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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 896/06 
 
Urteil vom 19. März 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiber Attinger. 
 
Parteien 
P.________, 1961, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Schilter, Herrengasse 3, 6430 Schwyz, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Uri, Dätwylerstrasse 11, 6460 Altdorf, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 19. September 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 14. September 2004 verneinte die IV-Stelle Uri einen Anspruch des 1961 geborenen P.________ auf Invalidenrente und berufliche Eingliederungsmassnahmen mangels eines leistungsbegründenden Invaliditätsgrades. Diese Verfügung erwuchs in der Folge unangefochten in (formelle) Rechtskraft. Unter Hinweis auf eine gesundheitliche Verschlechterung liess der Versicherte am 5. Juli 2005 ein Wiedererwägungsbegehren einreichen. Darin ersuchte er um Zusprechung einer Invalidenrente ab 30. August 1996 bzw. ab dem Zeitpunkt der Anmeldung bei der Invalidenversicherung; "im Sinne eines Eventualantrages soll sie (die Invalidenrente) revisionsweise ab dem Datum dieses (des vorliegenden Wiedererwägungs-)Gesuches zugesprochen werden". Mit Schreiben vom 13. Juli 2005 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, dass sie auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eintrete; hingegen prüfe sie unter dem Blickwinkel der Neuanmeldung, ob (mit Wirkung für die Zukunft) Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung bestehe. Auf "Einsprache" des Versicherten hin bekräftigte die IV-Stelle mit (erneut formlosem) Schreiben vom 7. Oktober 2005 ihr Nichteintreten auf das Wiedererwägungsgesuch. 
B. 
Das Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, hiess die dagegen erhobene Beschwerde, soweit es darauf eintrat, insofern teilweise gut, als es die Sache an die Verwaltung zurückwies, "damit sie über das Nichteintreten auf die Einsprache (...) formell entscheide". 
C. 
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen. Auf die darin enthaltenen Anträge wird im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
1.2 Das Bundesgericht hat nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft ab 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Mit der unmittelbar hievor angeführten IVG-Novelle (AS 2006 2003) ist u.a. auch das Einspracheverfahren im Bereich der Invalidenversicherung aufgehoben und durch das frühere, vor Inkrafttreten von ATSG und ATSV geltende Vorbescheidverfahren ersetzt worden (neu eingefügter Art. 57a IVG). Dies bedeutet, dass gegen eine Verfügung der IV-Stelle nicht mehr Einsprache erhoben werden kann, sondern direkt eine Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht eingereicht werden muss (Art. 69 Abs. 1 lit. a IVG in der seit 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Für die Beantwortung der hier relevanten Rechtsfragen sind indessen diese Neuerungen insofern unbeachtlich, als diesbezüglich noch das vor dem 1. Juli 2006 geltende Recht heranzuziehen ist (vgl. Ziff. II des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005; BGE 133 V 50 E. 2.2 S. 51). 
3. 
3.1 Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG (am 1. Januar 2003) von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V 466 E. 2c S. 469 oben mit Hinweisen) erlassen. Dabei wird in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung das Zurückkommen auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide beim Fehlen eigentlicher Revisionsgründe weiterhin in das Ermessen des Versicherungsträgers gelegt (vgl. BBl 1991 II 262). Die bisherige Rechtsprechung, wonach die Verwaltung weder vom Betroffenen noch vom Gericht zu einer Wiedererwägung verhalten werden kann und mithin kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Wiedererwägung besteht (BGE 117 V 8 E. 2a S. 12 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479), wurde demnach in Art. 53 Abs. 2 ATSG gesetzlich verankert (BGE 133 V 50 E. 4.1 S. 52 und E. 4.2.1 S. 54; Kieser, ATSG-Kommentar, N. 22 zu Art. 53). 
3.2 Auf eine Beschwerde gegen ein Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch oder allenfalls gegen einen das Nichteintreten bestätigenden Einspracheentscheid der Verwaltung kann das Gericht nach dem hievor Gesagten auch unter der Geltung des ATSG nicht eintreten. Art. 56 Abs. 1 ATSG weist auf diese Ausnahme vom Beschwerderecht zwar nicht ausdrücklich hin. Sie ergibt sich aber ohne weiteres aus dem Umstand, dass das Eintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch im Ermessen des Versicherungsträgers liegt (Art. 53 Abs. 2 ATSG; BGE 133 V 50 E. 4.2.1 in fine S. 54 f.). 
 
Was die Einsprache gemäss Art. 52 Abs. 1 ATSG anbelangt, gilt es zu berücksichtigen, dass ein Wiedererwägungsgesuch bezweckt, die Verwaltung zu einer nochmaligen Prüfung formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide zu veranlassen. Lehnt sie dies - durch Nichteintreten auf das Gesuch - ab, so könnte mit einer Einsprache dagegen lediglich verlangt werden, der Versicherungsträger solle prüfen, ob er tatsächlich nicht auf das Wiedererwägungsgesuch eintreten wolle. Ein Anspruch auf Wiedererwägung entsteht daraus nicht, weil der Entscheid über die Vornahme der Wiedererwägung auf jeden Fall im Ermessen der Verwaltung bleibt (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Der ablehnende Einspracheentscheid würde zudem keine definitive Klärung der Streitfrage bringen: Die Wiedererwägung wird auf Gesuch oder von Amtes wegen vorgenommen. Eine zeitliche Befristung besteht nicht. Demgemäss wäre es möglich, unmittelbar nach Erlass eines ablehnenden Einspracheentscheides ein neues Wiedererwägungsgesuch zu stellen, ohne dass die Verwaltung der gesuchstellenden Person entgegenhalten könnte, mit dem Einspracheentscheid sei eine res iudicata geschaffen worden. Im Lichte dieser Überlegungen, insbesondere mit Blick darauf, dass es jederzeit, ohne Bindung an Fristen, möglich ist, ein neues Wiedererwägungsgesuch zu stellen, macht ein Einspracheverfahren keinen Sinn. Eine Einsprachemöglichkeit gegen ein Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch ist demgemäss zu verneinen (BGE 133 V 50 E. 4.2.2 S. 55). 
3.3 Wenn die Verwaltung hingegen auf ein Wiedererwägungsgesuch eintritt, die Wiedererwägungsvoraussetzungen prüft und anschliessend einen erneut ablehnenden Sachentscheid trifft, ist dieser mit Einsprache und hernach beschwerdeweise anfechtbar. Die entsprechende Überprüfung hat sich in einem solchen Falle indessen auf die Frage zu beschränken, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der bestätigten Verfügung gegeben sind. Thema des Einsprache- und des Beschwerdeverfahrens bildet also einzig die Prüfung, ob der Versicherungsträger zu Recht die ursprüngliche, formell rechtskräftige Verfügung nicht als zweifellos unrichtig und/oder deren Korrektur als von unerheblicher Bedeutung qualifizierte (BGE 119 V 475 E. 1b/cc S. 479, 117 V 8 E. 2a S. 13, 116 V 62). 
4. 
