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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunal fédéral des assurances 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess{T 7} 
I 61/04 
 
Urteil vom 20. September 2006 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ursprung, Schön, Borella und Frésard; Gerichtsschreiberin Berger Götz 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
S.________, Beschwerdegegnerin, Erbin des D.________, 1939, gestorben am 15. Dezember 2005, vertreten durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 10. Dezember 2003) 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1939 geborene D.________ wurde am 9. November 2000 durch seine Ehefrau, S.________, unter Hinweis auf eine seit 1. April 1999 bestehende Alzheimer-Erkrankung zum Bezug einer Rente bei der Invalidenversicherung angemeldet. Mit Verfügung vom 13. Juli 2001 verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau den Rentenanspruch, da D.________ vor Eintritt der gesundheitlichen Einschränkung Privatier gewesen sei, weshalb keine Invalidität im Sinne des Gesetzes vorliege. Dieser Verwaltungsakt erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Auf ein sinngemäss gestelltes Wiedererwägungsgesuch vom 24. September 2001 trat die IV-Stelle nicht ein (Mitteilung vom 7. Januar 2002). Eine neue Anmeldung vom 23. Mai 2002 interpretierte die IV-Stelle ebenfalls als Wiedererwägungsgesuch und teilte am 29. Mai 2002 mit, dass sie darauf nicht eintrete. Am 14. November 2002 liess D.________ um Wiedererwägung der Verfügung vom 13. Juli 2001 ersuchen und geltend machen, dass sich sein Gesundheitszustand seither erheblich verschlechtert habe. Die IV-Stelle trat auf das Wiedererwägungsgesuch nicht ein und führte weiter aus, die geltend gemachte Verschlechterung sei ohne Bedeutung, weil der Gesundheitszustand schon im Jahr 1999 zu einer Erwerbsunfähigkeit von mehr als 66 2/3 % geführt habe (Mitteilung vom 23. Mai 2003). Auf das Ersuchen des Versicherten vom 8. Juli 2003 hin lehnte sie es ausdrücklich ab, ihren Nichteintretensbescheid in der Form einer anfechtbaren Verfügung zu erlassen (Schreiben vom 8. August 2003). 
 
B. 
In Gutheissung der von D.________ erhobenen Rechtsverweigerungsbeschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die IV-Stelle mit Entscheid vom 10. Dezember 2003 an, über das Wiedererwägungsgesuch und die Neuanmeldung zu verfügen (Dispositivziffer 1); soweit mit der Beschwerde mehr oder anderes verlangt werde, werde darauf nicht eingetreten (Dispositivziffer 2), und die IV-Stelle werde verpflichtet, D.________ die Parteikosten im Umfang von Fr. 2105.- zu ersetzen (Dispositivziffer 4). 
 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, Dispositivziffern 1 und 4 des kantonalen Gerichtsentscheides seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass über das Wiedererwägungsgesuch und die Neuanmeldung keine "beschwerdefähigen Verfügungen" zu erlassen seien. 
 
D.________ und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
D. 
Am 15. Dezember 2005 ist D.________ verstorben. Einzige Erbin ist seine Ehefrau S.________. Sie hat die Erbschaft angetreten. 
 
E. 
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat am 20. September 2006 eine parteiöffentliche Beratung durchgeführt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2. 
2.1 Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) und die Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV) vom 11. September 2002 in Kraft getreten. Mit ihnen sind unter anderem auch im Invalidenversicherungsrecht verschiedene materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen geändert worden. Die verfahrensrechtlichen Neuerungen sind mangels gegenteiliger Übergangsbestimmungen mit dem Tag des Inkrafttretens sofort und in vollem Umfang anwendbar (vgl. BGE 129 V 115 Erw. 2.2, 117 V 93 Erw. 6b, 112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b). 
 
2.2 Gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 (AS 2006 S 2003) ist am 1. Juli 2006 eine Änderung des IVG in Kraft getreten . Mit dieser Novelle ist das Einspracheverfahren im Bereich der Invalidenversicherung aufgehoben und durch das frühere, vor Inkrafttreten von ATSG und ATSV geltende Vorbescheidverfahren ersetzt worden. Dies bedeutet, dass gegen eine Verfügung der IV-Stelle nicht mehr Einsprache erhoben werden kann, sondern direkt eine Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht eingereicht werden muss (Art. 69 Abs. 1 IVG in der ab 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, ist diese Neuerung im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. 
 
2.3 Der beschwerdegegnerische Vorwurf der Rechtsverweigerung knüpft an die nicht in Verfügungsform erlassene Mitteilung der IV-Stelle vom 23. Mai 2003 und die nachmalige Weigerung, anfechtbare Verfügungen zu erlassen, an. Die in ATSG und ATSV enthaltenen und die gestützt darauf in den Spezialgesetzen auf den 1. Januar 2003 geänderten Verfahrensbestimmungen gelangen daher im vorliegenden Fall zur Anwendung. 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die IV-Stelle auf das Wiedererwägungsgesuch vom 14. November 2002 und den im gleichen Schreiben geäusserten Hinweis auf die Verschlechterung des Gesundheitszustandes hin hätte verfügen müssen. 
 
3.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, es handle sich bei der Eingabe vom 14. November 2002 einerseits um ein Wiedererwägungsgesuch und andererseits um eine Neuanmeldung. Sofern die betroffene Person eine Verfügung verlange, habe die Verwaltung, auch wenn sie auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eintreten wolle, mit Blick auf Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 ATSG eine (Nichteintretens-)Verfügung zu erlassen. Gleich verhalte es sich bezüglich der geltend gemachten Verschlechterung des Gesundheitszustandes: Sei die IV-Stelle der Ansicht, der Versicherte habe nicht glaubhaft dargetan, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hätten, so müsse sie eine weitere (Nichteintretens-)Verfügung erlassen. 
 
3.2 Die IV-Stelle führt aus, es bestehe nach wie vor kein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf die Behandlung einer Wiedererwägung. Somit müsse auch ein Anspruch auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung verneint werden. Verfügungen, mit denen das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch abgelehnt werde, seien, wie sich aus Erw. 2 des Urteils N. vom 14. Juli 2003, C 7/02 (publiziert in: SVR 2004 ALV Nr. 1 S. 2), ergebe, weiterhin - auch unter der Geltung von Art. 53 Abs. 2 ATSG - nicht anfechtbar. Darum bleibe für Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 2 ATSG entgegen der Auffassung der Vorinstanz kein Raum. Die Verwaltung könne folglich nicht dazu verhalten werden, eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. 
 
4. 
4.1 Art. 53 Abs. 2 ATSG schreibt vor, dass ein Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen kann, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen) erlassen. Dabei wird in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung das Zurückkommen auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide beim Fehlen eigentlicher Revisionsgründe weiterhin in das Ermessen des Versicherungsträgers gelegt (vgl. BBl 1991 II 262). Die bisherige Rechtsprechung, wonach kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung besteht (BGE 117 V 12 Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 479 Erw. 1b/cc), ist, wie die IV-Stelle letztinstanzlich unter Hinweis auf SVR 2004 ALV Nr. 1 S. 2, Erw. 2, C 7/02, zu Recht geltend macht, in Art. 53 Abs. 2 ATSG gesetzlich verankert worden (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, Rz 22 zu Art. 53). Damit ist aber entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin für den vorliegend zu beurteilenden Fall noch nicht beantwortet, ob sie auf das Schreiben des Versicherten vom 14. November 2002 verfügungsweise hätte reagieren müssen. 
4.1.1 Nach Art. 49 Abs. 1 ATSG hat der Versicherungsträger über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, schriftlich Verfügungen zu erlassen. Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Art. 49 Abs. 1 ATSG fallen, können gemäss Art. 51 Abs. 1 ATSG in einem formlosen Verfahren behandelt werden; Art. 51 Abs. 2 ATSG räumt der betroffenen Person die Möglichkeit ein, den Erlass einer Verfügung zu verlangen. Im Invalidenversicherungsbereich enthält Art. 74ter IVV einen Katalog von Leistungen, welche formlos zugesprochen werden können. Damit diese Ausführungsbestimmung eine gesetzliche Grundlage hat, wurde in Art. 58 IVG eine Abweichung vom ATSG statuiert. In der genannten Gesetzesbestimmung wird dem Bundesrat die Befugnis eingeräumt, in Abweichung von Art. 49 Abs. 1 ATSG auch für bestimmte erhebliche Leistungen das formlose Verfahren nach Art. 51 ATSG vorzusehen (Bericht der Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999, BBl 1999 V 4606 f.). In diesen Fällen macht die IV-Stelle den Versicherten darauf aufmerksam, dass er den Erlass einer Verfügung verlangen kann, wenn er mit dem nach Art. 74ter IVV gefassten Beschluss nicht einverstanden ist (Art. 74quater IVV). 
4.1.2 Der Begriff der Verfügung bestimmt sich mangels näherer Konkretisierung in Art. 49 Abs. 1 ATSG nach Massgabe von Art. 5 Abs. 1 VwVG (vgl. Art. 55 ATSG; siehe auch Kieser, a.a.O., Rz 2 zu Art. 49). Als Verfügungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (oder richtigerweise hätten stützen sollen; BGE 116 Ia 266 Erw. 2a) und zum Gegenstand haben: Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten (lit. a), Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten (lit. b), Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder Nichteintreten auf solche Begehren (lit. c; BGE 124 V 20 Erw. 1, 123 V 296 Erw. 3a, je mit Hinweisen). 
4.1.3 Das Begriffspaar Leistungen und Forderungen in Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 ATSG entspricht den Rechten und Pflichten gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a VwVG (Kieser, a.a.O., Rz 4 zu Art. 49), während Art. 5 Abs. 1 lit. b und c VwVG (Erw. 4.1.2 hiervor) eine Aufzählung von Anordnungen enthält (zur Bedeutung der Anordnung: Kieser, a.a.O., Rz 5 ff. zu Art. 49). Es ist auch unter der Geltung des ATSG ins Ermessen des Versicherungsträgers gestellt, auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückzukommen (Art. 53 Abs. 2 ATSG; Erw. 4.1 hiervor). Da somit kein Anspruch auf Wiedererwägung besteht, stellt das Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch keine Leistung im Sinne von Art. 49 Abs. 1 oder Art. 51 Abs. 1 ATSG dar (womit die im Invalidenversicherungsrecht für bestimmte erhebliche Leistungen geltende Sonderregel [Art. 58 IVG in Verbindung mit Art. 74ter und 74quater IVV; Erw. 4.1.1 hiervor] nicht zur Anwendung kommt). Im Streitfall ginge es nämlich einzig um die formelle Frage des Eintretens oder Nichteintretens auf das Wiedererwägungsgesuch. Ob der Versicherungsträger mit dem Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch eine Anordnung (im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. c in fine VwVG) trifft, über welche er bei Erheblichkeit oder wenn die betroffene Person nicht einverstanden ist (Art. 49 Abs. 1 ATSG), sowie in den Fällen nach Art. 51 Abs. 1 ATSG, falls es die betroffene Person verlangt (Art. 51 Abs. 2 ATSG), eine Verfügung zu erlassen hat, kann vorliegend allerdings offen bleiben (es ist immerhin darauf hinzuweisen, dass die bisherige Rechtsprechung an der Verfügungsqualität nicht gezweifelt hat : BGE 117 V 13 Erw. 2a). Selbst wenn nämlich davon ausgegangen wird, dass das Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch als Verfügung zu qualifizieren ist, besteht jedenfalls keine Möglichkeit, dieses Verwaltungshandeln mit Einsprache anzufechten, wie sich nachfolgend (Erw. 4.2 hiernach) zeigt. 
 
4.2 Durch das Inkrafttreten des ATSG wurde das Einspracheverfahren, welches bisher nur im Kranken-, Unfall- und Militärversicherungsbereich verankert war, auf alle Sozialversicherungszweige (mit Ausnahme der beruflichen Vorsorge) ausgedehnt. Nach Art. 52 Abs. 1 ATSG kann gegen Verfügungen innerhalb von 30 Tagen bei der verfü-genden Stelle Einsprache erhoben werden; davon ausgenommen sind prozess- und verfahrensleitende Verfügungen. Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden (Art. 56 Abs. 1 ATSG). 
4.2.1 Das Zurückkommen auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide beim Fehlen eigentlicher Revisionsgründe liegt weiterhin im Ermessen des Versicherungsträgers (Art. 53 Abs. 2 ATSG als "Kann-Vorschrift", vgl. Erw. 4.1 hiervor; Bericht der Kommission des Ständerates zur Parlamentarischen Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung vom 27. September 1990, BBl 1991 II 262). Die bisherige Rechtsprechung, wonach kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung besteht, gilt nach wie vor (SVR 2004 ALV Nr. 1 S. 2 Erw. 2; Urteil G. vom 22. Februar 2005, U 463/04). Auf eine Beschwerde gegen ein Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch oder allenfalls gegen einen das Nichteintreten bestätigenden Einspracheentscheid der Verwaltung kann das Gericht demzufolge auch unter der Geltung des ATSG nicht eintreten. Art. 56 Abs. 1 ATSG weist auf diese Ausnahme vom Beschwerderecht zwar nicht ausdrücklich hin. Sie ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Umstand, dass das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch im Ermessen des Versicherungsträgers liegt (Art. 53 Abs. 2 ATSG). 
4.2.2 Wird angenommen, dass das Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch den Verfügungsbegriff erfüllt (Erw. 4.1.2 hiervor), so muss auf Grund des Wortlautes von Art. 52 Abs. 1 ATSG davon ausgegangen werden, dass dagegen eine Einsprache zulässig ist. Das Einspracheverfahren ist zwar ein rechtsmittelmässiger Prozess, wird aber, weil es sich bei der Einsprache um ein nicht devolutives Rechtsmittel handelt, nicht beim iudex ad quem, sondern bei der verfügenden Verwaltung durchgeführt (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 33; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 169 Rz 464 f.). Der Einspracheentscheid tritt alsdann an die Stelle der Verfügung. Verfügungs- wie auch Einspracheverfahren gehören zur verwaltungsinternen Rechtspflege. 
 
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein Wiedererwägungsgesuch bezweckt, die Verwaltung zu einer nochmaligen Prüfung formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide zu veranlassen. Lehnt sie dies - durch Nichteintreten auf das Gesuch - ab, so könnte mit einer Einsprache dagegen lediglich verlangt werden, der Versicherungsträger solle prüfen, ob er tatsächlich nicht auf das Wiedererwägungsgesuch eintreten wolle. Ein Anspruch auf Wiedererwägung entsteht daraus nicht, weil der Entscheid über die Vornahme der Wiedererwägung auf jeden Fall im Ermessen der Verwaltung bleibt (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Der ablehnende Einspracheentscheid würde zudem keine definitive Klärung der Streitfrage bringen. Die Wiedererwägung wird auf Gesuch oder von Amtes wegen vorgenommen. Eine zeitliche Befristung besteht nicht. Demgemäss wäre es möglich, unmittelbar nach Erlass eines ablehnenden Einspracheentscheides ein neues Wiedererwägungsgesuch zu stellen, ohne dass die Verwaltung der gesuchstellenden Person entgegenhalten könnte, mit dem Einspracheentscheid sei eine res iudicata geschaffen worden. Die Einsprachefrist von 30 Tagen gemäss Art. 52 Abs. 1 ATSG bliebe überdies ohne jegliche Wirkung. Würde die gesuchstellende Person die 30-tägige Frist verpassen, könnte sie jederzeit ein neues Wiedererwägungsgesuch stellen. Selbst vor Erlass eines Einspracheentscheides über die Frage des Eintretens auf ein Wiedererwägungsgesuch wäre ein erneutes Wiedererwägungsgesuch möglich. Das Einspracheverfahren führt mit anderen Worten nicht zu einer Entscheidung, welche die Frage der Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide in verbindlicher Form beantworten könnte. Wird das Zurückkommen mit Einspracheentscheid abgelehnt, schliesst dies nämlich keineswegs aus, dass die Verwaltung zu einem späteren Zeitpunkt von Amtes wegen oder auf erneutes Gesuch hin eine Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide vornimmt. Unter diesen Umständen, insbesondere mit Blick darauf, dass es jederzeit, ohne Bindung an Fristen, möglich ist, ein neues Wiedererwägungsgesuch zu stellen, macht ein Einspracheverfahren keinen Sinn. Eine Einsprachemöglichkeit gegen ein Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch ist demgemäss abzulehnen. 
 
4.3 Die IV-Stelle hat sich in ihrem Schreiben vom 8. August 2003, mit welchem sie den Erlass einer (anfechtbaren) Verfügung verweigert, auf Rz 3013 des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über die Rechtspflege in der AHV, der IV, der EO und bei den EL (in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung) berufen. Darin wird angegeben, die nach summarischer Prüfung auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht eintretende Durchführungsstelle habe dies der versicherten Person in einfacher Briefform ohne Rechtsmittelbelehrung und in der Regel ohne eingehende Begründung bekannt zu geben. Dieser Abschnitt des Kreisschreibens erweist sich mit Blick auf das Gesagte als richtig. 
 
5. 
Im beschwerdegegnerischen Schreiben vom 14. November 2002 wird ausserdem auf die Verschlechterung des Gesundheitszustandes hingewiesen. Rechtlich handelt es sich dabei um eine Neuanmeldung. 
 
5.1 Hat sich eine Person vor Inkrafttreten von ATSG und ATSV nach vorausgegangener rechtskräftiger Leistungsverweigerung neu angemeldet, musste die Verwaltung sowohl bei nunmehriger Leistungszusprechung als auch bei erneuter Ablehnung eines Anspruchs nach materieller Prüfung und beim Nichteintreten zufolge fehlender Glaubhaftmachung einer erheblichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung) und Art. 87 Abs. 4 IVV stets eine Verfügung erlassen. Denn es ging in diesen Fällen immer um Rechte und Pflichten gemäss Art. 75 Abs. 1 IVV (in Kraft bis 31. Dezember 2002). Ausserdem stand die Anfechtbarkeit einer solchen Verfügung nie zur Diskussion. An dieser Rechtslage hat sich unter der Geltung von ATSG und ATSV nichts geändert. Ist die betroffene Person nicht einverstanden, muss über bestrittene Leistungen verfügt werden (Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 2 ATSG; formlos können erhebliche Leistungen unter den in Art. 74ter IVV genannten Voraussetzungen zugesprochen werden [Erw. 4.1.1 hiervor]). 
 
5.2 Unter diesen Umständen durfte die IV-Stelle den Erlass einer Verfügung bezüglich der Neuanmeldung nicht vorenthalten. Daran ändert nichts, dass sie die vom Versicherten geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes bezüglich eines allfälligen Leistungsanspruchs als belanglos einschätzt. 
 
6. 
Bei dieser Rechtslage hat die Vorinstanz die IV-Stelle mit Entscheid vom 10. Dezember 2003 zu Recht angewiesen, über die Neuanmeldung zu verfügen. Hingegen durfte das kantonale Gericht die Verwaltung nicht anhalten, über das Wiedererwägungsgesuch vom 14. November 2002 eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 10. Dezember 2003 insoweit aufgehoben, als darin eine Anordnung über das Wiedererwägungsgesuch getroffen wird. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wird über eine Neuverlegung der Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
 
Luzern, 20. September 2006 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der I. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: