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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_197/2011 
 
Urteil vom 14. Juli 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Amt der Region Oberwallis, Kantonstrasse 6, 3930 Visp, 
 
Y.________. 
 
Gegenstand 
Wechsel des Offizialverteidigers, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 23. März 2011 des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, Präsident. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Urteil vom 23. Dezember 2010 sprach das Bezirksgericht Brig X.________ vom Vorwurf der Pornografie frei. Ein Freispruch mangels Schuldfähigkeit erfolgte sodann in den Anklagepunkten der mehrfachen Drohung, der versuchten und vollendeten Nötigung, der mehrfachen versuchten Gewalt und Drohung gegen Beamte, der Widerhandlungen gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz sowie des Fahrens in fahrunfähigem Zustand. Gleichzeitig verfügte das Bezirksgericht gegen den Angeklagten eine stationäre therapeutische Massnahme in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmenvollzugseinrichtung (mit anfänglichem Vollzug in einer geschlossenen Einrichtung oder einer geschlossenen Abteilung einer offenen Strafanstalt). Am 7./23. Februar 2011 erhob der Angeklagte gegen das erstinstanzliche Strafurteil die Berufung beim Kantonsgericht des Kantons Wallis. 
 
B. 
Mit Eingabe vom 28. Februar 2011 beantragte der Angeklagte für das hängige Berufungsverfahren die Auswechslung seines Offizialverteidigers. Mit Vernehmlassung vom 1. März 2011 schloss sich der amtliche Rechtsvertreter dem Gesuch an. Am 23. März 2011 wies das Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, Präsident, das Gesuch ab. 
 
C. 
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes vom 23. März 2011 gelangte X.________ mit einer auf 24. April 2011 datierten Beschwerde (Postaufgabe: 19. April 2011) an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
 
Der Offizialverteidiger widersetzt sich der Fortführung des Mandates nicht und beantragt mit Stellungnahme vom 11. Mai 2011 die Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht liess sich am 28. April 2011 vernehmen. Von der Staatsanwaltschaft ist keine Vernehmlassung eingegangen. Der Beschwerdeführer replizierte am 18. Mai 2011. Am 29. Juni bzw. 1. Juli 2011 reichte die Mutter des Beschwerdeführers unaufgefordert diverse Eingaben ein, welche sich inhaltlich nicht auf den Gegenstand des angefochtenen Entscheides (Frage des Verteidigerwechsels) bezogen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen (letztinstanzlichen kantonalen) verfahrensleitenden Zwischenentscheid in Strafsachen betreffend Nichtauswechslung des Offizialverteidigers im Berufungsverfahren. Zu prüfen ist, ob die Eintretensvoraussetzungen (von Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) erfüllt sind. 
 
1.1 Sofern die Sachurteilsvoraussetzungen nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich werden, obliegt es grundsätzlich dem Beschwerdeführer darzulegen, inwiefern sie gegeben sind (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356). 
 
1.2 Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Der blosse Umstand, dass es sich beim aktuellen Offizialverteidiger nicht (oder nicht mehr) um den Wunsch- bzw. Vertrauensanwalt eines Beschuldigten handelt, schliesst eine wirksame und ausreichende Verteidigung nicht aus. Die Ablehnung eines Gesuches des Beschuldigten um Auswechslung des Offizialverteidigers begründet daher grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne des Gesetzes (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263; 126 I 207 E. 2b S. 211; Urteile 1B_357/2010 vom 7. Januar 2011 E. 1.2.1-1.2.2; 1B_184/2009 vom 2. Juli 2009 E. 2.1-2.2). Anders kann der Fall liegen, wenn der amtliche Verteidiger seine Pflichten erheblich vernachlässigt (vgl. BGE 120 Ia 48 E. 2 S. 50 ff.), wenn die Strafjustizbehörden gegen den Willen des Beschuldigten und seines Offizialverteidigers dessen Abberufung anordnen (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 339), oder wenn sie dem Beschuldigten verweigern, sich (zusätzlich zur Offizialverteidigung) auch noch durch einen Privatverteidiger vertreten zu lassen (BGE 135 I 261 E. 1.2-1.4 S. 264 f.). 
 
1.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Interessen als Angeklagter seien vom amtlichen Verteidiger nicht ausreichend wahrgenommen worden. Obwohl er verlangt habe, dass "ein erneutes Gutachten" beantragt werde, sei der Offizialverteidiger diesem Wunsch nicht nachgekommen. Aus dem Umstand, dass sein Anwalt unter anderem eine nicht ausreichende Deckung der Verteidigungskosten vor Gericht beanstandet habe, ergebe sich, dass der amtliche Rechtsvertreter vorwiegend seine eigenen Interessen verfolge. Dass der Verteidiger seine Sachdarstellung ausdrücklich auf die "Angaben des Beschuldigten" gestützt habe, zeige, dass er sich die Sicht seines Mandanten nicht zu eigen mache. Sodann habe der Verteidiger gewisse Umstände, die sich bereits aus den Akten ergäben, vor Gericht nicht ausdrücklich vorgebracht. Ebenso wenig sei er auf den Wunsch des Beschwerdeführers eingetreten, die mit dem Fall befassten Polizisten seien zu einer Stellungnahme aufzufordern, weshalb sie einem körperlich Behinderten (mit dem "Geburtsgebrechen Lippen- und Gaumenspalte") angeblich zu Unrecht einen Waffenerwerbsschein verweigert hätten. In gewissen Anklagepunkten habe sich der Verteidiger auch nicht ausreichend für einen Freispruch eingesetzt. 
 
1.4 In den Grenzen einer sorgfältigen und effizienten Ausübung des Offizialmandates ist die Wahl der Verteidigungsstrategie grundsätzlich Aufgabe des Verteidigers. Zwar hat er die objektiven Interessen des Beschuldigten möglichst im gegenseitigen Einvernehmen und in Absprache mit diesem zu wahren. Der Verteidiger agiert jedoch im Strafprozess nicht als blosses unkritisches "Sprachrohr" seines Klienten. Insbesondere liegt es im Zweifelsfall im pflichtgemässen Ermessen des Verteidigers zu entscheiden, welche Beweisanträge und juristischen Argumentationen er als sachgerecht und geboten erachtet (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 194 E. 3d S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105; Urteile 1B_67/2009 vom 14. Juli 2009 E. 2.2-2.3; 1P.311/1999 vom 17. August 1999 E. 3a/bb; s. neurechtlich auch Art. 134 Abs. 2 StPO). 
 
1.5 Das Kantonsgericht legt in seiner Vernehmlassung vom 28. April 2011 Folgendes dar: Im August 2009 habe der Beschwerdeführer einen ersten Anwalt mit seiner Verteidigung beauftragt. Am 9. Oktober 2009 habe er neu den jetzigen Offizialverteidiger mandatiert, worauf der bisherige Rechtsvertreter das Mandat am 21. Oktober 2009 niedergelegt habe. Mit Entscheid vom 25. November 2009 sei der vom Beschwerdeführer neu gewählte Anwalt (rückwirkend ab 22. Oktober 2009) zum amtlichen Verteidiger ernannt worden. Der Mandatswechsel sei auf Wunsch des Beschwerdeführers erfolgt. Am 2. September 2010 habe dieser noch einen dritten Rechtsvertreter beauftragt, sich in der Folge aber bereit erklärt, mit dem bisherigen amtlichen Verteidiger weiterzuarbeiten. Am 28. Februar 2011 habe der Beschwerdeführer dessen Auswechslung beantragt. Im Anschluss an den hier streitigen Entscheid vom 23. März 2011 habe sich der Offizialverteidiger mit Schreiben vom 30. März 2011 bereit erklärt, sein Amt nach bestem Wissen und Gewissen weiterzuführen. 
 
1.6 Weder aus den Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den Strafakten werden (im Sinne der dargelegten Rechtsprechung) Pflichtversäumnisse des Offizialverteidigers ersichtlich. Dieser widersetzt sich (gemäss seiner Vernehmlassung vom 11. Mai 2011) der Fortführung des Mandates ausdrücklich nicht. Aus Unzufriedenheit über die Bedingungen des vorzeitigen Massnahmenvollzuges habe der Beschwerdeführer sich ab Februar 2011 geweigert, ihn (den Offizialverteidiger) zu empfangen. Ausserdem habe der Angeklagte ihm gegenüber die Ansicht vertreten, dass er sich keiner Straftaten schuldig gemacht habe und dass keine Schuldunfähigkeit vorliege. Die Mandatsbeziehungen zwischen ihm und dem Beschwerdeführer hätten unterdessen wieder aufgenommen werden können. So habe er Telefongespräche mit seinem Klienten geführt und ihn am 2. Mai 2011 in der Straf- und Massnahmenvollzugsanstalt Thorberg besucht. Einer weiteren Zusammenarbeit stehe insofern nichts im Wege. Als amtlicher Rechtsvertreter habe er das Mandat mit enormem Aufwand und stets nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Beschwerdeführers ausgeübt. 
 
1.7 Eine effiziente Verteidigung erscheint aufgrund der vorliegenden Akten weiterhin gewährleistet, weshalb die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht erfüllt sind (vgl. Urteile des Bundesgerichtes 1B_357/2010 vom 7. Januar 2011 E. 1.2; 1B_184/2009 vom 2. Juli 2009 E. 2.1-2.2). 
 
Im Übrigen ergäbe sich aus einer Weigerung des Angeklagten, mit seinem Offizialverteidiger sachgerecht zu kooperieren und diesem die grundsätzliche Wahl der Verteidigungsstrategie (in Rahmen seines pflichtgemässen Ermessens) zu überlassen, auch materiell kein grundrechtlicher oder bundesgesetzlicher Anspruch auf dessen Auswechslung (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 194 E. 3d S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105; Urteile 1B_67/2009 vom 14. Juli 2009 E. 2.2-2.3; 1P.311/1999 vom 17. August 1999 E. 3a/bb; s. neurechtlich auch Art. 134 Abs. 2 StPO). 
 
2. 
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
 
Der Beschwerdeführer stellt zwar kein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich jedoch, ihm ausnahmsweise keine Gerichtskosten nachträglich aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, Präsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 14. Juli 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Fonjallaz Forster