4.1 Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers hat die IV-Stelle ein Eintreten auf dessen Wiedererwägungsgesuch vom 5. Juli 2005 offenkundig nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem tatsächlichen rechtlichen Bedeutungsgehalt ihres Schreibens vom 13. Juli 2005 abgelehnt. Das Nichteintreten erfolgte nach äusserst summarischer Prüfung, indem diesbezüglich im formlosen Schreiben des Versicherungsträgers einzig festgehalten wird, der mit dem Wiedererwägungsgesuch eingereichte ärztliche Abschlussbericht der SUVA vom 2. Mai 2005 weise lediglich eine "gewisse Verschlechterung seit den Voruntersuchungen von 1997 und 2003" aus. Von einem Eintreten der IV-Stelle auf das Rückkommensgesuch, d.h. von dessen materieller Behandlung und einem erneut ablehnenden Sachentscheid durch die Verwaltung im Sinne vorstehender Erwägung 3.3 (vgl. auch BGE 117 V 8 E. 2b/aa S. 13 mit Hinweisen) kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist das von der IV-Stelle gewählte formlose Vorgehen, wurde doch in BGE 133 V 50 E. 4.3 S. 56 die Verwaltungspraxis für richtig befunden, wonach das Nichteintreten nach summarischer Prüfung der versicherten Person in einfacher Briefform ohne Rechtsmittelbelehrung und in der Regel ohne eingehende Begründung mitzuteilen ist (vgl. Rz 3013 des vom BSV herausgegebenen Kreisschreibens über die Rechtspflege in der AHV, der IV, der EO und bei den EL [in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung]). 
4.2 Das Nichteintreten der IV-Stelle auf das Wiedererwägungsgesuch des Versicherten ist nach den vorstehenden Ausführungen (vgl. den ersten Abschnitt von Erwägung 3.2 hievor) nicht mit Beschwerde anfechtbar. Das kantonale Gericht ist deshalb in diesem Punkt zu Recht auf die vorinstanzlich erhobene Beschwerde nicht eingetreten. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde haben die Versicherten ihre Rechte hinsichtlich der ursprünglichen Verfügung im dafür vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu wahren. Ebenfalls als rechtens erweist sich das Nichteintreten der Vorinstanz mit Bezug auf die diversen materiellen Anträge des Beschwerdeführers (Prüfung und Bejahung der Wiedererwägungsvoraussetzungen, Zusprechung einer Invalidenrente bzw. Anordnung ergänzender medizinischer Abklärungen). Weil diesbezüglich weder eine Verfügung noch ein Einspracheentscheid ergangen ist, fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung (BGE 131 V 164 E. 2.1, 202 E. 2.1 S. 204, 125 V 413 E. 1a S. 414, 119 Ib 33 E. 1b S. 36 mit Hinweisen). Aus demselben Grund kann auch insoweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden, als diese materiellen Anträge letztinstanzlich wiederholt werden. 
4.3 Das kantonale Gericht seinerseits ist auf die bei ihm eingereichte Beschwerde nur insofern eingetreten, als es eine Rückweisung an die IV-Stelle zum Erlass eines formellen Einspracheentscheides betreffend Nichteintreten auf das Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers anordnete. Eine solche Rückweisung verbietet sich indessen mit Blick auf vorstehende Erwägung 3.2 (zweiter Abschnitt), wonach das Nichteintreten auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht durch Einsprache anfechtbar ist (BGE 133 V 50). Die Vorinstanz hätte auch in diesem Punkt auf die Beschwerde des Versicherten nicht eintreten dürfen. 
5. 
Nach dem Gesagten muss es mit dem Nichteintreten der Verwaltung auf das Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers sein Bewenden haben. Die IV-Stelle wird - wie bereits im Schreiben vom 13. Juli 2005 festgehalten - das Begehren des Versicherten unter dem Blickwinkel der Neuanmeldung prüfen. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft ab 1. Juli 2006]). Dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens entsprechend werden die Gerichtskosten dem (vollständig) unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG), dessen Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren mit Zwischenentscheid vom 18. Januar 2007 abgewiesen worden ist. 
7. 
Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - soweit nicht offensichtlich unzulässig - offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
In Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten ist, wird der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 19. September 2006 insoweit aufgehoben, als darin die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle Uri zum Erlass eines formellen Einspracheentscheides betreffend Nichteintreten auf das Wiedererwägungsgesuch des Versicherten angeordnet und diesem eine Parteientschädigung zugesprochen wird. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Das Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, wird über eine Neubemessung der Entschädigung für die unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Uri und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 19. März 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: