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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 66/05 
 
Urteil vom 9. Dezember 2005 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Arnold 
 
Parteien 
Sammelstiftung N.________, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 21. Dezember 2004) 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 5. März 2003 sprach die IV-Stelle des Kantons Bern dem 1948 geborenen Z.________ ab 1. Februar 2002 bei einem Invaliditätsgrad von 53 % eine halbe Invalidenrente zu. Am 27. Oktober 2003 ersuchte die Sammelstiftung N.________ die IV-Stelle um Akteneinsicht, da Z.________ bei ihr berufsvorsorgeversichert gewesen sei. Die IV-Stelle kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 4. November 2003 nach; die Sammelstiftung retournierte die Akten am 11. November 2003. Am 17. November 2003 sowie am 27. Januar 2004 forderte die Sammelstiftung die IV-Stelle auf, die Verfügung vom 5. März 2003 ihr gegenüber formell zu eröffnen. Die Verwaltung stellte sich auf den Standpunkt, dass eine erneute Eröffnung der Verfügung nicht notwendig sei, nachdem diese zusammen mit den gesamten Akten der Sammelstiftung bereits am 4. November 2003 zugestellt worden sei, mithin die 30-tägige Einsprachefrist spätestens im Zeitpunkt des Rückversands der Akten am 11. November 2003 zu laufen begonnen habe (Schreiben der IV-Stelle vom 2. Dezember 2004). Auf die am 19. Februar 2004 erhobene Einsprache der Sammelstiftung mit dem Antrag, "die Verfügung vom 5. März 2003 sei aufzuheben und der Beginn der Wartezeit genauer abzuklären und neu festzusetzen", trat die Verwaltung nicht ein (Einspracheentscheid vom 9. März 2004). 
 
B. 
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 21. Dezember 2004). 
 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Sammelstiftung beantragen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides und des Einspracheentscheides sei die IV-Stelle anzuweisen, ihre Verfügung vom 5. März 2003 "formell zu eröffnen oder materiell zu entscheiden". 
 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der Rechtsstreit beschlägt die Frage, wie der Umstand zu würdigen ist, dass die IV-Stelle es versäumte, die Sammelstiftung als BVG-Versicherer in das der rentenzusprechenden Verfügung vom 5. März 2003 vorangehende IV-Verfahren einzubeziehen. Dafür sind nach den hier anwendbaren allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) die ab 1. Januar 2003 gültigen Bestimmungen anwendbar. 
 
2. 
Unter Geltung der hier nicht einschlägigen, bis 31. Dezember 2002 massgebenden Normenlage entschied das Eidgenössische Versicherungsgericht bezüglich Verfahrenskoordination und -teilnahme im Verhältnis zwischen Eidgenössischer Invalidenversicherung (IV) und beruflicher Vorsorge wie folgt: 
Gemäss BGE 129 V 73 ist die IV-Stelle verpflichtet, eine Rentenverfügung allen in Betracht fallenden Vorsorgeeinrichtungen von Amtes wegen zu eröffnen. Dem BVG-Versicherer steht ein selbstständiges Beschwerderecht im Verfahren nach IVG zu. Unterbleibt ein solches Einbeziehen der präsumptiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtungen, ist die invalidenversicherungsrechtliche Festsetzung des Invaliditätsgrades (grundsätzlich, masslich und zeitlich) berufsvorsorgerechtlich nicht verbindlich. In diesem Fall besteht kein Grund, der Vorsorgeeinrichtung bei nachträglicher Kenntnis der Rentenverfügung der Invalidenversicherung den Rechtsweg gegen diese zu eröffnen (Urteil S. vom 5. Oktober 2005, B 91/04, Erw. 3). 
 
3. 
Ob mit In-Kraft-Treten des ATSG in analoger Weise zu entscheiden ist, hängt davon ab, ob über den 1. Januar 2003 hinaus Vorsorgeeinrichtungen, die ausdrücklich oder unter Hinweis auf das Gesetz vom gleichen Invaliditätsbegriff wie die Invalidenversicherung ausgehen, an die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle gebunden sind, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (in BGE 130 V 501 nicht publizierte Erw. 2 mit Hinweisen), und ob den BVG-Versicherern - gleichsam als Korrelat zu dieser Bindungswirkung - die Möglichkeit offen steht, "die gleichen Rechtsmittel (zu) ergreifen wie die versicherte Person" (Art. 49 Abs. 4 ATSG). 
 
3.1 In dem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil V. vom 2. September 2005 (I 55/05 + U 26/05) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass der Unfallversicherer - wie zuvor schon in Fällen, in welchen das ATSG noch nicht zur Anwendung gelangte (AHI 2004 S. 181) - auch unter der Herrschaft des ATSG (insbesondere Art. 49 Abs. 4 ATSG) an die Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung nicht gebunden ist. Entsprechend fehlt es dem Unfallversicherer am "Berührtsein" im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG, weshalb dieser nicht zur Einsprache gegen die Verfügung oder zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der IV-Stelle über den Rentenanspruch als solchen oder den Invaliditätsgrad berechtigt ist; ebenso fehlt dem Unfallversicherer die Berechtigung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Eidgenössische Versicherungsgericht gegen Entscheide kantonaler Gerichte in Streitigkeiten um eine Rente der Invalidenversicherung (erwähntes Urteil V. vom 2. September 2005 [I 55/05 + U 26/05], Erw. 2, insbesondere Erw. 2.2). Damit hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht im Ergebnis einer früher schon in der Doktrin verschiedentlich vertretenen Meinung angeschlossen, wonach ein "Berührtsein" nicht angenommen werden kann, soweit nicht eine eigentliche Bindung an den durch einen anderen Sozialversicherungsträger getroffenen Entscheid besteht, sondern bloss eine Obliegenheit, dessen bereits vorliegenden rechtskräftigen Entscheid mit zu berücksichtigen (vgl. Kieser, ATSG-Kommentar, N 30 zu Art. 49 in fine mit entsprechenden Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung; Jürg Scheidegger, Die Koordination der Invaliditätsschätzungen der verschiedenen Sozialversicherungszweige, in: Schaffhauser/ Schlauri [Hrsg.], Aktuelle Rechtsfragen der Sozialversicherungspraxis, St. Gallen 2001, S. 101, wo ebenfalls keine enge Bindung der Unfallversicherung an eine rechtskräftige Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung angenommen wird; einlässlich zum Ganzen: Ulrich Meyer, Die Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren als Voraussetzung der Rechtsmittellegitimation, in: Schaffhauser/ Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2004, St. Gallen 2004, S. 14 ff. und insbesondere S. 28 ff.). 
 
3.2 Dieses Urteil lässt sich auf das hier strittige Verhältnis zwischen erster Säule (Invalidenversicherung) und zweiter Säule (berufliche Vorsorge) freilich nicht analog übertragen. Denn im Unterschied zum Verhältnis Invalidenversicherung zur Unfallversicherung ist die durch die Judikatur näher umschriebene Bindungswirkung der Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung für die (obligatorische) berufliche Vorsorge (BGE 115 V 208 und 215 sowie 118 V 39 Erw. 2 und 3 sowie seitherige Urteile) in den Art. 23 ff. BVG positivrechtlich ausdrücklich verankert. Dies zeigt sich darin, dass sich der Leistungsanspruch auf eine Invalidenrente der obligatorischen beruflichen Vorsorge an den sachbezüglichen Voraussetzungen des IVG orientiert (Art. 23 lit. a BVG in der seit 1. Januar 2005 gültigen Fassung), die Höhe der berufsvorsorgerechtlichen Rente analog zu derjenigen nach IVG bestimmt wird und schliesslich für den Beginn des Anspruchs auf eine BVG-Invalidenrente gestützt auf Art. 26 Abs. 1 BVG sinngemäss die entsprechenden ivg-rechtlichen Bestimmungen (Art. 29 IVG) gelten. An dieser gesetzlichen Konzeption, die auf der Überlegung fusst, die Organe der beruflichen Vorsorge von eigenen aufwändigen Abklärungen freizustellen, und folglich nur bezüglich Feststellungen und Beurteilungen der IV-Organe gilt, welche im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren für die Festlegung des Anspruchs auf eine Invalidenrente entscheidend waren, hat sich mit In-Kraft-Treten des ATSG, welchem die berufliche Vorsorge grundsätzlich nicht untersteht (vgl. hiezu im Allgemeinen: Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, S. 38 Rz 18 ff. sowie bezüglich Überentschädigung: BGE 130 V 78), nichts geändert. 
 
3.3 Das Gesagte zeitigt folgende Wirkungen: 
3.3.1 Indem die Invaliditätsbemessung der Invalidenversicherung für die Organe der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge über den 1. Januar 2003 hinaus prinzipiell bindend ist, ist sie geeignet, die Leistungspflicht des BVG-Versicherers in grundsätzlicher, zeitlicher und masslicher Hinsicht im Sinne von Art. 49 Abs. 4 ATSG (unmittelbar) zu berühren. Die Organe der beruflichen Vorsorge sind daher zur Einsprache gegen die Verfügung oder zur Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der IV-Stelle über den Rentenanspruch als solchen oder den Invaliditätsgrad berechtigt; ebenso ist der BVG-Versicherer befugt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Eidgenössische Versicherungsgericht gegen Entscheide kantonaler Gerichte in Streitigkeiten um eine Rente der Invalidenversicherung zu führen. 
3.3.2 Einem Eröffnungsfehler gegenüber einer präsumtiv leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung ist auch unter Geltung des ATSG in der Weise Rechnung zu tragen, dass den Ergebnissen bezüglich Invalidität aus dem IV-Verfahren keine Bindungswirkung für die Invaliditätsbeurteilung im berufsvorsorgerechtlichen Verfahren zuzuerkennen ist. Es besteht daher, wie bereits im zitierten Urteil S. vom 5. Oktober 2005, B 91/04, zur altrechtlichen Normenlage entschieden, kein Grund, der Vorsorgeeinrichtung bei nachträglicher Kenntnis der IV-Rentenverfügung den Rechtsweg gegen diese zu eröffnen (vgl. Erw. 2 zweiter Absatz hievor). Der angefochtene Gerichtsentscheid, worin der auf Nichteintreten lautende Einspracheentscheid bestätigt wurde, hält im Ergebnis Stand. 
 
4. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 134 OG e contrario; Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern, dem Bundesamt für Sozialversicherung und Z.________, zugestellt. 
Luzern, 9. Dezember 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: