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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_374/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 12. Februar 2015  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 31. Oktober 2014 des Regionalen Zwangsmassnahmengerichts Berner Jura-Seeland, Präsident. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 Die Regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Sachbeschädigung. Am 24. September 2014 führte sie am Domizil des Beschuldigten eine Hausdurchsuchung durch, bei welcher unter anderem eine Fotokamera, ein Mobiltelefon, drei Laptops und ein USB-Stick sichergestellt und auf Antrag des Beschuldigten versiegelt wurden. Am 3. Oktober 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Entsiegelungsgesuch. Mit Entscheid vom 31. Oktober 2014 verfügte das Regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland, Präsident, die Entsiegelung dieser Geräte (inklusive der darin enthaltenen elektronischen Aufzeichnungen) und ihre Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft. 
 
B.  
 
 Gegen den Entsiegelungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichtes gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 7. November (Postaufgabe: 11. November) 2014 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
 
 Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde, während das Zwangsmassnahmengericht auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hat. Am 29. November 2014 stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt. 
 
2.  
 
 Gemäss Entsiegelungsantrag vom 3. Oktober 2014 verdächtigt die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer, er habe im Sommer 2014 drei Mal einen "Billetautomaten" (in Lüscherz) beschädigt, indem er Bauschaum in den betroffenen Automaten gesprüht habe. Da es regelmässig vorkomme, dass Täter bei Sachbeschädigungen dieser Art die von ihnen beschädigten Objekte fotografieren, bestehe "eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass auf den beschlagnahmten elektronischen Geräten Bilder vorhanden" sein könnten, "die als Beweismittel dienen können". Demgemäss seien (im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes) "nur die verfahrensrelevanten Aufzeichnungen" zu erheben. Gegen die "Siegelung" (bzw. Aussonderung) der übrigen persönlichen Aufzeichnungen und Korrespondenzen sei nichts einzuwenden. 
 
3.  
 
 Schon im Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht hatte der (damals noch anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern die sichergestellten elektronischen Geräte und Datenträger untersuchungsrelevant wären. Weder gehe es um einen Fall sachbeschädigender Graffitis bzw. Farbsprayereien, noch gehöre er der "Sprayerszene" an, bei der es offenbar vorkommen könne, dass Täter ihre Sachbeschädigungen fotografisch dokumentieren. Im vorliegenden Fall werde der ihm nicht bekannten Täterschaft vielmehr vorgeworfen, drei Mal in relativ kurzem zeitlichem Abstand Bauschaum in einen Parkticket-Automaten gesprüht zu haben. Weshalb die Täterschaft dies mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit fotografisch festgehalten haben sollte, sei nicht nachvollziehbar. Dies umso weniger, als bei dem von der Staatsanwaltschaft dargelegten Tatvorgehen (Einsprühen von Bauschaum in das Innere des Automaten, um seine technische Funktion zu beeinträchtigen) von Aussen nichts bis wenig erkennbar wäre, weshalb ein Motiv für ein allfälliges Fotografieren des Automaten noch abwegiger sei. Aber selbst wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass sich auf den sichergestellten elektronischen Dateien untersuchungsrelevante Bilder befinden könnten, was bestritten werde, erschiene es unverhältnismässig, sämtliche elektronischen Geräte und Datenträger des Beschwerdeführers, welche diverse private Aufzeichnungen und Korrespondenzen enthielten, unbeschränkt zu entsiegeln und zur Durchsuchung seitens der Staatsanwaltschaft freizugeben. Die Entsiegelung sei, wenn überhaupt, auf allfällige untersuchungsrelevante Bilder zu beschränken, wie dies im Übrigen auch von der Staatsanwaltschaft beantragt werde. 
 
4.  
 
 Was die vom Beschwerdeführer bestrittene Untersuchungsrelevanz und Verhältnismässigkeit betrifft, wird im angefochtenen Entscheid Folgendes erwogen: "Weil die Staatsanwaltschaft" noch keine Kenntnis vom Inhalt der sichergestellten elektronischen Aufzeichnungen haben könne, müsse es "für die Bewilligung der Entsiegelung genügen, dass nach der Anhörung der Betroffenen die Vermutung" bestehen bleibe, dass "die fraglichen Unterlagen und Gegenstände für den konkreten Zweck der Strafuntersuchung erheblich sein können". Es sei "nicht ausgeschlossen", dass auf den versiegelten Geräten solche Aufzeichnungen gespeichert sein könnten. Es komme "regelmässig vor, dass Täter bei Taten von dieser Art die von ihnen beschädigten Objekte oftmals fotografieren". Zwar sei davon auszugehen, dass sich auf den versiegelten Geräten auch private Aufzeichnungen und Korrespondenzen des Beschwerdeführers befinden. Unabhängig von der Schadenshöhe sei jedoch sein Geheimhaltungsinteresse tiefer einzustufen als das öffentliche Interesse an der Aufklärung der Sachbeschädigungen. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Zusammenfassend sei festzuhalten, "dass sich unter den zu durchsuchenden Gegenständen und Aufzeichnungen potentiell keine" befänden, "die einem strafprozessual zu achtenden Geheimnis unterstehen". "Da die Entsiegelung damit als verhältnismässig zu bezeichnen" sei, - "die gegenteiligen Ausführungen" des Beschwerdeführers könnten "nicht gehört werden," - seien alle elektronischen Geräte "entsprechend zu entsiegeln". 
 
5.  
 
 Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Laieneingabe die Verhältnismässigkeit des angefochtenen Entsiegelungsentscheides. Die versiegelten Geräte enthielten keine Aufzeichnungen, die strafrechtlich relevant sein könnten. Da unter anderem "wichtige angefangene Arbeiten" darauf gespeichert seien, wäre er anlässlich der Hausdurchsuchung am 24. September 2014 bereit gewesen, auf eine Versiegelung zu verzichten, falls er die Datenträger innert nützlicher Frist (2-3 Tage) wieder zurückerhalten hätte. Wenn er schon seine angefangenen Arbeiten nicht habe beenden können, verlange er wenigstens, dass seine "Privatsphäre und der Datenschutz gewahrt bleiben". Dass sogenannte Vandalen teilweise Photos von ihren Sachbeschädigungen machen würden, treffe bekanntlich primär auf die Sprayer-Szene zu. Diese sei eine Subkultur, und die Sprayer betrachteten ihre "Werke" meist als Kunst. Bilder davon würden als Trophäen innerhalb der Szene herumgereicht, um den Bekanntheitsgrad der Täter zu steigern. Eine "Parkautomatenbeschädiger-Szene" gebe es demgegenüber seines Wissens nicht. Ebenso wenig sei ein Grund ersichtlich, weshalb jemand einen mit Bauschaum gefüllten Parkautomaten fotografieren sollte. Der angefochtene Entscheid sei darüber hinaus unverhältnismässig. Selbst die Staatsanwaltschaft habe im Entsiegelungsgesuch darauf hingewiesen, dass auf die vollständige Entsiegelung aller Dateien verzichtet werden könne. Sie sei sich offenbar bewusst gewesen, dass sie sich "rechtlich auf sehr dünnes Eis" begeben habe. Entsprechendes hätte folglich auch das Zwangsmassnahmengericht berücksichtigen müssen. 
 
5.1. Falls die Staatsanwaltschaft (im Vorverfahren) ein Entsiegelungsgesuch stellt, ist vom Zwangsmassnahmengericht im Entsiegelungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die Geheimnisschutzinteressen, welche von der Inhaberin oder dem Inhaber der versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände angerufen werden, einer Durchsuchung und weiteren strafprozessualen Verwendung durch die Staatsanwaltschaft entgegen stehen (Art. 248 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a StPO; BGE 137 IV 189 E. 4 S. 194 f.; 132 IV 63 E. 4.1-4.6 S. 65 ff.). Bis zum Entsiegelungsentscheid bleiben die versiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände vorläufig sichergestellt (Art. 263 Abs. 3 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO). In dem Umfang, als das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelung rechtskräftig bewilligt hat, kann die Staatsanwaltschaft anschliessend die entsiegelten Aufzeichnungen und Gegenstände einsehen, inhaltlich durchsuchen und (soweit nach Art. 263-268 StPO zulässig) förmlich beschlagnahmen (Art. 248 Abs. 1 i.V.m. Art. 246 und Art. 263 Abs. 1 StPO).  
 
5.2. Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten (Art. 13 BV). Strafprozessuale Zwangsmassnahmen setzen unter anderem voraus, dass die streitige Untersuchungshandlung verhältnismässig erscheint (Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO, Art. 36 Abs. 3 BV). Der Entsiegelungsrichter hat daher (auch bei grossen Datenmengen) jene Gegenstände auszusondern, die (nach den substanziierten Angaben der Staatsanwaltschaft bzw. der betroffenen Inhaber) für die Strafuntersuchung offensichtlich irrelevant erscheinen (BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229 mit Hinweisen; zur amtl. Publikation bestimmtes Urteil 1B_330/2014 vom 21. November 2014 E. 4.3).  
 
5.3. Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, hat der Beschwerdeführer schon im kantonalen Entsiegelungsverfahren überwiegend argumentiert, dass die sichergestellten elektronischen Geräte "nichts mit dem Fall zu tun hätten" (angefochtener Entscheid, S. 8 oben). In der Tat drängen sich gewisse Zweifel an der Annahme der kantonalen Behörden auf, dass auf den Geräten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Photos von beschädigten Ticketautomaten gespeichert sein könnten. Das Zwangsmassnahmengericht hat sich mit den betreffenden Einwendungen des Beschwerdeführers (wonach er nicht der "Sprayer-Szene" angehöre, angeblich Bauschaum in das Gerät hineingesprüht worden sei usw.) nicht auseinandergesetzt. Zwar kann nicht zum Vornherein ausgeschlossen werden, dass sich unter den sichergestellten Aufzeichnungen einschlägige Photos befinden könnten. Die Vorinstanz verkennt jedoch, dass die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre (Art. 13 BV) einer unbeschränkten Durchsuchung sämtlicher elektronischen Geräte und Aufzeichnungen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit entgegenstehen kann und dass das Zwangsmassnahmengericht (auf substanziierte Vorbringen des betroffenen Inhabers hin) die Entsiegelung jedenfalls auf untersuchungsrelevante Gegenstände zu beschränken hat (BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229 mit Hinweisen). Dies gilt besonders in Fällen minder schwerer Kriminalität (Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO; zur amtl. Publikation bestimmtes Urteil 1B_330/2014 vom 21. November 2014 E. 5.2). Aus dem blossen Umstand, dass die Staatsanwaltschaft den Inhalt der versiegelten Gegenstände noch nicht kennen kann, folgt keineswegs, dass ohne Weiteres deren unbeschränkte Entsiegelung und Freigabe zur Durchsuchung zulässig wäre. Vielmehr ist es die gesetzliche Aufgabe des Zwangsmassnahmengerichtes, nötigenfalls eine Triage (Sichtung) der versiegelten Aufzeichnungen vorzunehmen und die nicht deliktsrelevanten Gegenstände auszuscheiden (Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO; BGE 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 5.1.2 S. 196 f.; zur amtl. Publikation bestimmtes Urteil 1B_330/2014 vom 21. November 2014 E. 5.4 und 5.5.1). Diese Grundsätze sind gerade im vorliegenden Fall einzuhalten, bei dem die Staatsanwaltschaft die untersuchungsrelevanten Aufzeichnungen (allfällige Bilder von Ticketautomaten) schon im Entsiegelungsgesuch konkret eingegrenzt hat und die Sichtung von entsprechenden Bilddateien durch das Zwangsmassnahmengericht nicht sehr aufwändig erscheint. Der angefochtene Entscheid erweist sich insofern als bundesrechtswidrig.  
 
6.  
 
 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. 
 
 Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Entsiegelungssache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Eine allfällige Entsiegelung (Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft) ist auf untersuchungsrelevante elektronische Aufzeichnungen (allfällige Bildaufnahmen von Ticketautomaten) zu beschränken. Die nicht untersuchungsrelevanten Gegenstände sind nach einer entsprechenden Aussonderung durch das Zwangsmassnahmengericht an den Beschwerdeführer zurückzugeben. 
 
 Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. 
 
2.   
Der Entscheid vom 31. Oktober 2014 des Regionalen Zwangsmassnahmengerichts Berner Jura-Seeland, Präsident, wird aufgehoben, und die Sache wird an die Vorinstanz zur Neubeurteilung und Triage wie folgt zurückgewiesen: Eine allfällige Entsiegelung (Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft) ist auf untersuchungsrelevante elektronische Aufzeichnungen (allfällige Bildaufnahmen von Ticketautomaten) zu beschränken. Die nicht untersuchungsrelevanten Gegenstände sind (nach einer entsprechenden Aussonderung durch das Zwangsmassnahmengericht) an den Beschwerdeführer zurückzugeben. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Regionalen Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Februar 2015 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster