterlichen Obhut und einer Fremdplatzierung des Kindes erreicht werden (vgl. Stettler, Das Kindesrecht, SPR III/2, Basel 1992, § 26 S. 498 f.). 
 
3.5 Aus den dargelegten Gründen kann dem Obergericht in der Anwendung von Art. 310 Abs. 1 ZGB auf die konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden. Die Berufung bleibt insoweit erfolglos. 
 
4. 
Die Berufungsklägerin rügt eine vielfache Missachtung der Vorschriften über die fürsorgerische Freiheitsentziehung. Sie macht geltend, das Kinderheim N.________, in dem ihre Tochter heute lebe, sei keine geeignete Anstalt (S. 28 ff. Ziff. 4). Ferner habe das Obergericht die Untersuchungsmaxime (vorab S. 20 f. Ziff. 1g) sowie die Pflichten zur Begutachtung und Anhörung des Kindes verletzt (S. 23 ff. Ziff. 2 und S. 27 f. Ziff. 3 der Berufungsschrift). 
 
4.1 Der Begriff "Anstalt" wird in Art. 314a ZGB nicht näher bestimmt, doch ist - wie im Erwachsenenschutz (Art. 397a Abs. 1 ZGB) - eine geeignete Anstalt gemeint. Die Eignung der Anstalt beurteilt sich unter dem Blickwinkel der spezifisch kindesrechtlichen Gefährdungslage. Sie ist deshalb zu bejahen, wenn die betreffende Anstalt dem eingewiesenen Kind Hilfe bei der Lösung seiner Probleme zu leisten vermag, so dass Aussicht besteht, seine Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken (Urteile 5C.187/1990 vom 29. Oktober 1990, E. 2c Abs. 3, zusammengefasst in: SZIER 1991 S. 389 Ziff. 5.1.6, und 5C.166/1997 vom 30. Juli 1997, E. 5). 
 
Der Einzelrichter hat festgehalten, das Kinderheim N.________ sei geeignet, A.________ die ihr bei der Kindsmutter fehlende Konstanz in der Erziehung und Struktur zu verschaffen. Es biete ihr ein Umfeld in familienähnlichem Rahmen, da lediglich sieben oder acht Kinder eine Gruppe bildeten und die Bezugspersonen im Heim wohnten. Die individuelle Betreuung könne so gewährleistet werden. Das Heim verfüge nicht über eine eigene interne Schule, so dass A.________ bei ihrem Schulbesuch im Dorf auch mit den normalen Problemen des Schulalltags konfrontiert werde (E. 4.9 S. 15). Das Obergericht hat auf diese Erwägungen verwiesen und ergänzt, die von der Kindsmutter behaupteten und teilweise belegten Auseinandersetzungen zwischen A.________ und anderen Kindern seien mit den üblichen Schwierigkeiten in der Angewöhnungsphase an das neue Heim und seine Bewohner zu erklären, gehörten zum Entwicklungsprozess und könnten erfolgreich überwunden werden (E. 2f S. 17). Andernorts hat das Obergericht zudem festgestellt, dass A.________ anlässlich ihrer Anhörung insgesamt durchaus aufgestellt und soweit zufrieden schien (E. 2d S. 16). 
 
Die obergerichtliche Beurteilung kann unter dem massgebenden Blickwinkel der Gefährdungslage und des Grundes für die Aufhebung der elterlichen Obhut nicht beanstandet werden. Die Vorbringen der Berufungsklägerin gehen am Kern der sich heute noch stellenden Fragen vorbei. Zum einen ist die Eignung des Kinderheims nicht an dessen psychotherapeutischen Angeboten zu messen, sondern an den Bedürfnissen des Kindes nach einer adäquaten Erziehung in einem unbelasteten und strukturierten Umfeld (E. 3 hiervor). Zum anderen kann das Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Berufung zwar die Eignung einer Anstalt als Rechtsfrage überprüfen, ist aber an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz über die Organisation, die Angebote und die Ausrichtung der konkret zu beurteilenden Anstalt und über den tatsächlich gelebten Heimalltag gebunden (BGE 114 II 213 E. 7 S. 218 f.). An diese Unterscheidung von Tat- und Rechtsfrage hält sich die Berufungsklägerin nicht, indem sie über Seiten hinweg die obergerichtlichen Feststellungen ergänzt und neue Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne das Vorliegen eigentlicher Sachverhaltsmängel zu rügen und zu belegen, die im Verfahren der Berufung behoben werden könnten; die bloss abweichende Sachdarstellung ohne vertiefte Auseinandersetzung mit dem verbindlich festgestellten Tatbestand genügt dazu nicht. 
 
4.2 Im Verfahren der Anordnung von Kindesschutzmassnahmen wie auch im Verfahren der gerichtlichen Beurteilung einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gilt die Untersuchungsmaxime. Danach wird der rechtserhebliche Sachverhalt von Amtes wegen erforscht. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist dabei nicht ausgeschlossen. Verfügt das Gericht über genügende Grundlagen für die sachgerechte Entscheidung, kann es auf weitere Beweiserhebungen verzichten (BGE 130 III 734 E. 2.2, für die fürsorgerische Freiheitsentziehung; Urteil 5C.207/2004 vom 26. November 2004, E. 2, im Kindesschutz). Eine Verletzung der Untersuchungsmaxime sieht die Berufungsklägerin zur Hauptsache darin, dass das Obergericht ihre Ansicht nicht geteilt hat, die Verhaltensauffälligkeiten von A.________ seien auf Handlungen Dritter - angebliche Beeinflussung durch G.________ und behauptete sexuelle Übergriffe durch H.________ - zurückzuführen. Der Einwand der Berufungsklägerin betrifft nicht die Abklärung der beiden Sachverhalte, sondern zuerst deren - vom Obergericht verneinte (E. 3.3 hiervor) - Rechtserheblichkeit. Was rechtserheblich ist, bestimmt nun aber das materielle Bundesrecht und nicht die angerufene Beweisvorschrift (BGE 123 III 35 E. 2b S. 40). Die Rüge, das Obergericht habe die Untersuchungsmaxime verletzt, ist in diesem Zusammenhang somit unbegründet und erschöpft sich für den Rest in Kritik an der obergerichtlichen Beweiswürdigung, die auf eidgenössische Berufung hin nicht überprüft werden kann (BGE 126 III 189 E. 2a S. 191; 129 III 320 E. 6.3 S. 327 und 618 E. 3 S. 620). 
 
4.3 Gemäss Art. 397e Ziff. 5 ZGB darf bei psychisch Kranken nur unter Beizug von Sachverständigen entschieden werden. Die Vorschrift gilt im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung bei Unmündigen nicht unmittelbar, sondern "sinngemäss" (Art. 314a Abs. 1 ZGB). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung müssen nur Kinder, die schwer geschädigt sind, vor der Entscheidung über die geeignete Unterbringung unter psychiatrische Beobachtung gestellt werden. Wo es um erzieherische Schwierigkeiten eines Kindes geht, die milieu- und entwicklungsbedingt sind, kann der Verzicht auf den Beizug von Sachverständigen hingegen nicht a priori beanstandet werden (Urteil C.41/1986 vom 7. Mai 1986, E. 3, mit Hinweis auf Di Bisceglia, Die Kindesschutzmassnahmen nach Art. 307, 308 und 310 ZGB und ihre einschränkende Wirkung auf die elterliche Gewalt, Diss. Basel 1979, S. 70; seither, z.B. Urteil 5C.159/1999 vom 6. September 1999, E. 2 Abs. 3: Verzicht auf Begutachtung bei psychosomatischen Problemen als Folge einer stressreichen Gesamtsituation). Nach der Lehre darf der Begriff des psychisch Kranken im Sinne von Art. 397e Ziff. 5 ZGB nicht auf Geisteskranke oder Geistesschwache beschränkt bleiben und soll bei Kindern weit gefasst werden. Gleichwohl ist eine kinderärztliche oder kinderpsychiatrische Begutachtung nur dann anzuordnen, wenn auf Grund der bisherigen Abklärungen die Vermutung besteht, eine anstaltspsychiatrische Betreuung sei notwendig (ausführlich: Markus Lustenberger, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung bei Unmündigen unter elterlicher Gewalt, Diss. Freiburg i.Ue. 1986, S. 128 ff.; gl.M. Stefan Müller, Die persönliche Fürsorge für unmündige Bevormundete, Diss. Freiburg i.Ue. 1995, S. 326; vgl. Deschenaux/Steinauer, Personnes physiques et tutelle, 4.A. Bern 2001, S. 444 N. 1187 mit Hinweisen). 
 
Entgegen der Darstellung der Berufungsklägerin (vorab S. 23 ff. Ziff. 2) hat das Obergericht das Kind nicht als psychisch krank bezeichnet. Die Rede ist vielmehr von Verhaltensauffälligkeiten, die näher umschrieben werden (E. 2a-b S. 13 f.). Im angefochtenen Beschluss wird der ärztliche Bericht des KJPD, in dem nach Angaben der Berufungsklägerin eine psychische Störung mit ICD-10-Klassifikation diagnostiziert worden sein soll, lediglich wiedergegeben (E. 3h S. 9), ohne dass sich das Obergericht zur Qualifikation der festgestellten Verhaltensauffälligkeiten abschliessend geäussert hätte. Es mag zwar zutreffen, dass dissoziale Verhaltensweisen, Delinquenz und eingeschränkte Selbstkontrolle zum Krankheitsbild der (psychischen) Störungen des Sozialverhaltens gehören. Es ist hier jedoch offenkundig zu keinem Zeitpunkt in Betracht gezogen worden, die fürsorgerische Freiheitsentziehung vorab zum Zwecke einer psychiatrischen Betreuung anzuordnen oder in einer psychiatrischen Anstalt zu vollziehen. Im Kinderheim steht Therapie auch nicht im Vordergrund, kann aber bei Bedarf in der näheren Umgebung organisiert werden. Im Heim soll in familienähnlichem Rahmen insbesondere Konstanz in Erziehung und Struktur des Alltagslebens verschafft werden (vgl. E. 4.1 soeben). 
In Anbetracht der gezeigten Rechts- und Sachlage verletzt es kein Bundesrecht, dass die Begutachtung des Kindes wie auch der Berufungsklägerin als unnötig angesehen worden ist. Auf unüberprüfbarer Beweiswürdigung (E. 4.2 soeben) beruht der zusätzliche Schluss des Obergerichts, es sei nicht anzunehmen, dass ein Gutachten weitergehende, hier massgebliche Erkenntnisse bringen könnte, als bereits auf Grund der Berichte der mit der Sache befassten Betreuungs- und Fachpersonen feststünden (E. 2g S. 17 f.). 
 
4.4 Während eine Delegation des Obergerichts das Kind im Heim in N.________ persönlich angehört hat (S. 3), ist der Einzelrichter davon ausgegangen, eine Befragung durch das Gericht wäre dem Kindeswohl abträglich und unverhältnismässig, sei doch das Kind auf Grund der bereits länger dauernden Abklärungen immer wieder mündlich befragt worden, zuletzt durch die Polizei zum Vorwurf der sexuellen Übergriffe (E. 4.2 S. 8 f.). Unter Hinweis auf Art. 397f Abs. 3 ZGB erblickt die Berufungsklägerin eine Bundesrechtsverletzung darin, dass ihre Tochter vor erster Instanz überhaupt nicht und vor Obergericht nur durch eine Delegation mündlich angehört worden sei (S. 27 f. Ziff. 3). 
4.4.1 Gemäss Art. 397f Abs. 3 ZGB muss das Gericht erster Instanz die von der fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffene Person mündlich einvernehmen. Nach der Rechtsprechung hat die Anhörung durch das gesamte erkennende Kollegialgericht zu erfolgen (BGE 115 II 129 Nr. 24). Nur ganz ausnahmsweise kann von einer Anhörung durch das Gesamtgericht dann abgesehen werden, wenn sich der Betroffene weigert, der Vorladung zur Verhandlung Folge zu leisten, oder wenn die Anhörung durch das gesamte Gericht wegen der Krankheit oder anderen persönlichkeitsbedingten Gründen auf Seiten des Betroffenen nicht geboten wäre (Urteil 5C.19/1990 vom 22. März 1990, E. 2, zit. in Spirig, Zürcher Kommentar, 1995, N. 101 zu Art. 397f ZGB). Ob die mündliche Anhörung im Rechtsmittelverfahren nachgeholt und dadurch ein Verfahrensmangel vor erster Instanz geheilt werden kann, ist strittig (bejahend: Geiser, Basler Kommentar, 2002, N. 24 zu Art. 397f ZGB; einschränkend: Alexander Imhof, Der formelle Rechtsschutz, insbesondere die gerichtliche Beurteilung, bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Diss. Freiburg i.Ue. 1999, S. 205 f.; vgl. auch Urteil 5C.164/1995 vom 9. November 1995, E. 2c). 
4.4.2 Die gezeigten Grundsätze können nicht unbesehen auf die Anhörung von Kindern bei Anordnung von Kindesschutzmassnahmen werden. 
 
Einerseits sind die Bestimmungen des Erwachsenenschutzes im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegenüber Kindern nur "sinngemäss" (Art. 314a Abs. 1 ZGB) anwendbar. Als Grundsatz muss zwar gelten, dass jedes von einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffene Kind durch das Gericht mündlich anzuhören ist. Persönlichkeitsbezogene Gründe fallen jedoch stärker ins Gewicht und können in weiterreichendem Umfang Ausnahmen von der Anhörung rechtfertigen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, das die Regelung im Sinne des heutigen Art. 314a ZGB auf Antrag erst der nationalrätlichen Kommission ausgearbeitet hat, erwähnt als Beispiel für eine Ausnahme von der Anhörungspflicht, dass es keinen Sinn habe, wenn das Gericht, das auf Begehren der Eltern die Anstaltsversorgung überprüfe, ein dreijähriges Kind einvernehme (zit. nach Lustenberger, a.a.O., S. 24). Ganz allgemein muss gelten, dass Art und Form der Anhörung der konkreten Situation des von der Freiheitsentziehung betroffenen Kindes anzupassen sind und dass auf eine mündliche Befragung des Kindes ausnahmsweise verzichtet werden darf, wenn dadurch das Kindeswohl beeinträchtigt würde (vgl. Lustenberger, a.a.O., S. 147 ff. mit Hinweisen). 
 
Entscheidend ist andererseits, dass sich die Pflicht zur Anhörung des Kindes nur indirekt aus den Vorschriften über das gerichtliche Verfahren bei fürsorgerischer Freiheitsentziehung ergibt. Unmittelbar gilt Art. 314 Ziff. 1 ZGB, der für sämtliche Kindesschutzmassnahmen vorschreibt, dass vor deren Erlass das Kind in geeigneter Weise durch die vormundschaftliche Behörde oder durch eine beauftragte Drittperson persönlich anzuhören ist, soweit nicht sein Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen. Diese Bestimmung ist mit der ZGB-Revision von 1998/2000 neu geschaffen worden, entspricht einer dringenden Empfehlung der Arbeitsgruppe Kindsmisshandlung und verwirklicht die Vorgaben des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (KRK; SR 0.107). Die gesetzliche Regelung ist flexibel ausgestaltet und gewährleistet damit, dass die Anhörung stets in kindgerechter Form erfolgen kann (Botschaft, BBl 1996 I 1, S. 143 ff. Ziff. 234.101 und S. 165 Ziff. 244.43). Mit der Anhörung darf eine Delegation des Gerichts oder eine Drittperson betraut werden, soweit es das Kindeswohl gebietet, und eine - z.B. aus Gründen der Dringlichkeit - vorerst unterbliebene Anhörung kann in einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden (vgl. dazu Breitschmid, Basler Kommentar, 2002, N. 3 und N. 6 f. zu Art. 314/314a ZGB; Meier/Stettler, Droit civil VI/2: Les effets de la filiation (art. 270 à 327 CC), 2.A. Freibourg 2002, N. 87-92 S. 44 ff., je mit Hinweisen). 
4.4.3 Vorab im Lichte der neu geregelten Anhörung des Kindes, die einen in allen Verfahren zu beachtenden Minimalstandard gewährleisten will, erscheint es bedenklich, dass der Einzelrichter die Anhörung - auch in Form der Beauftragung einer Drittperson - unterlassen hat. Dem Gehörsanspruch des Kindes hat jedoch das Obergericht genügt, indem eine Befragung im Kinderheim und damit in zwischenzeitlich gewohnter Umgebung durch eine Delegation erfolgt ist. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. 
 
4.5 Der Einwand der Berufungsklägerin, das Obergericht habe Vorschriften über die fürsorgerische Freiheitsentziehung verletzt, erweist sich nach dem Gesagten als unberechtigt. 
 
5. 
Insgesamt muss die Berufung abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist. Die Berufungsklägerin wird damit kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Begehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Die hiervor gezeigten Grundsätze, denen die Berufungsklägerin mit einer Vielzahl von Rügen widersprochen hat, sind in Lehre und Rechtsprechung unbestritten und wiederholt dargelegt worden. Den Anträgen der Berufungsklägerin konnte deshalb von Beginn an kein Erfolg beschieden sein. Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann unter den Umständen des vorliegenden Falls ausnahmsweise verzichtet werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch der Berufungsklägerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird der Berufungsklägerin und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. April 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: